Die modernen Naturwissenschaften beruhen überwiegend auf Induktion. Diese Methode der Verallgemeinerung - das Gegenteil der Deduktion, die vom Allgemeinen auf das Besondere, Einzelne schließt - ist das Schließen vom Einzelnen auf das Allgemeine, auf eine vermeintliche Regel, auf eine an-genommene Gesetzmäßigkeit. Doch der induktive Schluß ist logisch nicht zwingend; das Ergebnis ist nicht unfehlbar. Alles, was die modernen Naturwissenschaften so erreichen können, ist Wahrscheinlichkeit.
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Die allgemeine Definition des Denkens lautet: „»Denken« ist eine Bewegung der Begriffe und Vorstellungen im Geiste“. Im engeren, philosophischen Sinn ist »Denken« die von allem bloßen Vorstellen, Meinen und Glauben unterschiedene, selbständige und selbstgesetzliche Tätigkeit des Geistes, die auf das Wesen seines Gegenstandes, das eigentlich Seiende, das wahrhaft Wirkliche geht. Das, was diese Tätigkeit hervorbringt, sind Selbstbestimmungen des Denkens: die »Gedanken«. Im engsten, logisch-formalen Sinn ist »Denken« das fehlerfreie Arbeiten des Verstandes. Es bildet Begriffe durch Abstraktion, vergleicht, unterscheidet, zerlegt die Begriffe, hebt das Gemeinsame an ihnen heraus, um ihre Beziehungen zueinander zu erkennen, führt neue Begriffe ein, verbindet sie zu Urteilen und Schlüssen und untersucht diese wieder auf ihre Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit. Während das philosophische Denken auf »Wahrheit« geht, strebt das logisch-formale Denken nach »Richtigkeit«. (NachJohannes Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Verlag Felix Meiner, 1955)

Das philosophische Denken ist also nicht irgendein beliebiges, willkürliches, zufälliges Denken. Es ist ein geordnetes und systematisches sowie ziel- und zweckgerichtetes Denken. Das Ziel des solcherart wissenschaftlichen Denkens ist »Wissen«. Solches auf gegebene reale (konkrete) oder ideale (abstrakte) Gegenstände (Objekte) gerichtetes Denken wird nach Edmund Husserl auch »phänomenologisch« genannt. »Phänomenologie« ist die Lehre oder Wissenschaft von dem philosophischen Verfahren, mit dem das Wesen eines gegebenen Objektes durch »Spekulation« (von lat. speculatio: Betrachtung; von lat. speculum: Spiegel) und »Analyse« (von griech.análysis: Auflösung, Zerlegung), also durch Denken, erfaßt wird.

In den modernen Naturwissenschaften spielt diese Art des Denkens aber eine untergeordnete Rolle. Das Hauptgewicht wird dort auf eine andere Weise des Denkens gelegt, das einen nicht gegebenen Gegenstand zu erfassen sucht. Dieses Denken ist das „Schließen“, der Denkvorgang, durch den ein Urteil aus einem anderen Urteil abgeleitet wird, oder, genauer, in dem aus einem (unmittelbarer Schluß) oder mehreren (mittelbarer Schluß) Vordersätzen (Prämissen) ein Schlußsatz (Konklusion) nach logischen Prinzipien gefolgert wird (s. u.).

Es gibt nur zwei Fälle: Entweder ist das reale oder ideale Objekt des Denkens gegeben - oder es ist nicht gegeben. Ist es gegeben, kann man es untersuchen und beschreiben; ist es aber nicht gegeben, dann gibt es nur eine einzige Möglichkeit, etwas darüber zu erfahren: das Schließen. Einen dritten Weg zur Erkenntnis gibt es nicht. Der Akt der Erkenntnis ist immer entweder ein direktes Erfassen des realen oder idealen Gegenstandes - also ein sinnliches oder geistiges Schauen - oder aber ein Schließen. (Freilich kann man etwas meinen oder [an] etwas glauben - aber »Meinung« und »Glauben« sind kein »Wissen«. »Wissen« kommt nur durch Beobachtung und Untersuchung des Gegebenen oder durch Schließen zustande.)

