»Verteidigungsminister Chuck Hagel und US-Generalstabschef Martin Dempsey wanderten auf einem schmalen Grat... Sie äußerten sich einerseits besorgt über die Lage in Ägypten, versuchten aber andererseits den Eindruck zu vermeiden, die USA manipulierten die Ereignisse hinter den Kulissen.«

(Military.com, 3. Juli 2013)
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Die ägyptische Protestbewegung richtet sich gegen die USA und dessen Stellvertreterregime der Muslimbrüder. Die Muslimbrüder wurden mit Unterstützung Washingtons an die Spitze der ägyptischen Regierung gestellt - eher als »Ersatz« denn als »Alternative« zu Husni Mubarak, der seit Beginn seiner Herrschaft als Präsident Ägyptens im Oktober 1981 willfähriger Vollstrecker der Befehle des »Washington Consensus« gewesen war.

Die Streitkräfte des Landes haben zwar nun die Muslimbrüder gestürzt und ihren Einfluss geschmälert, aber die eigentliche Stoßrichtung des Putsches zielt letztlich darauf ab, die Protestbewegung zu manipulieren und die Einsetzung einer Regierung, die tatsächlich dem Willen des Volkes entspräche, zu verhindern. Der Sturz Präsident Mohammed Mursis durch das ägyptische Militär ist kein Schlag gegen die amerikanischen Interessen, sondern wurde angezettelt, um die »Kontinuität« im Interesse Washingtons zu wahren. So berichtete etwa F. William Engdahl am 4. Juli: »Die Demonstranten trugen selbstgemachte Plakate, in denen Obama und seine Botschafterin in Kairo, Anne Patterson, die die Muslimbrüder unterstützte, angegriffen wurden.« (Sieh dazu: Engdahl, Global Research, 4. Juli 2013.)

Die Muslimbrüder und die CIA

Die Zusammenarbeit westlicher Geheimdienste mit den Muslimbrüdern reicht weit in die Vergangenheit zurück. Die britische Unterstützung der Bruderschaft, die verdeckt über den britischen Geheimdienst erfolgte, geht bis auf die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Seit Beginn der 1950er Jahre, so der frühere Geheimdienstmitarbeiter William Baer, ließ »die CIA der Muslim-Bruderschaft aufgrund ihrer ›verdienstvollen Möglichkeiten‹ zum Sturz des damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nassers beizutragen, Unterstützung zukommen.« (Siehe dazu: 1954-1970: CIA and the Muslim Brotherhood Ally to Oppose Egyptian President Nasser.) Diese verdeckten Verbindungen zur CIA wurden auch während der Regierungszeit Husni Mubaraks aufrecht erhalten.

Seit Beginn des »Arabischen Frühlings« versuchte die Regierung Obama, säkulare Regierungen in der Nahmittelostregion und in Nordafrika zu destabilisieren und dort stattdessen »islamische Staaten« zu installieren, die den amerikanischen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen dienlich sein sollten.

»Eine wirtschaftliche Schocktherapie«

Die Protestbewegung gegen Mubarak Anfang 2011 war eine Reaktion auf die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Folgen der dem Land vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgezwungenen Reformen. Diese Reformen, die auf dem Höhepunkt des Golfkriegs Anfang 1991 eingeführt wurden und seit fast zwei Jahrzehnten in Kraft sind, führten zu einer massiven Verarmung der ägyptischen Bevölkerung und »öffneten« die ägyptische Wirtschaft dem Einfluss »ausländischer Investoren«.

Die landwirtschaftlichen Kapazitäten des fruchtbaren Niltals, das seit mehr als 3000 Jahren den »Brotkorb« und die Lebensquelle des Landes bildete, wurden zerstört, um Nahrungsmittelimporten aus den USA und der Europäischen Union den Weg zu ebnen. Die folgende Deregulierung der Nahrungsmittelpreise (mit anderen Worten: massive Erhöhungen), eine um sich greifende Privatisierung sowie eine drastische Sparpolitik führten zu verbreiteter Armut und Massenarbeitslosigkeit. Das Sozialsystem des Landes brach unter dieser Last zusammen, und die Wirtschaft und das Finanzsystem Ägyptens gerieten in eine extreme Schieflage.

Im Mittelpunkt des von den USA unterstützten Regimewechsels steht der Begriff der »Kontinuität«, der sich hier auf die ungebrochene Fortsetzung der neoliberalen Wirtschaftsreformen bezieht. Mursis Wahl zum Präsidenten war nur möglich, nachdem er zuvor als Bedingung die »wirtschaftliche Schocktherapie« des IWF akzeptiert hatte.

