In mondlosen Nächten dient das helle Band am Nachthimmel der Orientierung

In mondlosen Nächsten blickt der Pillendreher besonders häufig von seiner Mistkugel auf in den Himmel. Denn um den geraden Weg zu finden, orientiert sich der Käfer am hellen Band der Milchstraße. Das hat ein internationales Forscherteam bei einem Experiment herausgefunden. Der Käfer ist damit das erste Insekt mit einer solchen himmlischen Navigation - und das einzige bisher bekannte Tier, dass die Milchstraße als Wegweiser nutzt, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin "Current Biology" berichten.
Mistkäfer, Dungkäfer
© Emily BairdDer Pillendreher ist das erste Tier, das sich nachweislich an der Milchstraße orientiert.
Eigentlich sind die vor allem in Afrika vorkommenden Pillendreher (Scarabaeus satyrus) ziemlich erdverbundene Käfer: Sie verbringen viel Zeit damit, Dung - beispielsweise von Kühen, - zu großen Kugeln zu formen und diese dann unter Einsatz ihres gesamten Körpers in ein geeignetes Versteck zu rollen und zu vergraben. Der Dung dient dann dort ihren Larven als Nahrung. Um zu verhindern, dass andere Pillendreher ihnen ihre mühsam geformte Kugel stehlen, versuchen die Käfer, sich möglichst schnell und auf geradestem Weg vom Dunghaufen zu entfernen. Tagsüber helfen ihnen der Sonnenstand und die Polarisierung des Sonnenlichts dabei. Seltsamerweise aber laufen die Pillendreher selbst dann schnurstracks geradeaus, wenn es stockdunkle Nacht ist und auch kein Mond am Himmel steht. Wie gelingt ihnen das?

Irrwege mit Scheuklappen

Marie Dacke von der Universität Lund in Schweden und ihre Kollegen aus Südafrika haben nun die Probe aufs Exempel gemacht: Für ihre Studie setzten sie die Pillendreher in eine spezielle, drei Meter große Arena, deren hoher Rand alle Landmarken verdeckte. Den Käfern blieb als Orientierung nur der Blick in den mondlosen Nachthimmel. Ließen die Forscher die Käfer mitsamt Dungkugel laufen, fanden diese den geraden Weg von der Arenamitte hin zum geschützten Rand. Verpassten die Biologen den Käfern dagegen Scheuklappen, die ihnen den Blick nach oben versperrten, rollten die Pillendreher ihre Dungkugeln kreuz und quer umher und legten statt rund 1,20 Meter nun fast fünf Meter Strecke zurück.

"Das brachte uns zu der Vermutung, dass die Käfer den Sternenhimmel als Orientierung nutzen - etwas, das bei einem Insekt noch niemals zuvor beobachtet worden ist", erklärt Dacke. Um diese Hypothese zu überprüfen, wiederholten die Forscher ihren Arenaversuch in einem Planetarium. Dort ließen sie die Käfer unter vier verschiedenen Himmelsansichten laufen: Einem vollständigen Sternenhimmel mit mehr als 4.000 Einzelsternen und dem hellen band der Milchstraße, einem Himmel mit nur hellen oder nur schwach leuchtenden Sternen, nur der Milchstraße ohne Sterne und - als Kontrolle - einem komplett dunklen Himmel.

Helles Himmelsband als Wegweiser

Das Ergebnis: Sobald das diffus helle Band der Milchstraße am Himmel sichtbar war - egal ob mit oder ohne Sterne drumherum - nahmen die Käfer den geraden Weg und brachten ihre Dungkugel in Rekordzeit an den Arenarand. Waren dagegen nur Sterne oder ein schwarzer Himmel zu sehen, irrten sie rund doppelt so lange in der Arena umher. "Das zeigt deutlich, dass sich die Käfer nicht an einem einzelnen Leitstern orientieren, sondern an dem hellen Lichtband der Milchstraße", konstatieren die Forscher. Das sei gut erklärbar, denn für die nicht sehr hochauflösenden Komplexaugen der Käfer sei die quer über den Nachthimmel ziehende Milchstraße vermutlich als Helligkeitsgradient gut zu erkennen, einzelne Sterne dagegen wohl eher nicht.

"Dieses Ergebnis belegt, dass einige Insekten den Sternenhimmel zur Orientierung nutzen können, selbst wenn ihre Augen nicht gut genug sind, um einzelne Sterne unterscheiden zu können", sagen Dacke und ihre Kollegen. Zwar sei der Pillendreher das erste Beispiel für ein Tier, das sich eindeutig an der Milchstraße orientiere, aber diese Fähigkeit könnte im Tierreich weiter verbreitet sein als bisher angenommen. Wie die Forscher berichten gibt es beispielsweise erste Hinweise darauf, dass auch einige Frösche in mondlosen Nächten diesen Helligkeitsverlauf am Himmel nutzen.

(Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2012.12.034)
(Current Biology - NPO)