Die Methode des Schließens birgt nun aber einige Probleme. Die wichtigste Frage lautet: Wie ist es überhaupt möglich, einen nicht gegebenen Gegenstand durch Schließen zu erfassen, also Erkenntnis, das heißt Wissen über ihn zu erlangen? Die Antwort ist (eingeschränkt) positiv: Es ist - unter bestimmten Voraussetzungen - durchaus möglich. Ein Beispiel ist die Disziplin der Arithmetik innerhalb der Wissenschaft der Mathematik. »Rechnen« beispielsweise ist nichts anderes als logisches Denken, nämlich korrektes Schließen nach bestimmten Regeln.

Wie kommt nun ein Schließen zustande? Immer und ohne Ausnahme so, daß als Voraus-setzung zweierlei gegeben ist (und sein muß): einerseits sogenannte »Prämissen«, das sind Aussagen oder Sätze, die bereits als richtig und wahr bekannt sind; andererseits bestimmte Regeln, nach denen geschlossen wird (geschlossen werden muß). Einige dieser Regeln, die schon die antike griechische Philosophen-Schule der Stoiker, die Stoa, aufgestellt hat, lauten:

1.) Wenn A ist / gilt, so ist / gilt auch B. Nun ist / gilt A; also ist / gilt auch B.

2.) Wenn A ist / gilt, so ist / gilt auch B. Nun ist / gilt B nicht; also ist / gilt auch A nicht.

3.) Nicht kann zugleich A und B sein / gelten. Nun ist / gilt A; also ist / gilt B nicht.

4.) Entweder ist / gilt A oder B. Nun ist / gilt A; also ist / gilt B nicht.

5.) Entweder ist / gilt A oder B. Nun ist / gilt B nicht; also ist / gilt A.

(Alle anderen möglichen Fälle ergeben sich aus den aufgeführten Fällen.)

Der erste Philosoph, der die Ordnung des Denkens nicht nur dem Inhalt, sondern auch der Form nach untersucht hat, war Aristoteles. Er stellt fest: Gewöhnlich werden Wörter zu Sätzen verknüpft, die Urteile heißen, sofern sie wahre oder falsche Aussagen machen. Das Verhältnis des grammatischen Satzes zum logischen Urteil ist so, daß die Sätze, insbesondere die Aussagesätze, zum sprachlichen Ausdruck der Urteile dienen. Ein Satz besteht aus Wörtern, ein Urteil aus Begriffen. (»Begriffe« werden gewonnen durch Abstraktion.)

»Urteil« (lat. decretum) wurde von Christian Wolff als die logische Verbindung oder Trennung zweier oder mehrerer Begriffe definiert. Das logische Urteil wird sprachlich ausgedrückt durch einen Aussagesatz, der aus dem Subjekt (Satz-Gegenstand), dem Prädikat (Satz-Aussage) und der Kopula (dem Verbindungswort; copula, lat.: Band) besteht, das die Beziehung zwischen beiden ausdrückt: Ein logisches Urteil ist „einegedankliche Leistung, durch die sich die Verbindung zweier Begriffe so vollzieht, daß der eine (Subjekt) durch den anderen (Prädikat) näher bestimmt wird: der Satz »Das Gras ist grün« ist ein logisches Urteil.“ (Lexikon der Deutschen Sprache, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1969)

Solche Urteile lassen sich nach bestimmten Regeln zu Schlüssen verbinden. (In seiner„Ersten Analytik“, einer der sechs Schriften seiner Bücher zur Logik, Organon [Werkzeug] genannt, legte Aristoteles diese Regeln dar.) Die Verknüpfung zweier Urteile zu einem dritten Urteil heißt »Syllogismus«. In seiner reinsten Form formulierte ihn Aristoteles so: „Wenn »a« vom ganzen »b« und »b« vom ganzen »c« ausgesagt wird, so muß auch »a« notwendig vom ganzen »c« ausgesagt werden.“ (Kurz: wenn a = b und b = c, dann auch a = c)

Als klassisch gilt folgender Syllogismus:

1.) Alle Menschen sind sterblich.

2.) Sokrates ist ein Mensch.

3.) Also / folglich ist Sokrates sterblich.

