Vor wenigen Tagen gelang einem australischen Amateurastronomen die Entdeckung eines gewaltigen Einschlags auf dem Jupiter. Anthony Wesley machte seine Aufnahmeserie genau zum richtigen Zeitpunkt. Jetzt werden die größten Teleskope der Welt auf den Planeten gerichtet.

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Während sich momentan wieder alles um unseren Mond zu drehen scheint und die Debatte erneut hochkocht, ob die Apollo-11-Astronauten nun tatsächlich »oben« waren oder nicht, spielt sich viel weiter draußen im Sonnensystem ein dramatisches Schauspiel ab - vor wenigen Tagen explodierte ein nicht näher identifiziertes Objekt in der Atmosphäre des Riesenplaneten Jupiter und hinterließ eine tief dunkle Einschlagzone. Unglaublich: Dieses "seltene" Ereignis fällt zeitlich nicht nur mit dem Apollo-Jubiläum zusammen, sondern auch geradezu auf den Tag genau mit der Einschlagserie von Komet Shoemaker-Levy 9 (SL9), dessen Bruchstücke in der Woche vom 16. bis 23. Juli 1994 nacheinander in die Südhalbkugel des Jupiter donnerten und dort ebenfalls riesige dunkle »Plumes« hinterließen - gigantische Detonationswolken.

Das geschah also vor exakt 15 Jahren. Nun stürzte wiederum ein recht massiges Objekt in die die Südhalbkugel des Jupiter. Immerhin besitzt das am 19. Juli von dem australischen Amateurastronomen Anthony Wesley entdeckte Einschlagsgebiet eine Ausdehnung von der Größe der Merkurkugel und entspricht daher einem der "kleineren" Detonationsgebiete, wie sie SL9 erzeugte. "Damals war schon längst klar, was geschehen würde". Astronomen kannten den Kometen und konnten präzise vorausberechnen, dass er in jener Woche den Jupiter treffen würde. Man war vorbereitet, alle großen Observatorien führten Beobachtungsprogramme durch.


Kommentar:
"Damals war schon längst klar, was geschehen würde".
War es wirklich "damals schon längst klar, was geschehen würde"? War den Astronomen zum Beispiel bewusst, dass Shoemaker-Levy 9 in viele kleinere Stücke zerbrechen würde? Was für eine Rolle spielte dabei Elektrizität?


Ich war damals bei der Mammutkonferenz der Europäischen Südsternwarte (ESO) anwesend, auf der die Einschlagserie über die gesamte Woche hinweg live verfolgt wurde und ständig neue Nachrichten eintrafen. Im Konferenzsaal des ESO-Hauptquartiers starrten wir fortwährend auf die Monitore und die große Leinwand, auf der bald der erste Einschlag zu sehen sein würde, während der bekannte Kometenentdecker Richard West per Satellitenverbindung zum ESO-Observatorium La Silla (Chile) sowie zu anderen Großsternwarten ständig in Verbindung stand und die eingehenden Informationen und Daten kommentierte. Einen Augenblick ging bereits ein Raunen durch den Saal, als plötzlich ein Lichtpunkt auftauchte - war es der erste Explosionsblitz? Bald stellte sich heraus, dass vielmehr der Jupitermond Io sichtbar wurde und momentan für Verwirrung sorgte. Doch allzu lange ließ der Aufprall des ersten Brockens nicht auf sich warten. Nach und nach krachten rund 20 Bruchstücke des einstigen Kometen mit einem Tempo von 200.000 Stundenkilometern in die Jupiteratmosphäre. Verblüffenderweise waren die Explosionsstellen sehr gut sichtbar, und das sehr lange - sie ließen sich über Wochen auch mit mittelgroßen Teleskopen gut beobachten.

