Die amerikanische Staatsanwältin Carmen Ortiz rechtfertigte in einer Stellungnahme ihre Anklageerhebung gegen Aaron Swartz und bezeichnete ihr Vorgehen in dem Fall als »angemessen«, auch wenn es möglicherweise zum Selbstmord des 26-Jährigen geführt habe.
Aaron Swartz
Ortiz drückte zwar der Familie Swartz und seinen Freunden ihr Beileid aus, verteidigte aber das Vorgehen ihrer Behörde und erklärte, sie hätte ein sehr viel geringeres Strafmaß empfohlen als Swartz befürchtet habe. »Zu keinem Zeitpunkt hat mein Büro daran gedacht - oder etwa dem Anwalt von Swartz gegenüber erklärt, man beabsichtige, die vom Gesetz vorgesehene Höchststrafe zu beantragen«, erklärte Ortiz.

Dem Internetaktivisten und Mitbegründer der Social-News-Internetseite Reddit drohte im Falle einer Verurteilung eine Höchststrafe von 50 Jahren Gefängnis und eine Geldstrafe in Höhe von vier Millionen Dollar. Ortiz sagte nun, sie hätte dem Richter gegenüber empfohlen, mit dem Angeklagten eine Absprache auszuhandeln, in der es im Gegenzug für ein Schuldanerkenntnis um eine sechsmonatige Gefängnisstrafe im gemäßigten Vollzug gegangen wäre.

Swartz‘ Anwalt Elliot Peters erklärte gegenüber der Huffington Post, die Staatsanwaltschaft hätte eine sieben- bis achtjährige Haftstrafe gefordert, wenn ihr Mandant das Angebot der sechsmonatigen Haftstrafe abgelehnt hätte. »Das Verhalten der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Arbeit an dem Fall und der Anklageerhebung war angemessen«, meinte demgegenüber Ortiz. »Die mit dem Fall beauftragten Staatsanwälte übernahmen die schwierige Aufgabe, einem Gesetz Geltung zu verschaffen, wie sie es in ihrem Amtseid geschworen hatten, und sie erledigten ihre Arbeit auf vernünftige Weise.«

Aber der Forbes-Autor Tim Lee argumentierte, Schuldanerkenntnisse bedeuteten eine Entwürdigung und zwängen Angeklagte dazu, sich ohne ein rechtsstaatliches Verfahren und ohne die Chance, sich selbst verteidigen zu können, schuldig bekennen zu müssen. Lee behauptete weiter, Ortiz habe mit der Höchststrafe gedroht, um den jungen Angeklagten zu einem Schuldbekenntnis zu drängen. »Wenn Ortiz davon überzeugt war, Swartz habe ohnehin nicht mehr als eine sechsmonatige Gefängnisstrafe verdient, warum warf sie ihm dann in der Anklageschrift Vergehen vor, die mit einer Höchststrafe von 50 Jahren Gefängnis geahndet werden könnten? Es ist ein alter Trick, hohe Strafen bei Verhandlungen über ein Schuldanerkenntnis als Druckmittel zu benutzen«, schreibt Lee weiter. »Hätte Swartz sich dazu entschieden, auf nichtschuldig zu plädieren, wäre das Angebot einer sechsmonatigen Haftstrafe gegenstandslos geworden. Und im Falle einer Verurteilung hätte die Staatsanwaltschaft vermutlich die vom Gesetz vorgesehene Höchststrafe gefordert. Der Richter hätte zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die Höchststrafe von 50 Jahren verhängt, aber man kann sich durchaus vorstellen, dass Swartz zu zehn Jahren Haft verurteilt worden wäre.«

Mit ihrer Erklärung brach Ortiz ihr öffentliches Schweigen zum Fall Swartz, nachdem sich dieser am 11. Januar das Leben genommen hatte. Die Familie und die Freunde des jungen Mannes hatten das massive und einschüchternde Vorgehen der Behörde für den Selbstmord verantwortlich gemacht. Swartz‘ Vater erklärte, sein Sohn sei »von der Regierung getötet worden«.

Die Staatsanwaltschaft in Boston hat sich bisher geweigert, die Kontroverse im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Staatsanwaltschaft und dem Selbstmord von Swartz zu kommentieren oder zu diskutieren, aber die Kritik an dem Vorgehen der Behörde ebbt nicht ab. Eine an das Weiße Haus gerichtete Petition, in der die Entlassung von Ortiz gefordert wird, erhielt bereits mehr als 40.000 Unterschriften. Damit ist das Weiße Haus zu einer offiziellen Reaktion verpflichtet.

Auch der Tenor ihrer Erklärung, in der sie ihr hartes Vorgehen gegenüber Swartz eher verteidigt als sich dafür zu entschuldigen, dürfte die Kritik an ihr nicht verstummen lassen. »Als Staatsanwaltschaft gehört es auch zu unseren Aufgaben, den Einsatz von Computern und des Internets zu schützen, indem wir die entsprechenden Gesetze so gerecht und verantwortlich wie möglich zur Geltung bringen«, schrieb sie in ihrer Erklärung. »Dabei geben wir täglich unser Bestes, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.«

Mit ihrem Beharren, das Richtige getan zu haben, wird die Beileidsbekundung der Staatsanwältin wohl kaum dazu beitragen, weitere Untersuchungen der Angelegenheit abzuwehren, da ihre Kritiker ihren Vorwurf, die Staatsanwaltschaft sei zu hart vorgegangen, weiterhin aufrecht erhalten.

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