Dabei sind die Sätze 1.) und 2.) die Prämissen; Satz 3.) ist die Conclusio (die Schlußfolgerung). „Mensch“ ist in diesem Beispiel der Mittelbegriff (griech. hóros mésos; lat. terminus medius), der in der Konklusion (dem Schlußsatz) herausfällt. (Neben dieser sog. „Figur“ des Syllogismus stellte Aristoteles noch zwei weitere Figuren dar, deren jede wieder vier Formen [„Modi“] hat und die sich u. a. durch die jeweilige Stellung des jeweiligen Mittelbegriffes als Subjekt oder Prädikat unterscheiden.) Es ist evident (unmittelbar und von selber einleuchtend), daß die Prämissen richtig und wahr sein müssen, um zu einem logisch stringent (zwingend) richtigen und wahren Schluß zu gelangen.

Eine Kette von Schlüssen ist ein (logischer) Beweis. Der Beweis im aristotelischen Sinn ist Ableitung (griech. apódeixis). Diese Methode ist »deduktiv«, das heißt, sie geht vom Allgemeinen zum Besonderen, Einzelnen. Die »Deduktion« (griech.apagōgē: Ableitung, Herleitung; wörtlich: Herabführung) ist, wenn die Regeln richtig angewandt werden, logisch zwingend. Das Gegenteil ist die »Induktion« (griech.epagōgē: Hinleitung, Hinführung; wörtlich: Hinaufführung), die vom Besonderen, Einzelnen auf das Allgemeine schließt und so eine vermeintliche Regel, eine angenommene Gesetzmäßigkeit behauptet / unterstellt. Logisch zwingend ist die Induktion nur dann, wenn sie vollständig ist, das heißt wenn sämtliche (einzelnen) Fälle bekannt und berücksichtigt sind. Das ist in den empirischen (auf Erfahrung beruhenden) Wissenschaften aber (fast) nie möglich (wohl aber in der Arithmetik). Eine unvollständige Induktion ist aber nur dann möglich, wenn eine Gesetzmäßigkeit des Sachverhaltes, auf den sie sich bezieht, und die eigentlich erst erschlossen werden soll, schon vorausgesetzt ist. (Es handelt sich also um eine Art „Zirkelschluß“.)

Die philosophische Disziplin, die die Methoden und Regeln des Denkens und Schließens (der Beweisführung) untersucht, ist die »Logik« (griech. logikē technē), die Lehre vom »lógos« (griech.: Sammlung, Wort, Rede, Sinn; von legeín, griech: sammeln), das heißt vom vernünftigen, richtigen Denken. (Dieser von den Stoikern eingeführte Ausdruck ersetzte die von Platon und Aristoteles gebrauchten Bezeichnungen »Dialektik« und »Analytik«.)

Die Logik ist die Wissenschaft von den Bedingungen der formalen Richtigkeit des Denkens und von der allgemeinen Ordnung, der Struktur und den Formen der realen oder idealen Gegenstände des Denkens, das sich auf ein geordnetes Gebiet des realen oder idealen Seins bezieht, und zugleich auch die Lehre von der Kunst, aus bekannten richtigen Begriffen, Urteilen und Ordnungen andere zunächst noch unbekannte nach bestimmten, durch die Logik selbst zu findenden oder aufzustellenden Regeln zu erschließen oder abzuleiten.“ (Johannes Hoffmeister,Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Verlag Felix Meiner, 1955)

Es sind zu unterscheiden die formale oder reine Logik, die von Aristoteles begründet und vollendet wurde und die sich in Elementarlehre (von Begriff, Urteil, Schluß) und Methodenlehre (von der Wissenschaft und ihren Untersuchungs- und Beweisverfahren) aufteilt, sowie die materiale oder reale Logik als die Lehre vom logischen Denken nicht nur im formal richtigen Sinne, sondern auch in dem des (inhaltlich) gültigen Erkennens. (Außerdem gibt es noch die ontologische /metaphysische Logik [d. i. die dialektische Logik G. W. F. Hegels] und diemathematisch-symbolische Logik [Logistik].)

Nun hat die Wissenschaft der Logik festgestellt und erkannt, daß es eben zwei Arten von Regeln gibt: die unfehlbaren und die fehlbaren. Die Regel, mit der von dem Ersten, dem Vordersatz, auf das Zweite, den Nachsatz, geschlossen wird („wenn das Erste, dann auch das Zweite; nun aber das Erste, also auch das Zweite“), ist unfehlbar; die Regel jedoch, mit der von dem Zweiten, dem Nachsatz, auf das Erste, den Vordersatz, geschlossen wird („wenn das Erste, dann auch das Zweite; nun aber das Zweite, also auch das erste“), ist nicht unfehlbar.

