Gegen Europas größte Bank, die HSBC aus England, wurde schon häufiger wegen Betrugs und Geldwäsche ermittelt. Eine neue Untersuchung kommt zu dem Schluss, das riesige Londoner Finanzinstitut sei ein organisiertes »kriminelles Unternehmen«.
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Das lässt darauf schließen, dass sich hinter den jüngsten Bankenkrisen und dem politischen Druck auf Regierungen in der EU, den Großbanken zulasten von Arbeitsplätzen und realwirtschaftlichem Wachstum aus der Patsche zu helfen, weit mehr verbirgt als bisher bekannt.

Nach dem Finanzdebakel, das im September 2008 über die Welt hereinbrach, nachdem Washington entschieden hatte, die Investmentbank Lehman Brothers bankrott gehen zu lassen, laufen mehrere Ermittlungsverfahren zum Geschäftsgebaren der HSBC. John Cruz, ein ehemaliger Vizepräsident von HSBC Nordamerika, wurde 2012 gefeuert, weil er seinen Vorgesetzten eindeutige Hinweise auf illegale oder betrügerische Kundenkonten vorgelegt hatte. Er behauptet, Beweise für illegale Geldwäsche der Bank in Milliardenhöhe entdeckt zu haben.

Cruz‘ Aufgabe bei der Bank bestand darin, verschiedene Konten im HSBC-Computersystem zu betreuen und die Kontoinhaber persönlich aufzusuchen, um ihnen zusätzliche Produkte und Dienstleistungen der Bank anzubieten. Einem investigativen Journalisten gegenüber erklärte er: »Ich habe diese Dokumente mitgenommen, weil sie meiner Ansicht nach der Beweis für verdächtige Aktivitäten waren.« Management und Sicherheitsabteilung der HSBC waren über seine Berichte über kriminelle Aktivität nicht erfreut. Cruz: »Meine Manager erklärten mir, ich sei verrückt und wisse nicht, wovon ich rede. ... Sie sagten mir, es gehe mich nichts an, was in den Transaktionen ablaufe. Aber das ist mein Job.«

Bank für mexikanische Drogenkartelle?

Cruz berichtet, er habe in den zwei Jahren seiner Tätigkeit für die HSBC entdeckt, dass nicht nur Zweigstellen-Manager, sondern auch hohe Vertreter der Bank Geldwäsche betrieben, und zwar in den USA und international. »Durch das, was ich da sah, kam mir der Verdacht, dass die HSBC zur Hausbank der mexikanischen Drogenkartelle geworden war.«

Die US-Strafverfolgungsbehörden konzentrieren sich zunehmend auf den Verkehr von Drogengeldern zwischen den USA und Mexiko. 2010 schloss die Wachovia Bank, ein Tochterunternehmen von Wells Fargo & Co., mit dem US-Justizministerium einen Vergleich über 160 Millionen Dollar. Das Ministerium hatte der Bank vorgeworfen, mangelnde Kontrollen hätten es Drogenhändlern ermöglicht, Drogengelder aus Mexiko zu waschen. In einer Studie des US-Rechnungshofs hieß es, der Fluss von Geldern aus dem illegalen Drogengeschäft in den USA zurück nach Mexiko - oftmals in Form großer Barlieferungen, dem so genannten »Bargeldschmuggel« - belaufe sich auf jährlich 18 bis 39 Milliarden Dollar.

Bei der HSBC gäben Unterlagen von Kundenkonten, so Cruz, Hinweise auf »Identitätsdiebstähle«, mit denen sich rechtmäßige Sozialversicherungsnummern verschafft und getürkte Privat- und Geschäftskonten eröffnet wurden, über die HSBC-Mitarbeiter ohne Wissen der Opfer dieses Identitätsdiebstahls täglich mehrere Hundert Millionen Dollar einzahlen und überweisen konnten. Cruz sagt, er sei gefeuert worden, nachdem seine Vorgesetzten mehrmals vergeblich versucht hätten, ihn von seinen persönlichen Ermittlungen abzubringen. »Als ich meine Vorgesetzten auf verdächtige Aktivität auf Konten aufmerksam machte, die den Behörden, eingeschlossen das Ministerium für Innere Sicherheit [Homeland Security], gemeldet werden müssten, hieß es, ich solle den Mund halten.« Als Cruz gefeuert wurde, nahm er mindestens 1000 Seiten an Beweismaterial mit, um sie den US-Behörden zu übergeben.

Nur die Spitze der HSBC

Cruz‘ Anschuldigungen sind nur die Spitze des Eisbergs an Betrugsvorwürfen gegen die HSBC. Im Januar 2012 startete der Ständige Untersuchungsausschuss des US-Senats Anhörungen über die Rolle der HSBC bei der Geldwäsche von illegalen Geldern aus Drogen- und anderen Geschäften. 2003 und 2010 äußerten zwei US-Bankaufsichtsbehörden ernste Bedenken über die Anti-Geldwäsche-Maßnahmen der Bank und deren Mitarbeiter und verlangten Nachbesserung bei Personal und Anti-Geldwäsche-Systemen. Die ermittelnden Behörden waren die Federal Reserve Bank of New York und das Bankenaufsichtsamt, eine Abteilung des Finanzministeriums. 2010 gab die Bank bekannt, dass das Justizministerium im Rahmen von Ermittlungen über Geldwäsche gegen sie ermittele.

