Eine Feuerkugel am Himmel, Rauchschweif wie von einer Rakete: Der rund zehn Tonnen schwere Meteorit hinterließ im Ural Verwüstung. 3000 Gebäude wurden beschädigt, mehr als 1000 Menschen verletzt.
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Erst Lichtblitze, dann gewaltige Detonationen: In Russland sind fast 1000 Menschen bei einem Meteoriteneinschlag verletzt worden, Tausende waren in Panik.

Die russische Stadt Tscheljabinsk wurde am Freitagmorgen in Schrecken versetzt. Um 9.20 Uhr lokaler Zeit wurde die Morgendämmerung durch einen spektakulären Lichtblitz erhellt. Im wolkenfreien Himmel sahen die Einwohner eine deutliche weiße Spur von einem Himmelskörper.

Einige Sekunden später hörten sie einen lauten Knall, es folgten mehrere kleinere Explosionen. Die Druckwelle ließ Fensterscheiben platzen, in einigen Gebäuden stürzten Decken ein. In Panik liefen Menschen auf die Straße. Das waren Folgen eines Meteoritenregens, der im Uralgebiet und den Nachbarregionen zu beobachten war. Dutzende Videos dokumentierten den Absturz des Meteoriten.

In den Nachbarregionen wurde der Fall zufällig von mehreren Kameras registriert, die russische Fahrer oft in ihren Autos installieren. Die Videos zeigen aus der Entfernung, wie eine Feuerkugel durch den Himmel fliegt, immer größer wird und schließlich über dem Wald explodiert. Auf den Videos aus Tscheljabinsk ist ein breiter Rauchschweif wie von einer Rakete zu sehen.

Lauter Donnerschall

"Die Druckwelle war so stark, dass ich zur Seite gerissen wurde, als ich die Wohnung verlassen wollte, die Tür schlug zu", zitiert die russische Zeitung Kommersant den Augenzeugen Witali Kamelin auf ihrer Internetseite. "Es gab einen Blitz und einen Schlag, der einem lauten Donnerschall ähnlich war, ich dachte zuerst, dass ein Flieger über der Stadt abgestürzt ist", erzählt Sergej Kusnetsow aus Jekaterinburg. Als Erste konnten die Einwohner des benachbarten Kasachstans den Meteoriten sehen.

"Am frühen Morgen sah ich einen hellen grünen Blitz am Himmel, dann hörte ich den Donner und sah, wie ein Feuerball durch den Himmel raste. Ich habe Angst bekommen, dann hörte ich einen Schlag", erzählte Raisa Chalewina aus dem kasachischen Dorf Borki der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Nach Angaben des regionalen Katastrophenschutzministeriums flog der Meteorit über Kasachstan weiter in Richtung Nordwesten über den Gebieten Tjumen, Kurgan und Jekaterinburg. Der entstandene Schaden ist nicht gering.
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Bilder aus Tscheljabinsk zeigen zerbrochene Türen und Festerrahmen, Glasscherben auf dem Fußboden der Wohnungen und Büros. Nach Angaben der lokalen Behörden sind fast 1000 Menschen, darunter 159 Kinder, verletzt worden. Die meisten erlitten Schnittverletzungen von zerbrochenen Fensterscheiben.

112 Menschen sind in Krankenhäuser eingeliefert worden. Alle Schulen in Tscheljabinsk wurden am Freitag geschlossen, da bei starken Minusgraden und den zerbrochenen Fenstern kein Unterricht stattfinden kann. Beschädigt wurden insgesamt 361 Schulen und Kindergärten, außerdem 34 Krankenhäuser, teilte die Stadtverwaltung mit.

Temperaturen von minus 18 Grad

Insgesamt seien etwa 3000 Gebäude in der Stadt betroffen. "Bei Temperaturen von minus 18 Grad in Tscheljabinsk ist es jetzt am wichtigsten, dass die zertrümmerten Fensterscheiben ersetzt werden", sagte der Gebietsgouverneur Michail Jurewitsch. Die Druckwelle zerstörte Teile des Daches und der Wände einer Zinkfabrik nahe Tscheljabinsk. Auch die städtische Eisarena Traktor wurde beschädigt, die Eishockey-Spiele wurden dort zunächst abgesagt.

Eine Filiale des Metro-Konzerns war ebenfalls betroffen, zwei Mitarbeiter wurden durch Scherben leicht verletzt. In dem Metro-Großhandelsmarkt in der Stadt Tscheljabinsk seien zahlreiche Fenster geborsten, sagte ein Sprecher des Konzerns in Düsseldorf. Außerdem sei die Decke in den Büroräumen des Marktes teilweise herabgestürzt.

In Hunderten Häusern von Tscheljabinsk wurde das Gas abgeschaltet. Die Mobilfunknetze brachen teilweise zusammen. Die Atomanlagen des Gebiets waren von der Explosion jedoch nicht betroffen, teilte der staatliche Konzern Rosatom mit. Die Behörden dementierten ebenfalls Gerüchte über eine erhöhte Radioaktivität in der Region.