Ein Beispiel soll das veranschaulichen: Wenn ich Napoleon bin, dann bin ich ein Mensch. Nun bin ich ja ein Mensch; also / folglich bin ich Napoleon. Die Prämissen sind beide wahr, aber die Conclusio (der Schluß) ist falsch, denn es ist evident, daß ich nicht Napoleon bin. (Beispiel nach Joseph M. Bochénski, Wege zum philosophischen Denken. Einführung in die Grundbegriffe, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1959)

Ein weiteres Beispiel aus der Schulwissenschaft: Die Chemiker haben festgestellt, daß einige Stücke Gold bei 1.064 Grad Celsius schmelzen. Sie schließen nun aus diesen wenigen Fällen, daß alle Stücke Gold bei genau 1.064 ° C schmelzen. Der Gedankengang ist folgender: Wenn alle, dann auch einige; nun aber einige, also / folglich auch alle. Dieser Schluß ist nicht unfehlbar, nicht logisch stringent. Die vermeintlich erschlossene Gesetzmäßigkeit - Gold schmilzt bei 1.064 ° C - ist lediglich eine aufgrund empirischer Einzelfälle angenommene.

Ein drittes Beispiel: Ein Zoologe hat festgestellt, daß an einem See alle Schwäne weiß sind. Nun stellt er die Hypothese (griechisch: Behauptung; wörtlich: Unterstellung) auf, daß alle Schwäne, die es gibt, weiß seien. Mit jedem weiteren weißen Schwan, den er entdeckt, wird seine Hypothese (scheinbar) untermauert. Um seine Hypothese jedoch (vermeintlich) zu bestätigen, müßte er alle Schwäne, die es auf der Erde gibt, finden. Das ist in der Praxis technisch unmöglich; auch weiß er ja nie, ob er nun tatsächlich alle Schwäne gesehen hat. Aber selbst das wäre immer noch kein endgültiger Beweis für seine Hypothese: am darauffolgenden Tag jenes Tages, an dem er den letzten aller (weißen) Schwäne, die zu jener Zeit auf der Erde leben, entdeckt hat, könnte doch ein schwarzer Schwan geboren werden.

Ein viertes Beispiel: Wer gefragt werden würde, aus welchem Grund er annehme, daß morgen wieder die Sonne aufgehen werde, könnte nur antworten: weil es bisher immer so gewesen sei. Aber das ist kein hinreichender Grund. Die Sonne könnte schon am nächsten Morgen nicht mehr aufgehen. Wir wissen es einfach nicht. Eine andere Antwort gibt es jedoch nicht.

Das entscheidende Kriterium einer wissenschaftlichen Theorie ist also nicht, daß sieverifiziert (bestätigt) worden ist (denn das ist in der Praxis unmöglich), sondern, daß sie entschiedenen Versuchen, sie zu falsifizieren (widerlegen), bisher standgehalten hat. Wissenschaftliche Theorien lassen sich in der Regel in der Praxis nicht verifizieren; deshalb muß versucht werden, sie immer schärfer und genauer zu fassen, indem man alles ausschaltet, was sich als falsch erweist. (Der deutsche Kardinal und Philosoph Nikolaus von Kues sagte bereits im 15. Jahrhundert, daß es in unserer Welt nichts gebe, das nicht noch genauer gefaßt werden könne.) Wissenschaftliche Theorien sind also lediglich provisorische (vorläufige) Entwürfe, die nur so lange gelten, wie ihr Gegenteil (noch) nicht bewiesen worden ist.

(»Theorie« [griech. theoría, von theoreín: schauen, zu theós: Gott] ist allgemein die Betrachtung, insb. das geistige Schauen dessen, was der sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich ist; auch svw. Kontemplation und Spekulation. Im Gegensatz zur Empirie [sinnliche Erfahrung] und zur Praxis ist Theorie die durch Denken gewonnene wissen-schaftliche Erklärung bestimmter Erscheinungen aus einem Prinzip [objektiver Grundsatz] und die Zusammenfassung der einzelnen Erkenntnisse unter allgemeine Gesetze sowie ihre Ordnung nach Prinzipien, aus denen sich alle Gesetzmäßigkeiten und Einzelfälle ableiten lassen. Von dem einzelnen Gesetz, in dem, und von der Hypothese, durch die ebenfalls einzelne Sachverhalte zusammengefaßt werden, unterscheidet sich die Theorie durch ihren umfassenderen, komplexeren Charakter. Jede Wissenschaft erstrebt als Ideal und Abschluß eine Theorie in dieser doppelten Bedeutung der Ergänzung der unmittelbaren Erfahrung durch gedankliche Ansätze und der Zusammenfassung der einzelnen Ergebnisse in ihnen. Theorie will also immer einen Überblick in der Beschreibung und eine Einsicht durch Erklärung. [Nach Joh. Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Felix Meiner, 1955])

