Der amerikanische Arzt Dr. Jesse Marcel Jr. ist am vergangenen Samstag im Alter von 76 Jahren verstorben, vermutlich an Herzversagen. Er zählte zu den letzten direkten Zeugen des berühmten Roswell-Absturzes vom Sommer 1947, als in der Wüste von New Mexico ein mysteriöser Flugkörper niederging, über dessen Natur und Herkunft die US-Luftwaffe bis heute wiederholt die verschiedensten Erklärungsvarianten vorgelegt hat - allesamt ganz offenkundige Deckgeschichten.
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Die Nachricht hat sich mittlerweile als traurige Gewissheit bestätigt: Am Samstag, dem 24. August, verstarb Dr. Jesse Marcel Jr. in seinem Haus an den Folgen eines Herzinfarkts. Am 30. August hätte er seinen 77. Geburtstag gefeiert. Dr. Marcel galt als letzter bedeutsamer Zeuge des schon legendären Roswell-Absturzes von Anfang Juli 1947.

Unmittelbar nach dem bis heute geheimnisumwitterten Vorfall, den das US-Militär schon seit den ersten Tagen mit einer umfangreichen Vernebelungsaktion bedachte, zeigte Marcels Vater seinem damals zehnjährigen Sohn bizarres Trümmermaterial des havarierten Flugobjekts. Jesse A. Marcel Sr. war Luftwaffenmajor und direkt an der Bergungsoperation beteiligt. Auch viele Jahre später bekam sein Sohn Jesse Marcel Jr. nichts Vergleichbares zu Gesicht. Wie sein Vater verbrachte auch er viele Jahre in militärischem Dienst und wusste genau, wovon er sprach. Noch im Oktober 2004 wurde der bereits betagte Mediziner und Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde wieder in militärische Dienste berufen, um während des Irakkriegs als Fliegerarzt beim "189th Attack Helicopter Battalion" eingesetzt zu werden.

Jesse Marcel Jr. stand mit beiden Beinen im Leben und auf dem Boden der Tatsachen. So durfte auch seine Einschätzung der Ereignisse von 1947 durchaus ernst genommen werden. Überhaupt hatte sich die Familie Marcel lange Jahre überhaupt nicht zu ihren persönlichen Erlebnissen geäußert, hier zeigte sich niemand sonderlich an Öffentlichkeit interessiert. Außerdem war der 1986 verstorbene Major Marcel zur strikten Geheimhaltung verpflichtet. Erst als der amerikanische Kernphysiker und Autor Stanton Friedman im Jahr 1978 eher zufällig auf ihn aufmerksam wurde, kam der Stein ins Rollen. Plötzlich drangen die Fakten von damals ans Licht, und die Zahl der Zeugen mehrte sich seitdem stetig.

Das Gesamtbild bestätigt ein offenbar einzigartiges Szenario, so dass letztlich auch das Militär einige Schwierigkeiten hatte, seine ursprüngliche Deckgeschichte aufrechtzuerhalten, damals sei nichts als ein gewöhnlicher Wetterballon auf dem Land von Rancher William »Mac« Brazel niedergegangen. Doch auch die späteren offiziellen Versionen überzeugten niemanden, der entweder selbst dabei war oder aber - wie Stan Friedman - umfangreich recherchierte. Und die Marcels erinnerten sich an jedes Detail von damals, so, als wäre es gerade eben erst geschehen.

In der Nacht des 2. Juli 1947 zieht ein schweres Gewitter über Lincoln County in New Mexico auf. Plötzlich jagt ein silberner Diskus durch die dichten Wolken und rast über die Stadt Roswell hinweg. Etwa 120 Kilometer weiter nördlich liegt das Ranchgelände von William Brazel. Hier geht das unbekannte Objekt mit ohrenbetäubendem Krachen nieder. Es ist kurz vor 22 Uhr, als der Rancher von einer Explosion aufgeschreckt wird, die sich deutlich vom natürlichen Gewitterdonner abhebt. Die vom weiterhin tobenden Gewitter aufgewühlte Nacht lässt kaum zu, der Ursache jener Explosion sofort nachzugehen. Doch am nächsten Morgen stößt Brazel auf ein kilometerlanges Trümmerfeld mit höchst eigenartigen Fragmenten. Überall findet er metallische Wrackteile, eine seltsame Folie und zahlreiche, mit merkwürdigen »Hieroglyphen« beschriftete Stäbe aus undefinierbarem Material, das wie Balsaholz wirkt. Brazel sammelt Proben auf und bringt sie zum örtlichen Sheriff. Von dort aus gelangen sie schließlich zur 509. Bomberstaffel auf dem Roswell Army Air Field (heute Walker Air Force Base). Seinerzeit war auf dem RAAF die einzige US-Atombomberstaffel stationiert. Hier arbeiteten ausgewiesene Fachleute.

