Die schwerste Dürre seit Jahrzehnten hat Brasilien eine Energiekrise eingebrockt und gefährdet die lang ersehnte Konjunkturerholung des Landes.

Brasilia. Die Wasserstände in den Talsperren befinden sich auf historischem Tiefstand. Sollten nicht bald die Sommerregen einsetzen, dürfte die Energieknappheit zum Bremsklotz für die Wirtschaft werden, die gerade mühsam versucht, zum Schwung früherer Jahre zurückzufinden. 2012 ist das Bruttoinlandsprodukt der weltweit sechstgrößten Volkswirtschaft wohl weniger als ein Prozent gewachsen. Die Regierung hat sich auf die Fahne geschrieben, schnell zum alten Wachstumstempo von etwa fünf Prozent zurückzukehren.

Die Krise hat die Strompreise an den Spotmärkten bereits in die Höhe getrieben und Präsidentin Dilma Rousseff dazu gezwungen, ihren Urlaub zu verkürzen. Es wird erwartet, dass Rousseff noch am Mittwoch Vorschläge unterbreitet, wie sie der Energiekrise beikommen will. Die börsennotierten Energiekonzerne befinden sich längst unter Druck und führten Brasiliens Leitindex Bovespa am Dienstag den zweiten Tag in Folge ins Minus. Die Aktie von Marktführer Eletrobras fiel fast neun Prozent.

Brasilien hat Erfahrung mit extremen Dürren. 2001 rationierte das Land die Energiezufuhr. Doch seither hat sich einiges geändert: Das Stromnetz ist noch abhängiger von der Wasserkraft geworden und zudem ist die Wirtschaft seither extrem gewachsen - sie benötigt entsprechend mehr Energie. Energieminister Edison Lobao versichert mit Verweis auf die gestiegene Anzahl der Gaskraftwerke seit Tagen, dass die Gefahr einer Knappheit nicht besteht. Auch Kürzungen bei der Stromversorgung seien nicht geplant.

Experten schätzen das anders ein. "Es ist unverantwortlich, zu sagen, dass es nicht zu einer Rationierung kommt. Das hängt nicht von der Regierung ab, sondern allein von der Natur", sagte der frühere Chef des staatlichen Ölunternehmens Petrobras, Ildo Sauer. Jeder Brasilianer bete deswegen für Regen.

Strom aus Wasserkraft ist fünfmal günstiger als die aus Gas gewonnene Energie. Wegen der Wasserknappheit sind die Strompreise an der Strombörse in dieser Woche um mehr als 60 Prozent in die Höhe geschossen und damit nicht mehr weit vom Niveau von 2001 entfernt. Sollte der Regen weiter ausbleiben, dürften die Preise munter weitersteigen.

Das würde Rousseffs Bemühungen konterkarieren, die Stromrechnungen ihrer Landsleute zu drücken. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, die Energiekosten in diesem Jahr um mindestens 16 Prozent zu senken. Höhere Energiepreise schlagen jedoch nicht nur auf die Inflation durch. "Davon ist auch etwa die Industrieproduktion betroffen", erläutert Chefökonom Jose Francisco de Lima Goncalves von der Investmentbank Banco Fator. Vor allem der Energie-intensive Bergbau sowie die Stahl- und Aluminiumindustrie ächzen unter dem Kostenanstieg. Der staatlich kontrollierte Energie-Gigant Petrobras musste bereits seine Flüssiggas-Importe kräftig erhöhen und dabei einen saftigen Preisanstieg in Kauf nehmen.