Nach dem österreichischen Philosophen der „Wiener Schule“ und des „Kritischen Rationalismus“, Karl Raimund Popper, ist alles schulwissenschaftliche „Wissen“ demnach lediglich Annahme oder Vermutung, sind alle schulwissenschaftlichen Aussagen nur Hypothesen. In seinem Werk „Logik der Forschung“ (1935) postuliert er, daß Theorien nur so lange gelten, bis sie durch neue Tatsachen widerlegt werden (»Postulat«: sachlich und logisch notwendige Annahme oder Forderung). Zusammen mit dem britischen Philosophen des „Empirismus“ des 18. Jahrhunderts, David Hume, schließt Popper die Möglichkeit aus, von noch so vielen Einzelfällen auf eine allgemeingültige Gesetzmäßigkeit zu schließen.

Das liegt daran, daß bei dem logischen Verfahren der Induktion die Conclusio (der Schlußsatz) über den Gehalt der Prämissen (Vordersätze; Sätze, aus denen der Schluß gefolgert wird) hinaus geht und nicht mit absoluter Sicherheit behauptet werden kann - im Gegensatz zu dem der Deduktion, bei der die Conclusio nicht über den Gehalt der Prämissen hinausführt und deshalb mit absoluter Sicherheit ohne Ausnahme immer richtig und wahr ist.

Die gesamte moderne Schulwissenschaft geht nach nicht unfehlbaren Regeln vor. Daraus folgt, daß die naturwissenschaftlichen Theorien nie ganz sichere Wahrheiten, nie ganz sicheres Wissen sind. Alles, was die moderne Schulwissenschaft in der Regel erreichen kann, ist, wenn auch meist sehr hohe, Wahrscheinlichkeit. Die meisten Gesetze der Physik beispielsweise sind Wahrscheinlichkeits-Gesetze, das heißt, sie besagen lediglich, daß ein Ereignis mit einer mehr oder weniger gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Und diese Wahrscheinlichkeits-Gesetze sind selber wiederum in dem erläuterten Sinn wahrscheinlich.

Daraus ergeben sich nun folgende Grundsätze als Konsequenzen:

Erstens: Vom praktischen Standpunkt aus sind die Schulwissenschaften durchaus brauchbar und nützlich - wenn es sich um seriöse Wissenschaft handelt, die sich ihrer Unzulänglichkeit und Grenzen bewußt ist, sie berücksichtigt und sie offen (öffentlich) eingesteht.

Zweitens: Für die Untersuchung und Erklärung der Natur (das, was nach Immanuel Kant und Peter Plichta unseren fünf körperlichen Sinnen in Raum, Zeit und Zahl erscheint) haben wir keine bessere Methode. Aufgabe der Philosophie ist es, die Methoden u. Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung zu bestimmen, zu prüfen und einzuordnen. (Das ist dann die praktisch angewandte philosophische Disziplin der „Wissenschafts-Theorie“ - im Unter-schied zu den theoretischen Disziplinen der reinen Philosophie [Psychologie, Erkenntnis-Theorie / Erkenntnis-Kritik, Logik / Dialektik, Ontologie, Metaphysik, Ethik, Ästhetik])

Drittens: Der vernünftig, d. h. logisch denkende Mensch soll und muß sich, wenn es zu einem Widerspruch zwischen der Wissenschaft und irgendeiner nicht wissenschaftlichen Ideologie (z. B. Sozialismus, Kommunismus, Faschismus) oder bloßen Dogmata (auf Übereinkunft beruhende, offizielle Lehr-Meinungen) kommt, für jene und gegen diese entscheiden.