Noch bevor das Material dorthin verbracht wurde, hatten sich wesentliche Vertreter der lokalen Militärinstallation, darunter Basiskommandant Colonel William H. Blanchard sowie die Nachrichtendienstler Captain Sheridan Cavitt und Major Jesse Antoine Marcel im Sheriffbüro eingefunden. In den folgenden Tagen setzt das Militär dann seine Maschinerie in Bewegung, um am 8. Juli eine ausgedehnte Bergungsaktion zu starten. Allen bekannten Informationen zufolge war Brazel lediglich auf einen »Nebenschauplatz« gestoßen, auf ein langgestrecktes Streufeld in Flugrichtung jenes Objekts, das selbst an anderer Stelle niedergegangen war. Berichten zufolge befand sich der eigentliche Absturzort rund zweieinhalb Meilen weiter südöstlich. Dort wurde laut Zeugenaussagen das komplette Wrack einer Flugscheibe zusammen mit den Körpern dreier nicht-menschlicher Wesen geborgen.

Zumindest von einer fliegenden Scheibe war dann auch in der offiziellen Meldung des RAAF die Rede. Allerdings nur sehr kurz. Am Vormittag des 8. Juli 1947 ließ Colonel Blanchard durch seinen Presseoffizier Walter Haut vermelden: »Die vielen Gerüchte über fliegende Scheiben sind gestern Realität geworden, als das nachrichtendienstliche Büro der 509. Bomberstaffel der 8. Air Force, Roswell Army Air Field, sich in der glücklichen Lage befand, durch Kooperation mit einem der ansässigen Rancher und dem Sheriffbüro von Chaves County in den Besitz einer Scheibe zu kommen ... Sofort wurden geeignete Maßnahmen ergriffen und die Scheibe auf dem Gelände aufgeladen. Sie wurde auf dem Roswell Army Air Field inspiziert und anschließend von Major Marcel an eine höherrangige Einheit weitergeleitet.«

Jesse A. Marcel Sr. hatte also weitreichende Möglichkeiten, das Wrack in Augenschein zu nehmen. Wie mir übrigens auch Walter Haut zehn Jahre vor seinem Tod (2005) in einem persönlichen Gespräch in Roswell bestätigte, hatte er die Order zur Pressemeldung direkt von Colonel Blanchard erhalten; also konnte mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass sich hier irgendjemand einen schlechten Scherz mit ihm erlaubte und vielleicht eine, real gar nicht vorhandene, Flugscheibe ins Spiel brachte.

Doch schon am nächsten Tag kam das offizielle Dementi und die Zeitung berichtete plötzlich, das Objekt sei ein Wetterballon gewesen. Von einer Scheibe also nun keine Rede mehr.

Marcel allerdings wusste genau, was er gesehen hatte. Direkt nach der Bergungsoperation kehrte er am frühen Morgen zurück nach Hause, um seine Frau und den damals zehnjährigen Jesse Marcel Jr. zu wecken. Marcel hatte einige Fragmente des Absturzes mitgebracht, die er seiner Familie unbedingt noch zeigen wollte, bevor er sie dann schleunigst weiter zum RAAF brachte.Schon damals fand er keine konventionelle Erklärung für diese Trümmer, darunter eine dünne Folie, die sich stets völlig glatt entfaltete, mochte man sie zuvor noch so stark zusammengeknüllt haben. Auch was es mit den seltsamen Symbolen auf den diversen Stäbchen auf sich hatte, blieb absolut rätselhaft.

Der kleine Sohn stand fasziniert vor dem unerklärlichen Material, an dessen bizarre Eigenschaften er sich zeitlebens erinnerte. Er zählte zu den wenigen Menschen, die diese Trümmer mit eigenen Augen gesehen hatten und in die Hand nehmen konnten. Für ihn war die Geschichte vom Wetterballon eine Farce. Auch die abgewandelte Version, es habe sich um einen Ballon des geheimen Mogul-Projekts zum Nachweis sowjetischer Atomversuche in der Erdatmosphäre gehandelt, überzeugte ihn nicht.

Die Jahre vergingen, und viele wichtige Zeugen starben, um ganz im Interesse des Militärs für immer zu schweigen. Mit Jesse Marcel Jr. ist einer der bedeutsamsten Roswell-Zeugen in die Ewigkeit abberufen worden. Mit der Familie trauert nun auch die Gemeinde derjenigen, die den Zeugenaussagen ein größeres Vertrauen entgegenbringt als den offiziellen Darstellungen des Vorfalls. Sie trauern nicht allein um den Zeugen Marcel, sondern auch um einen engagierten, warmherzigen Menschen, der bis zu seinem Tod und entgegen allen Anfeindungen stets für seine Überzeugung einstand sowie für das, was seine Eltern und er damals, im Sommer 1947, wirklich gesehen hatten.