Fragmente sind fünf Millimeter groß

Neben dem See Tschebarkul, etwa 80 Kilometer von der Stadt Tscheljabinsk entfernt, fand das russische Militär ein acht Meter breites Eisloch. Ausgerechnet hier hat der Meteorit eingeschlagen.

"Ein Bruchteil des Meteoriten ist anscheinend im Sumpf neben dem See eingeschlagen, dort wurden Fragmente zwischen fünf Millimeter und einem Zentimeter gefunden", sagte ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzministeriums der Agentur Interfax.

Der Zugang zum See wurde gesperrt. Weitere Bruchteile könnten an anderen Orten des Gebiets Tscheljabinsk eingeschlagen sein, teilte das russische Innenministerium mit. Die Suche soll am Samstag fortgesetzt werden.

Der Satellit Meteosat-10 hat den Meteoriten aus dem All fotografiert. Das Bild zeigte einen weißen Punkt in der Erdatmosphäre, den Kondensstreifen des Himmelskörpers. Nach Angaben der russischen Wissenschaftsakademie handelte es sich um einen etwa zehn Tonnen schweren Himmelskörper mit einem Durchmesser von mehreren Metern. Mit einer Geschwindigkeit von 15 bis 20 Kilometern pro Sekunde ist er in die Erdatmosphäre gerast und zerbrach in einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern.

In Überschallgeschwindigkeit unterwegs

Die Bruchteile bewegten sich weiter mit einer hohen Geschwindigkeit, was das intensive Leuchten und eine starke Druckwelle verursachte. Ein Großteil des Himmelskörpers ist verglüht, die verbliebenen Fragmente sind als Meteoriten auf die Erde gestürzt. "Der Himmelskörper flog mit einer Überschallgeschwindigkeit, das führte zu einer Druckwelle.

Die Druckwelle und nicht die Splitter des Meteoriten verursachten den ganzen Schaden. Das Gleiche würde passieren, wenn ein Überschallflugzeug in einer ähnlichen Höhe über der Stadt vorbeifliegen würde", sagte der stellvertretende Direktor des russischen Sternberg-Insituts für Astronomie, Sergej Lamsin, im Fernsehsender Erster Kanal.

In den Medien wurden zuerst Vermutungen ausgesprochen, dass der Meteorit von Tscheljabinsk ein Bruchteil des Asteroiden 2012 DA14 sein könnte. Der Asteroid passierte am Freitagabend um 20.24 Uhr MEZ die Erde in einer Entfernung von weniger als 28.000 Kilometern.

Allerdings teilten die Nasa sowie die Europäische Raumfahrtorganisation (Esa) mit, dass es keinen Zusammenhang zwischen beide Himmelskörpern gibt. "Flugbahn und Ort des Einschlages sprechen dagegen", erklärte ein Sprecher der Esa.

Jedes Jahr fallen Himmelskörper auf Erde

Zum Zeitpunkt des Meteoritenregens war der Asteroid noch mehrere Hunderttausende Kilometer von der Erde entfernt. Der russische Astronom Leonid Jelenin aus dem Keldysch-Institut für angewandte Mathematik sagte der Nachrichtenagentur RIA Nowosti, dass sich die Flugbahnen dieser zwei Himmelskörper stark unterscheiden. Der Meteorit von Tscheljabinsk ist über Kasachstan nach Russland, also aus dem Südosten in den Nordwesten geflogen. Der Asteroid 2012 DA14 fliegt dagegen aus dem Süden nach Norden.

Jedes Jahr fallen Tausende Himmelskörper auf die Erde, meistens in Form von kleinen Meteoriten oder Staub. 1908 explodierte ein Asteroid mit einem Durchmesser von etwa 50 Metern über der sibirischen Region Tunguska. Hunderte Quadratkilometer vom Wald brannten damals ab. Im Vergleich dazu war der Meteorit von Tschljabinsk relativ harmlos. Solche Abstürze passieren alle paar Jahre, allerdings meistens in den unbewohnten Gegenden der Erde.


Der Meteoritenregen in Russland führte auch zu vielen Gerüchten, Panik und Verbreitung von falschen Informationen. Der russische Politclown Wladimir Schirinowski gab den USA die Schuld an der Explosion. In Tscheljabinsk machten sich Dutzende Menschen auf die Suche nach Bruchteilen des Meteoriten, in der Hoffnung, sie später lukrativ verkaufen zu können.

Auch die Medien waren von der aufgeregten Stimmung getroffen. Der staatliche russische Fernsehsender Erster Kanal zeigte im Sensationsrausch falsche Bilder des Kraters. Auf dem ausgestrahlten Video ist ein deutlich größerer brennender Trichter zu sehen. Später stellte es sich heraus, dass der Sender ältere Aufnahmen eines Gastrichters aus Turkmenistan aus dem Internet verwendet hat.