In Regionen mit vielen Infektionskrankheiten ist die Vielfalt praktizierter Religionen größer. Das sagen die beiden US-Forscher Corey Fincher und Randy Thornhill nach der Analyse mehrerer hundert Regionen rund um den Globus, in der sie die Zahl der religiösen Gruppierungen mit dem Auftreten von Infektionskrankheiten in Beziehung setzten. Ein hohes Anstreckungsrisiko beim Kontakt zu anderen Menschen begünstige die Entstehung kleiner sozialer und kultureller Gruppen und damit auch die Ausbildung verschiedener religiöser Richtungen, erklären die Forscher den Zusammenhang.

Ausgangspunkt der Arbeit war die Fragestellung, warum es in Ländern wie der Elfenbeinküste 76 religiöse Gruppierungen gibt, während in Norwegen nur 13 gezählt werden. Brasilien hat sogar 159 verschiedene Religionen, im Gegensatz zu dem flächenmäßig größeren Kanada mit lediglich 15. Auf der Suche nach einem allgemeingültigen Muster nahmen die Wissenschaftler eine Abschätzung der Bedrohung durch Infektionskrankheiten in 339 traditionell lebenden Gesellschaften der Erde vor. In die Berechnung flossen Größen wie die Durchschnittstemperatur, die Niederschlagsmenge, die geographische Breite und Werte aus medizinischen Datenbanken ein, in denen Häufigkeit und Verbreitung von Erregern und Parasiten aufgelistet waren.

Als die Forscher die Vielfalt religiöser Gruppierungen in den jeweiligen Ländern zu diesen Daten in Beziehung setzten, ergab sich ein klarer Zusammenhang: Je größer die Bedrohung durch Infektionskrankheiten in einer Region ist, desto vielfältiger ist die religiöse Praxis. Ein hohes Infektionsrisiko führe zur Aufspaltung der Bevölkerung in immer kleinere Gruppen, da die Menschen dann den Kontakt zu Fremden eher vermeiden, sich stärker ihrer eigenen Gruppe zuwenden und keine so großen Entfernungen mehr zurücklegen, erklären Fincher und Thornhill. So komme es zur Ausbildung immer kleinteiligerer sozialer Strukturen mit eigenen religiösen Traditionen. Einen ähnlichen Zusammenhang hatten Forscher bereits bei der Entstehung von Sprachen vermutet, wo eine starke Bedrohung durch Infektionskrankheiten ebenfalls mit einer großen Vielfalt einhergeht.

Corey Fincher und Randy Thornhill (Universität von New Mexico, Albuquerque): Proceedings of the Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1098/rspb.2008.0688

ddp/wissenschaft.de