Im August 2012 erklärte die IWF-Direktorin Christine Lagarde in aller Offenheit, der IWF »wird Ägypten dabei begleiten, wenn es sich diesen Herausforderungen stellt. Dieser Weg ist der Weg Ägyptens, und der IWF ist ein Partner auf diesem Weg«. Und auf einer Pressekonferenz, die sie gemeinsam mit dem damaligen ägyptischen Regierungschef Hescham Mohammed Kandil veranstaltete, sagte sie: »Wir sind von der Strategie beeindruckt, die Präsident Mursi und Ministerpräsident Kandil während unseres heutigen Treffens vorgestellt haben.« (Siehe dazu: IWF, 22. August 2012.)

Ägypten wurde ein neues Paket (tödlicher) makroökonomischer Reformen aufgezwungen, um »die politische und wirtschaftliche Übergangsphase Ägyptens zu steuern« (ebenda). Im Zuge der folgenden, vom IWF geprägten »Übergangsphase«, die dem Land von seinen ausländischen Gläubigern aufgezwungen wurde, verschärften sich die wirtschaftlichen und sozialen Krisen noch weiter, anstatt zumindest teilweise behoben zu werden.

Die sozialen Lebensumstände haben sich seit dem Sturz Husni Mubaraks weiter dramatisch zugespitzt. Die Massenproteste gegen Präsident Mursi wurden zum großen Teil dadurch ausgelöst, dass die schon unter Mubarak auf Druck Washingtons und der Wall Street eingeführten makroökonomischen Reformen unter Mursi weitergeführt wurden und die Verarmung und Verelendung breiter Bevölkerungsteile verstärkten.

Die Rolle der Streitkräfte: Erhielten sie »grünes Licht« aus dem Pentagon?

In den Medien wird die Haltung der Streitkräfte weitgehend so beschrieben, dass sie die Protestbewegung »unterstützten«, ohne dabei allerdings auf die engen Beziehungen zwischen den führenden Personen des Putsches und ihren amerikanischen »Kollegen« einzugehen.

Dass Teile der Protestbewegung die Armee aufforderten, den Sturz Mursis zu »unterstützen«, ist ein offensichtliches Täuschungsmanöver: Diese Forderung wurde aus den städtischen Zentren Ägyptens, seinen Großstädten bis hin zu kleineren Städten und Gemeinden an die Armee herangetragen. Die Streitkräfte verstanden diese Botschaft und die dahinterstehenden Absichten, waren sich ihrer Notwendigkeit bewusst und näherten sich eingedenk der von ihnen empfundenen Hoffnung und Entschlossenheit und vor dem Hintergrund ihrer Dienstpflicht, ihrer Verantwortung und ihres Ehrbegriffs immer mehr dem »Volkswillen« an, so der allgemeine Tenor der Berichterstattung.

Wie allerdings bekannt und dokumentiert ist, wurde die Protestbewegung unterwandert. Teile der Opposition gegen die Muslimbrüder-Regierung wurden von den amerikanischen Organisationen "National Endowment for Democracy" (NED) und "Freedom House" unterstützt. Die zivilgesellschaftliche Basisbewegung "Kifaja" (»Bewegung für Veränderung«) wird vom International Center for Non-Violent Conflict (»Internationales Zentrum für gewaltlosen Konflikt«) mit Sitz in den USA gefördert.

Die ägyptische Armee soll aber keineswegs die zivilgesellschaftlichen Basisbewegungen schützen - eher das Gegenteil: Ihre Aufgabe ist es, im Sinne amerikanischer Interessen die Protestbewegung zu manipulieren und Streitigkeiten zu schüren.

Machen wir uns doch nichts vor: Auch wenn es wichtige Divisionen innerhalb des Militärs gibt, so empfängt die oberste Führungsriege der ägyptischen Streitkräfte ihre Befehle immer noch aus Washington.

Verteidigungsminister General Abdul Fattah al-Sisi, der den Putsch gegen Präsident Mursi anzettelte, absolvierte die amerikanische Militärakademie in Carlisle im US-Bundesstaat Pennsylvania. General al-Sisi stand seit Beginn der Massenproteste in engem telefonischem Kontakt mit dem amerikanischen Verteidigungsminister Chuck Hagel. Medienberichte bestätigen, dass er in den Tagen vor der Entmachtung Mursis mehrfach täglich mit Hagel telefonierte. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass General al-Sisi eigenmächtig ohne »grünes Licht« aus dem Pentagon gehandelt hat.