Mindestens 20 Prozent, vielleicht sogar die Gesamtmenge flüchtiger Elemente wie Wasserstoff - und Kohlenstoff und damit die Grundbestandteile des Lebens auf der Erde - sind erst zu einem in der Entwicklung des Planeten späten Zeitpunkt auf die Erde gekommen. Zu diesem Schluss kommen Berliner Wissenschaftler aufgrund neuer präziser Bestimmungen der Konzentrationsverhältnisse der chemisch verwandten Elemente Schwefel, Selen und Tellur in Gesteinen des Erdmantels. Die Modellzusammensetzung des Erdmantels stimmt den Wissenschaftlern zufolge mit der Zusammensetzung dieser Elemente in sogenannten kohligen Chondriten überein, einer Klasse primitiver Meteoriten. Die Elemente seien demnach durch die Kollision mit Asteroiden auf die Erde gelangt nachdem der Erdkern entstanden war.
Erde, Meteoriten, Pansperm
© NASA/JPL-Caltech/T. Pyle (SSC)
Berlin (Deutschland) - Wie die Forscher um den Doktoranden Zaicong Wang und den Geochemie-Professor Harry Becker von der Freien Universität Berlin aktuell im Fachjournal Nature (DOI: 10.1038/nature12285) berichten, wurde die genaue Herkunft flüchtiger Substanzen wie Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff in der Erde wird seit Jahrzehnten diskutiert und war, wie auch die zeitliche Einordnung ihrer Zufuhr zur Erde, bislang nicht geklärt.

Für die Wissenschaft sind deren Herkunft und Zeitraum jedoch von zentralem Interesse, da diese Substanzen die Grundbestandteile des Lebens auf der Erde sind und durch ihr Vorhandensein wesentliche physikalische und chemische Eigenschaften der Atmosphäre, der Oberfläche und des Erdinneren beeinflusst werden.

"Zumindest ein erheblicher Teil, womöglich sogar die Gesamtmenge flüchtiger Elemente sind erst nach Bildung des Erdkerns auf der Erde angekommen", so die Forscher in ihrer Studie. Schon zuvor war bekannt, dass die Konzentrationen von Schwefel, Selen und Tellur in der Silikaterde - der Zusammensetzung der gesamten Erde ohne ihren Kern - sehr niedrig sind. Experimente zur Elementverteilung zwischen Metall und Silikaten bei hohen Drücken und Temperaturen lieferten dafür folgende Erklärung: Bei der Kernbildung verteilten sich die metallliebenden Elemente unterschiedlich stark in das Eisenmetall und wurden mit dem Metall in den Kern transportiert.

Die neuen Messergebnisse der Berliner Geowissenschaftler zeigen nun jedoch, "dass die Konzentrationen von Tellur und Selen im Erdmantel viel höher sind, als man nach den Verteilungsexperimenten erwarten würde. Ein weiteres wichtiges Resultat ist den Wissenschaftlern zufolge, dass die Proportionen von Schwefel, Selen und Tellur im Erdmantel identisch mit jenen in kohligen Chondriten sind, die reich an flüchtigen Elementen sind." Dies lasse sich nur dann erklären, wenn nach der Kernbildung der Erdmantel stark verarmt an diesen Elementen war und dann wieder beträchtliche Mengen dieser Elemente zur Erde zugeführt, aber nicht mehr in den Kern transportiert wurden.

Ähnliches war zuvor schon für einige andere metallliebende Elemente wie die Platingruppenelemente gezeigt worden. Der Erdmantel war nach diesem Modell nach der Kernbildung stark verarmt an diesen Elementen. Durch die späte Zufuhr ist der heutige "Überschuss" dieser Elemente im Erdmantel entstanden.

Es wird vermutet, dass dieses Material schon früh durch Plattentektonik oder ähnliche Prozesse von der Erdoberfläche in den Mantel transportiert und seither dort durch die Strömungsbewegung des Mantels homogenisiert wurde. Etwa 0,5 Prozent der Erdmasse wurde diesen Berechnungen folgend nach der Kernbildung der Erde durch Kollision mit kleineren Körpern zugeführt ("späte Akkretion"). Da in kohligen Chondriten die Gehalte verschiedener flüchtiger Elemente korrelieren, können die Wissenschaftler mit diesen Daten den Anteil der spät eingetroffenen flüchtigen Bestandteile der Erde berechnen.

Dieser Wert liegt für Elemente wie Wasserstoff und Kohlenstoff den Berliner Forschern zufolge bei 20 bis 100 Prozent. Die große Spannbreite komme zustande, da die Abschätzungen der Konzentrationen dieser Elemente in der Erde erheblichen Unsicherheiten unterliegen. Wegen dieser Unsicherheiten sei weiterhin ungeklärt, wie hoch der Anteil hoch flüchtiger Elemente war, die in der frühesten Wachstumsphase der Erde zugeführt wurden. Auch sei weiterhin offen, wie hoch der Anteil dieser Elemente ist, der durch Entgasungsprozesse in der Frühzeit der Erde verloren wurde. Diese Fragen wären durch weiterführende Studien anderer flüchtiger Elemente zu klären.

Quelle: tu-berlin.de