Marx und Engels hassten Muslime, wie auf dieser Seite kürzlich zu lesen stand? Kein Wunder, denn die beiden hassten schließlich jede Religion - egal ob die muslimische, christliche oder gar jüdische. Auch über Letztere kann man bei Marx gar Befremdliches lesen...
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Kaum zu glauben: Der »weltliche Grund« des Judentums sei »das praktische Bedürfnis, der Eigennutz«, der »weltliche Kultus« der »Schacher«, der weltliche Gott das Geld. »Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht«. Diese Zeilen schrieb nicht etwa ein Obernazi wie Adolf Hitler,sondern Karl Marx in seiner Schrift Zur Judenfrage aus dem Jahr 1843. Davon haben Sie noch nie etwas gehört? Nun, das liegt wahrscheinlich daran, dass man es Ihnen nicht erzählt hat.

Das verrannte Genie

Doch der Reihe nach: Aus heutiger Sicht sind Karl Marx und Friedrich Engels zu Recht zwiespältige Figuren - keine verkannten, sondern verrannte Genies, auf deren Theorien ein unmenschliches System basierte: die Sowjetunion. In ihren Schriften findet sich Genialität neben Irrtum, Scharfsinn neben Fehlschlüssen. Vor allem vermochten sie sich nicht aus ihrer Zeit zu lösen und über den Tellerrand des Frühkapitalismus hinaus zu blicken. Indem sie »Kapital« und Privateigentum verdammten, kamen sie zu einer fundamentalen Verkennung der menschlichen Natur, die nicht zuletzt auf Egoismus beruht - und auf der Motivation, ihn zu verwirklichen. Kapital und Privateigentum erfüllen dabei die Funktion von Anreizen, bei deren Umsetzung auch etwas entsteht - zum Beispiel Arbeitsplätze, Güter und Werte. Wobei dem Staat die Aufgabe zufällt, dem individuellen Egoismus Grenzen aufzuzeigen und ihn so zu organisieren, dass er allen nützt und niemandem schadet. Wird der Egoismus zu wenig reguliert, landen wir in einer Raubtiergesellschaft bis hin zur offenen Kriminalität. Was man am Beispiel der jüngsten Finanzkrise bereits besichtigen kann.

Eine schädliche Medizin

Marx und Engels aber verschrieben eine äußerst schädliche Medizin, nämlich die Abschaffung von privatem Kapital und Privateigentum und damit auch die Negierung wesentlicher menschlicher Triebkräfte, zum Beispiel des Egoismus und der daraus erwachsenden Motivation. Und dabei meinten sie keineswegs nur die »großen privaten Produktionsmittel« wie Fabriken und Maschinen: »Man hat uns Kommunisten vorgeworfen«, greift Marx zusammen mit Engels im Kommunistischen Manifest eine gängige Kritik auf, »wir wollten das persönlich erworbene, selbsterarbeitete Eigentum abschaffen; das Eigentum, welches die Grundlage aller persönlichen Freiheit, Tätigkeit und Selbstständigkeit bilde«. Und fragt verächtlich: »Sprecht ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigentum, welches dem bürgerlichen Eigentum vorherging? Wir brauchen es nicht abzuschaffen, die Entwicklung der Industrie hat es abgeschafft und schafft es täglich ab.« Die Antwort lautet also, dass sich Marx und Engels für das bescheidene, selbst geschaffene Eigentum von Bauern oder Arbeitern den berühmten feuchten Kehricht interessieren. Das bürgerliche Privateigentum ist ihnen ohnehin verhasst, da es immer nur neue »Lohnarbeit« erzeuge, »um sie von neuem auszubeuten«. Allerdings war »Lohnarbeit« auch damals schon besser als Arbeitslosigkeit und Hunger. Wenn sie auch oft unter unwürdigen Bedingungen stattfand.

