Was erträumt sich praktisch jeder multinationale Konzern? Richtig: Ein Monopol für seine Produkte. Denn weniger oder gar keine Konkurrenz bedeutet höhere Gewinne, ohne Rücksicht auf den Geldbeutel der Verbraucher.
Indisches Dorf
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Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass der deutsche Big-Pharma-Konzern Bayer Berufung gegen eine Entscheidung indischer Behörden angekündigt hat, die die Herstellung eines preiswerteren Generikums seines patentierten Krebsmedikaments zugelassen hatten.

Die Entscheidung fiel, nachdem Indien im vergangenen Jahr der Firma Natco Pharma gestattet hatte, das Medikament Nexavar herzustellen. Am 4. März lehnte das indische Patentgericht Bayers Antrag auf Revision des Urteils ab. Das Unternehmen erklärte, man werde diese Entscheidung nicht hinnehmen und beim Obergericht in Mumbai Berufung einlegen.

Forschung ist teuer, aber Diebstahl oder Fälschung ist schlimmer

Wie die BBC berichtete, verkauft Bayer die 120-Stück-Packung des Medikaments für den stolzen Preis von 280.000 Rupien (ca. 3.900 Euro).

»Bayer ist entschlossen, seine Patente für Nexavar zu schützen, das Unternehmen wird vor indischen Gerichten seine Schutzrechte rigoros verteidigen«, hieß es in einer von The Associated Press zitierten Erklärung.

Interessengruppen von Patienten räumen ein, dass Forschung und Entwicklung notwendig sind. Dennoch begrüßen sie die Entscheidung des indischen Gerichts, denn wie sie wissen, wird sie - vorausgesetzt, sie hat Bestand - die Herstellung preiswerterer Versionen zuvor patentierter Medikamente ermöglichen.

»Die Entscheidung bedeutet, dass der Weg für Zwangslizenzen freigemacht wurde, dass Generikahersteller Medikamente, die zurzeit in Indien noch patentiert und deshalb unerschwinglich sind, produzieren und zu einem Bruchteil des Preises anbieten können«, so wird Leena Menghaney von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in der BBC zitiert.

Der Fall Nexavar ist der erste in Indien, bei dem einem Unternehmen eine »Zwangslizenz« zur Herstellung eines patentierten Medikaments zugestanden wurde. Nach dem Urteil muss Natco zum Ausgleich sieben Prozent Lizenzgebühren an Bayer abführen.

Die Entscheidung kommt in einem Moment, in dem die Pharmaindustrie in Indien - einem boomenden Land mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern, von denen viele noch immer in bitterer Armut leben - geradezu explodiert. Der jährliche Umsatz beträgt derzeit rund zwölf Milliarden Dollar, für die nächsten zehn Jahre wird mit einem Zuwachs auf das Vierfache gerechnet.

Doch das Land hat auch ein schwerwiegendes Problem: Es wird in zunehmendem Maße von gefälschten Medikamenten überschwemmt.


Gefälschte Medikamente sind ein größeres Problem als billigere Alternativen zu echten Medikamenten


Wie Roger Bate, Mitarbeiter des American Enterprise Institute, im Mai 2010 im Wall Street Journal schrieb, gehen indische Behörden gegen gefälschte Medikamente vor, die Aufgabe sei jedoch nicht gerade ermutigend. Während mehrerer Razzien hätten Beamte der Arzneimittelbehörde des indischen Bundesstaats Uttar Pradesh große Mengen minderwertiger Medikamente sichergestellt. Es habe mehrere Festnahmen gegeben:
Dieser Beweis für den Handel mit gefälschten Medikamenten bestätigt die Ergebnisse meiner anderen Untersuchungen. 2009 habe ich mithilfe von Scheinkäufern fünf wichtige Medikamente überprüft, die in 52 Apotheken in Delhi und Chennai angeboten wurden. In Delhi waren zwölf Prozent der Tabletten von minderwertiger Qualität, in Chennai waren es fünf Prozent. Rund zwei Prozent der Tabletten enthielten überhaupt keinen aktiven Wirkstoff. In den anderen war der Wirkstoff zwar nachweisbar, er war jedoch weniger wirksam. Möglicherweise war die Haltbarkeit der Tabletten abgelaufen und die Packungen mit neuen Etiketten versehen worden; einige waren vielleicht auch durch unsachgemäße Lagerung unwirksam geworden.
Da das Land so groß und bevölkerungsreich ist, und da es weit weniger Aufsichtsbehörden gibt als beispielsweise in den USA, weichen Schätzungen über den Umfang des Problems ganz erheblich von einander ab. Laut einem Bericht der BBC könnten bis zu einem Viertel der Medikamente, »die in armen Ländern eingenommen werden, entweder gefälscht oder minderwertig sein, schätzt die Weltgesundheitsorganisation«.

Es ist ein großes Geschäft. Der Umsatz mit gefälschten Medikamenten - für die übrigens keine Lizenzgebühren an die Patentinhaber gezahlt werden - beläuft sich auf ungefähr 200 Milliarden Dollar jährlich. Damit nicht genug: »Die Hersteller brauchen für die Produktion nur wenig Inventar, sie können enorme Profite erzielen.«

Das Problem bereitet indischen Behörden ganz erhebliche Sorgen.

»Da die Herstellungskosten ungefähr 40 Prozent niedriger sind als in anderen Ländern, fürchten die Behörden, dass Indien zum leichten Ziel für Fälscher werden könnte«, heißt es in der BBC.


Quellen:

BBC.co.uk
WSJ.com
WashingtonPost.com

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