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© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)Bild 1: Senkrechte Farb-Draufsicht auf den Südosten der Charitum Montes. (HIER finden Sie eine vergrößerte Darstellung 86,28 MB).
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Die Beobachtung jahreszeitlicher Phänomene hat auch auf dem Mars ihren besonderen Reiz. Da die Rotationsachse des Planeten etwa die gleiche Neigung aufweist wie die Drehachse der Erde, kommt es auch auf unserem Nachbarplaneten zu ausgeprägten Jahreszeiten - nur sind sie wegen der etwa zweijährigen Umlaufzeit des Mars um die Sonne doppelt so lange.

Berlin (Deutschland) - Frostablagerungen sind dann im Winter auch in gemäßigten Breitengraden keine Seltenheit, wie diese Bilder der Charitum-Berge (lat. mons, Berg) zeigen. Sie wurden mit der vom DLR betriebenen hochauflösenden Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express am 18. Juni 2012 aufgenommen.

Beim Blick auf die Farbbilder fällt sofort auf, dass Teile der gewöhnlich orange bis ockerfarbene Marsoberfläche hier von einer weißen Substanz bedeckt sind. Dabei handelt es sich um eine hauchdünne Schicht aus festem Kohlendioxid ("Trockeneis"), die sich im Laufe des Winters wie Raureif über die Landschaft gelegt hat. Die Kohlendioxid-Eiskristalle sind aus der Marsatmosphäre auf den Boden gerieselt. Die wärmeren Temperaturen des Frühlings werden bald dafür sorgen, dass das Eis wieder sublimiert, also direkt vom festen in den gasförmigen Zustand übergeht.

Bei den HRSC-Bildern fallen sofort die vielen Krater in allen unterschiedlichen Größen auf. Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die großen Strukturen der Landschaft schon sehr alt sind, wahrscheinlich mehr als drei Milliarden Jahre. Die höchsten Punkte in diesem Gebiet, die besonders gut in der mit Farben kodierten topographischen Bildkarte ausgemacht werden können (s. topografische Karte. u.), bilden dabei die "Berge" der Charitum Montes.
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© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)Bild 2: Blick in einen großen Krater mit Dünenfeld in den Charitum Montes. (HIER finden Sie eine vergrößerte Darstellung, 4,15 MB).
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In der Bildmitte der Farbansicht (Bild 1) befindet sich ein großer Krater mit einem Durchmesser von fast 50 Kilometern, also etwa der Größe des Stadtgebiets von Berlin, dessen schüsselförmige Vertiefung zu einem erheblichen Teil von dicken Sedimentschichten angefüllt ist, die eine ebene Fläche bilden. Die Sedimente wurden durch Flüsse, die in Breschen im Norden und Westen in den Krater münden, eingebracht und abgelagert. Die oberste, jüngste Schicht dieser Ablagerungen zeigt ein schlierenartiges Muster, was den Transport und die Ablagerung durch ein fließendes Gewässer belegt.
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© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)Bild 3: Perspektivische Ansicht eines Kraters in den Charitum-Bergen. (HIER finden Sie eine vergrößerte Darstellung, 4,03 MB).
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Unterhalb des Kraterrandes im Nordosten sind einige ungewöhnliche, dreieckige schwarze Flecken zu sehen. Dabei handelt es sich um ein Feld von verstreut angeordneten Dünen, die der Wind durch Ablagerung von dunklem Material - vermutlich Asche oder Staub von ursprünglich vulkanischer Herkunft - vor dem "Hindernis" des Kraters abgelagert und angehäuft hat.

Ein interessantes Phänomen sind auch Krater, die wie auf einem Sockel zu sitzen scheinen, der die Einschlagsstrukturen umgibt. In manchen Fällen, wie zum Beispiel bei einem kleinen Krater in der Ebene im Nordosten des Gebiets (Bilder 1) erinnert das an ein Spiegelei in der Pfanne. Ein weiteres gutes Beispiel für eine derartige, von den Marsgeologen als "Rapart Krater" (engl. für Wall) bezeichneten Struktur findet sich in dem großen Krater im Südosten der Szene (Bild 1).

Im Inneren der beiden Krater im Süden (am linken Bildrand in Bild 1) fallen weitere ungewöhnliche Strukturen auf: Die verschiedenen Schichten unterscheiden sich deutlich in ihrer Struktur und Farbe. Die zuoberst liegende Sedimentschicht erscheint deutlich heller und hat eine sehr glatte Oberfläche; auch scheint sie nicht besonders dick zu sein, was daran zu erkennen ist, dass sie selbst kleine Einschlagskrater kaum vollständig bedeckt, sondern sich deren Umrisse noch deutlich durch die Sedimentdecke durchpausen. Die Umrisse dieser Schicht sind auffallend scharf, was vielleicht das Ergebnis eines jüngeren Erosionsprozesses ist. Die unter dieser Sedimentdecke liegende Schicht ist etwas dunkler und zeigt eine raue, texturierte Oberfläche. Außerdem hebt sich noch deutlich eine Sedimentschicht von den anderen Ablagerungen ab, die infolge der Erosion Tafelbergen ähnliche Strukturen bildet.
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© ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum)Topographische Karte eines Teils der Charitum Montes (HRSC-Geländedaten). (HIER finden Sie eine vergrößerte Darstellung 4,03 MB).
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Wie andere Regionen in der Umgebung von Argyre wurden auch die Charitum Montes erstmals von Eugène Michel Antoniadi (1870-1944) in seinem Werk Der Planet Mars (La Planète Mars) beschrieben. Dem Astronomen waren sie bei seinen Beobachtungen mit dem Teleskop wegen ihres Helligkeitskontrasts zur Umgebung aufgefallen.

Die Charitum-Berge verlaufen parallel zum südlichen Rand des Argyre-Einschlagsbeckens durch das Marshochland; HRSC-Bilder aus dieser Region wurden in den vergangenen Monaten vorgestellt, so zum Beispiel die Nereidum Montes im Nordwesten (1. November 2012), der Krater Hooke (4. Oktober 2012) oder nur etwa 150 Kilometer weiter nordwestlich der Krater Gale mit den Bergen in seinem Inneren, die das Muster eines lächelnden "Smiley"-Gesichts ergeben (10. April 2006 ).

Die Aufnahmen mit der KRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden während Orbit 10.778 von Mars Express aus einer Höhe von etwa 400 Kilometern, was zu einer Bildauflösung beträgt von 20 Meter pro Bildpunkt (Pixel) führt. Die Abbildungen zeigen hiervon einen Ausschnitt bei etwa 53 Grad südlicher Breite und 334 Grad östlicher Länge. Die Farbansicht (Bild 1) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivischen Schrägansichten (Bilder 2 und 3) wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren, aus 33 Institutionen und die aus zehn Nationen stammen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.

Quelle: dlr.de