Gift für die Gesellschaft

Wohin diese Ideologie geführt hat, konnten wir jedenfalls am Beispiel des Ostblocks besichtigen: Die Abschaffung von privatem Kapital und Eigentum führte in weiten Bereichen zur Verwahrlosung, in anderen Bereichen zur Korruption und zum Aufbau »grauer« oder schwarzer Vermögen. Mit anderen Worten war die kommunistische Theorie geradezu ein Anschlag und ein tödliches Gift für jede Wirtschaft und Gesellschaft. Und so haben Marx und Engels vieles auf den Kopf gestellt. Zum Beispiel auch das Verhältnis des Islam zu seiner Umwelt: »Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geografie und Ethnografie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist ein harby, d.h. der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen.« (Marx/Engels-Werke, Ost-Berlin 1961). Geradezu grotesk, denn die »Ungläubigen« haben natürlich gar keine eigene staatliche Organisation (»Nation«). Auch der angebliche Hass auf »die Ungläubigen« gibt ein zu einfaches Bild der Realität wieder. Denn viele dieser vermeintlich Ungläubigen bekennen sich schließlich zum Christentum, also zur Schwesterreligion des Islam. Und bekanntlich verehrt der Islam Jesus genauso als Propheten wie Mohammed. Auch das Judentum hat gemeinsame Wurzeln mit dem Islam. »Da der Koran jeden Ausländer zum Feind erklärt, wird niemand wagen, in einem muselmanischen Land aufzutreten, ohne seine Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben«, so die beiden Kommunisten. Absurd: Denn da der Islam nicht an Nationen oder staatliche Grenzen gebunden ist, können unter »Ausländern« natürlich auch viele Muslime sein.

Totgeschwiegen: Marx' Sprüche über das Judentum

Wie zu Beginn bereits erwähnt, haben Marx und Engels aber nicht nur auf den Islam geschimpft, sondern auch auf »die« Juden. Nur wird das gerne totgeschwiegen. Ja, wie eingangs erwähnt, hat Marx sogar eine eigene Schrift Zur Judenfrage verfasst, in der es um die politische »Emanzipation« der Juden geht. Die Frage nach der Emanzipationsfähigkeit der Juden verwandelt sich nach Marx »in die Frage, welches besondre gesellschaftliche Element zu überwinden sei, um das Judentum aufzuheben?« - was als Ziel also schon mal vorausgesetzt wird. Um diese Frage zu beantworten, so Marx, müsse man den weltlichen, nicht den »Sabbatsjuden« betrachten. Und dann folgen die eingangs zitierten Sätze: Der »weltliche Grund« des Judentums sei »das praktische Bedürfnis, der Eigennutz«, der »weltliche Kultus« der »Schacher«, der weltliche Gott das Geld. »Eine Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers, also die Möglichkeit des Schachers aufhöbe, hätte den Juden unmöglich gemacht.« Man erkenne »also im Judentum ein allgemeines gegenwärtiges antisoziales Element« und »die Judenemanzipation in ihrer letzten Bedeutung ist die Emanzipation der Menschheit vom Judentum«. Der Jude habe sich »auf jüdische Weise emanzipiert, nicht nur, indem er sich die Geldmacht angeeignet, sondern indem durch ihn und ohne ihn das Geld zur Weltmacht und der praktische Judengeist zum praktischen Geist der christlichen Völker geworden ist.«

Religion ist Opium des Volkes

Waren Marx und Engels demnach also wirklich Islam- oder Judenfeinde? Wohl kaum. Erstens darf nicht vergessen werden, dass Marx selber jüdischer Abstammung war. Sein Vater Heinrich (Heschel) Marx »stammte aus einer bedeutenden Rabbinerfamilie«, so das Onlinelexikon Wikipedia, das auch einen Stammbaum veröffentlicht hat. In Wirklichkeit waren Marx und Engels keine Feinde der Gläubigen, sondern Feinde des jeweiligen Glaubens, der ihrem materialistischen Gesellschaftskonzept im Wege stand. »Der Kampf gegen die Religion« sei »der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist«, schrieb Marx in seinem Text "Religion als Opium des Volkes". Religion ist für Marx gleichbedeutend mit »religiösem Elend«. Dieses sei einerseits »Ausdruck des wirklichen Elendes« und andererseits ein Protest »gegen das wirkliche Elend«. »Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.« Um die total materialistische Gesellschaft zu verwirklichen, musste die Religion weg, und zwar jede: »Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, dass der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist...« In Wirklichkeit erfanden Marx und Engels derartige Verhältnisse unter anderen Vorzeichen neu und trieben sie erst auf die Spitze. Womit bewiesen wäre, dass Marx weder in der einen noch in der anderen Hinsicht als Kronzeuge taugt: Weder als Spiritus Rector neuer Gesellschaftssysteme, noch als Experte für Juden, Christen und Muslime...