Anfang 2010 unterstellte ein Senatsausschuss in einem Bericht mit dem Titel "Keeping Foreign Corruption out of the United States" (zu deutsch etwa: »Maßnahmen zur Bekämpfung von ausländischer Korruption in den USA«) der HSBC, sie habe es Personen mit hohem Risiko, so genannten politisch exponierten Personen oder PEP, erlaubt, Geld durch das US-Finanzsystem zu schleusen. Bei PEP handelt es sich in der Regel um einflussreiche ausländische Politiker, Verwandte oder nahe Bekannte von korruptionsverdächtigten Regimen. In dem Bericht des Senats wurden die Beziehungen der HSBC zu Angola untersucht, jenem afrikanischen Ölland, das für das Verschieben und Missmanagement von Ölgeldern berüchtigt ist. In dem Bericht wurde der HSBC vorgeworfen, Vertretern der nationalen angolanischen Ölgesellschaften mit engen Verbindungen zur Politik über die angolanische Privatbank BAI (Banco Africano de Investimentos) amerikanische Bankdienste geleistet zu haben, ohne die Transaktionen als potenziell hochriskant zu deklarieren. HSBC habe diese Geldbewegungen zugelassen, »ungeachtet von PEP« in Management und Klientel der BAI.

Bank-Deregulierung und Betrug

Der Fall der HSBC liefert nur ein Beispiel dafür, welch ein internationales Bankensystem ohne jede Aufsicht sich da entwickelt hat. In den letzten 20 Jahren haben die Großbanken an der Wall Street und in der Londoner City, in Paris und Frankfurt ihre Finanzkraft genutzt, um Lobbyarbeit für laxere Bestimmungen und Aufsicht zu betreiben. 1999 schaffte es die Citibank, ebenfalls berüchtigt für Verstöße gegen Geldwäschegesetze, dass das Glass-Steagall-Gesetz aus den 1930-er Jahren außer Kraft gesetzt wurde. Das Gesetz war seinerzeit verabschiedet worden, um die Aktien- und Wertpapierspekulation der Wall-Street-Banken vom normalen Geschäftsbankenbetrieb zu trennen. Die Aufhebung von Glass-Steagall machte den Weg frei für Banken, Versicherungsgesellschaften und Aktienhändler, riesige Konglomerate zu bilden, die dann »zu groß [wurden], um bankrott zu gehen«. Mit Geldspenden an Kandidaten für politische Ämter konnten sie sich jede Regierungspolitik erkaufen, die sie brauchten, um ihre Aktivitäten unbeaufsichtigt fortzuführen. Ex-Federal-Reserve-Chef Alan Greenspan spielte bei der Deregulierung des US-Bankwesens eine maßgebliche Rolle.

Für die HSBC ist Geldwäsche nichts Neues. Der ursprüngliche Name der Bank war Hong Kong & Shanghai Bank; der Sitz war Hongkong, damals britische Kolonie. Seit ihrer Gründung als Treuhänder der Drogengelder, die die britische Krone aus den chinesischen Opiumkriegen erhielt, war die HSBC die führende Geldwaschanlage der Welt. In der Zeit des Vietnamkriegs wusch die HSBC Heroingelder der CIA. Während der britischen Opiumkriege der 1840-er Jahre gründete der Heroinhändler William Jardine aus Kanton zusammen mit seinen Landsleuten, den Keswicks und William Sutherland Matheson die Firma "Jardine Matheson". Dieselben Familien gründeten nach dem zweiten Opiumkrieg die Hong Kong Shanghai Bank Corporation (HSBC), bei der sie die Gelder aus ihrem Opiumgeschäft einzahlten. Heute druckt die HSBC, ein Tochterunternehmen der HSBC Holdings in London, 75 Prozent des Geldes von Hong Kong.

Noch ein interessanter Hinweis: Die Deutsche Bank ist heute die zweitgrößte Bank in Europa. Im März 2013 hielt die HSBC Vermögenswerte in Höhe von atemberaubenden 2,7 Billionen Dollar (2,1 Billionen Euro)! An zweiter Stelle lag die Deutsche Bank mit 2,6 Billionen Dollar (2,0 Billionen Euro). Unter den Top Ten in Europa sind vier französische Banken. Die neue Bankenaufsicht der EU könnte vor der Frage stehen, zu welchem Grad illegale Banktransaktionen die Profite der 15 größten EU-Banken ausmachen. Vor zehn Jahren, in der Zeit der US-Immobilienblase, war die Deutsche Bank maßgeblich an der Finanzierung für den Bau eines Kasinos in Las Vegas beteiligt. Französische Banken waren in den 1980-er Jahren in einen großen Bankenskandal in den USA verwickelt.

Etwa 20 amerikanische und europäische Großbanken stehen im Zentrum des Finanztsunamis, der seit 2007 die Weltwirtschaft erschüttert. Sie sind nicht »zu groß, um bankrott zu gehen«, sondern vielmehr »zu groß, um sie zu retten«.