Viertens: Da die Wissenschaft meistens nur wahrscheinliche Sätze liefern kann, sollen und müssen diese verworfen werden, wenn die Evidenz ihnen widerspricht. (»Evidenz«: das unmittelbare Sich-Zeigen eines Gegenstandes in der sinnlichen Wahrnehmung oder das unmittelbare geistige Einleuchten eines Sachverhaltes; von lat. evidens, Genitiv evidentis, aus ex: aus, heraus, und videns: sehend, erstes Partizip [Partizip Praesens Aktiv] zu videre: sehen)

Fünftens: Die Wissenschaft ist ausschließlich auf ihrem eigenen Gebiet zuständig und dort (eingeschränkt) kompetent. Ein krasses negatives Beispiel für die Übertretung der Grenzen ihrer Kompetenz ist jene (historisch authentische und dokumentierte) dämliche, hanebüchene Aussage eines „berühmten“ Anatomen und Pathologen, der sagte, es könne weder ein menschliches Bewußtsein noch eine menschliche Seele geben, denn er habe unzählige Körper aufgeschnitten, aber nie ein Bewußtsein / eine Seele dabei vorgefunden. Abgesehen von der Unzulänglichkeit der Induktion (s. o.) und von der Unzulässigkeit der Verallgemeinerung (s. o.) besteht der Denkfehler dieses Mediziners darin, daß seine Wissenschaft kraft ihrer eigenen Methoden ausschließlich auf die Untersuchung von stofflichen Körpern beschränkt ist (ganz abgesehen davon, daß die Körper, die dieser Anatom / Pathologe seziert hatte, ja tot waren).

Das, was wir wissen, ist unendlich wenig. Es kommt nun leider häufig vor, daß „Wissenschaftler“ die enormen Lücken im wissenschaftlichen Wissen durch ihre eigene private, subjektive, meistens obendrein grob naive und schlicht und einfach falsche Meinung, die dann fälschlich als „Wissenschaft“ oder gar als „Philosophie“ verkündet wird, füllen wollen. Leider genießt die Schulwissenschaft eine so große (vermeintliche) „Autorität“ bei den ungebildeten, meist auch noch unmündigen Massen, daß es äußerst gefährlich ist, wenn ihre Vertreter außerhalb der Grenzen ihrer beschränkten Kompetenz zu „philosophieren“ beginnen. Allein die Philosophie kann uns vor den gefährlichen Folgen warnen und schützen, die durch falsches, unlogisches Denken und Meinen vieler „Wissenschaftler“ drohen. In einer ihrer wichtigsten Funktionen ist die Philosophie nichts anderes als die Verteidigung des vernünftigen und logischen Denkens gegen (Aber-) Glauben u. Meinung, Dogma u. Ideologie.

Deshalb hier noch einmal die korrekte Definition der drei Begriffe »Meinung«, »Glauben« und »Wissen«: »Meinung« ist sowohl subjektiv wie auch objektiv unzureichendes Für wahr halten. Ein zwar subjektiv zureichendes, aber objektiv unzureichendes Für wahr halten ist »Glauben«. »Wissen« nun ist sowohl subjektiv wie auch objektiv zureichendes (hinreichendes, d. h. zutreffendes) Für wahr halten. (Nach I.Kant, Kritik der reinen Vernunft)

(Im Alltag werden meistens auch die Begriffe »apodiktisch« und »dogmatisch« verwechselt. Die »Apodiktik« [griech. apodeiktiké epistēmē] ist die dem Beweis dienende Wissenschaft, die Lehre vom Beweis. Eine apodiktische Aussage ist unmittelbar gewiß [evident], logisch notwendig und unumstößlich / unwiderlegbar, d. h. objektiv und absolut. Ein »Dogma« [von dóxa, griech.: Meinung, von dokeín: scheinen; meinen, glauben] dagegen ist eine zur allgemeinen Lehr-Meinung erhobene Annahme oder Behauptung. Eine dogmatische Aussage ist ein - religiöser oder [pseudo-] „wissenschaftlicher“ - subjektiver, relativer Glaubenssatz. [Nach Joh. Hoffmeister, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Felix Meiner, 1955])

Die Aufstellung von und die Berufung auf Dogmata sind signifikante Zeichen für Dummheit!“ (Prof. Dr. mult. Dr. h. c. mult. Rupert Lay)


Vgl. Norbert Knobloch, „Philosophie - Königin der Wissenschaften“, 19. 02. 2012,