Beim jetzigen Ereignis wusste niemand vom bevorstehenden Zusammenstoß, niemand hatte das Objekt zuvor gesehen - auch der Aufprall
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selbst fand unbeobachtet statt. Als Anthony Wesley seine ersten hoch aufgelösten Aufnahmen machte, war in Mitteleuropa helllichter Tag. Nicht so im australischen Murrumbateman, wo der Computerprogrammierer sein Observatorium betreibt und Bilder von Jupiter aufnimmt, wie sie vor wenigen Jahren nur den ganz großen Fachobservatorien oder Raumsonden gelingen konnten, durch den rasanten Fortschritt in Detektor- und Computertechnik jetzt aber auch mit kleineren Instrumenten erreichbar sind.

Nach einer Aufnahmepause kam Anthony Wesley am frühen Morgen des 19. Juli zurück ans Instrument und entdeckte eine ungewöhnliche kleine Dunkelzone in den hohen südlichen Breiten des Riesenplaneten. Da sich die Sichtbedingungen gegen Mitternacht verschlechtert hatten, wollte Wesley seine Beobachtungen eigentlich schon abbrechen, entschloss sich aber im letzten Augenblick doch noch, eine Weile abzuwarten. Plötzlich stellte er die deutliche Veränderung auf dem Planeten fest. Er leitete seine Beobachtungen sofort an große Sternwarten weiter, die den Verdacht bestätigen konnten: Jupiter war von einem unbekannten Objekt getroffen worden.

Gegenwärtig laufen die Astrokameras geradezu heiß - der Planet steht nun fortwährend im Visier der Instrumente. Neue Aufnahmen der "Infrared Telescope Facility"der NASA auf dem Mauna Kea, Hawaii, zeigen die nach oben steigenden Trümmerteilchen als hellen Fleck im nahen Infrarotlicht. Die hohen Schichten der Jupiteratmosphäre wurden durch die Detonation aufgeheizt, und es scheint so, als ob der Einschlag zusätzliches Ammoniakgas freigesetzt hat. Glenn Orton vom NASA-Laboratorium für Strahlantriebe schwärmt: »Wir haben extremes Glück, Jupiter exakt zur richtigen Zeit, zur richtigen Stunde und von der richtigen Seite zu sehen, um Zeugen dieses Ereignisses zu werden. Wir könnten das nicht besser geplant haben - es könnte der Einschlag eines Kometen sein, aber wir wissen das noch nicht mit Sicherheit. Es war ein turbulenter Tag. Und so etwas zum Jubiläum von Shoemaker-Levy und Apollo, das ist erstaunlich«.

Eine Identifikation des Impaktors wird als eher unwahrscheinlich angesehen, wenn nicht auch hier der Zufall kräftig mithilft. Die Frage ist natürlich, worum es sich bei ihm wirklich handelte, doch eine Klärung scheint schwer möglich. Wie lange die Folgen des Einschlags sichtbar bleiben werden, weiß derzeit ebenfalls niemand.

Wir werden versuchen, aktuelle Bilder der Einschlagstelle zu machen, wenn es das mitteleuropäische Wetter zur fraglichen Zeit zulässt. Jupiter dreht sich in knapp zehn Stunden in zwei optischen Rotationssystemen einmal um seine Achse; der Zeitpunkt für die Beobachtung muss also passen. Die Explosionsstelle befindet sich auf 210° Länge und wandert stets zwei Stunden und sechs Minuten nach der Passage des berühmten Großen Roten Flecks durch den Zentralmeridian des Planeten. Wenn der Plume nur wenige Tage überdauert, gehört wieder einmal Glück dazu, die entsprechenden Bilddaten zu sammeln. Was sich im Einzelnen auch immer herausstellen mag, das aktuelle Ereignis belegt wieder, wie schnell ein Himmelskörper auch heute noch zur Zielscheibe werden kann. Ein vergleichbarer Einschlag auf der Erde dürfte bereits globale Folgen besitzen und damit eine Weltkatastrophe heraufbeschwören. Hier können wir nur froh sein, dass der viel größere Jupiter ein weitaus leichteres Ziel für solche »Attacken« darstellt - durch seine schiere Größe und enorme Schwerkraft. Schon immer hat dieser planetare Gigant gefährliche Trümmerbrocken wie ein riesiger Staubsauger aus dem Weg geräumt und damit auch dem Leben auf der Erde einen echten Gefallen getan.