In der Diskussion über die Krise in Griechenland und Zypern und den derzeitigen Krieg über die Zukunft Syriens kommt ein Aspekt so gut wie nie zur Sprache, nämlich die Rolle Israels und der Ehrgeiz des Landes, sich zum Global Player in der Energie-Geopolitik aufzuschwingen.
Bild
© Steven Blandin / Shutterstock
Als 2011 im israelischen Seegebiet riesige Erdgasvorkommen entdeckt wurden, begann ein neues Kapitel in der israelischen Außenpolitik - mit potenziell tödlichen Folgen für einige Nachbarstaaten. Im April dieses Jahres nahm Israel die Erdgasproduktion vom Offshore-Feld Tamar auf. Abgesehen von einer vertraglich vereinbarten Lieferung an die russische Gazprom ist dieses Gas offenbar zum größten Teil für die heimische Industrie in Israel bestimmt.

Der neue Leviathan

Der wirkliche Weichensteller war jedoch die Entdeckung eines riesigen Erdgasfeldes vor der Küste Israels im Jahr 2010, im Levantinischen Becken, wie die Geologen sagen. Im Oktober 2010 entdeckte Israel vor der Küste ein »Super-Giant«-Gasfeld, und zwar in dem Gebiet, das Israel zu seiner »Exklusiven Wirtschaftszone« (EEZ) erklärt hat.

Das Feld liegt gut 130 km westlich der Hafenstadt Haifa in einer Tiefe von knapp fünf Kilometern. Es wurde nach dem biblischen Ungeheuer auf den Namen »Leviathan« getauft. In Kooperation mit Noble Energy aus Houston, Texas, meldeten drei israelische Energieunternehmen, nach ersten Schätzungen enthalte das Feld rund 450 Milliarden Kubikmeter Gas. Damit ist es die größte Entdeckung eines Unterwasser-Gasfelds in zehn Jahren und zudem ein weiterer Beweis für die Hinfälligkeit aller »Peak-Oil«-Theorien, wonach der Erde angeblich eine drastische und permanente Knappheit an Öl, Gas und Kohle droht. Um eine Vorstellung von der Größenordnung zu bekommen: Dieses eine Gasfeld, Leviathan, enthält genügend Gas, um Israels Bedarf für 100 Jahre zu decken.


Energie-Autarkie hatte es für Israel seit der Staatsgründung 1948 nicht gegeben. Wiederholt, doch stets ohne Erfolg, war mit großem Aufwand nach Öl und Gas gesucht worden. Anders als die ölreichen arabischen Nachbarländer schien Israel kein Glück beschieden zu sein. Dann entdeckte Israels texanischer Explorationspartner Noble Energy im Jahr 2009 das Tamar-Feld im Levantinischen Becken ungefähr 80 km westlich der israelischen Hafenstadt Haifa mit geschätzten 250 Milliarden Kubikmetern Gas von bester Qualität. Tamar war das weltweit größte Erdgasfeld, das 2009 entdeckt wurde.
Bild
© Noble EnergyIn Zusammenarbeit mit Noble Energy entdeckte Israel im Levantinischen Becken ein riesiges Ölfeld.
Damals wurden die Gesamt-Erdgasreserven Israels auf nur rund 150 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Offiziell ging man davon aus, dass das einzige von Israel ausgebeutete Feld, das Yam Tethys, das rund 70 Prozent des in Israel verbrauchten Erdgases liefert, in drei Jahren erschöpftsein würde.

Mit Tamar besserten sich die Aussichten gewaltig. Und dann, nur ein Jahr nach Tamar, gelang demselben Konsortium unter Führung von Noble Energy die größte Entdeckung in der jahrzehntelangen Geschichte der Erkundung im Levantinischen Becken: Das Leviathan-Feld. Nach gegenwärtigen Schätzungen enthält es mindestens 500 Milliarden Kubikmeter Gas. Tamar und Leviathan sind die größten Unterwasser-Erdgasfelder, die in den letzten zehn Jahren auf der ganzen Welt entdeckt wurden. Der Gashunger in Israel schlug innerhalb weniger Monate in ein wahres Festmahl um.

Zypern und Griechenland: Hat Israel die Hand im Spiel?

Die Entdeckung großer Gasvorkommen in Israels Exklusiver Wirtschaftszone vor der Küste ist nur der erste Akt eines wahren Energie-Dramas um große unerschlossene Vorkommen vor den Küsten Zyperns und Griechenlands (siehe Karte).
Bild
© UnbekanntZusammen mit Noble Energy beherrschen israelische Unternehmen die Entwicklung der Gasvorkommen vor Zypern, sie geben auch in Gesprächen mit Griechenland den Ton an
Gemeinsam mit demselben israelischen Joint-Venture-Partnerunternehmen, das für Israel das Leviathan-Feld entwickelt - die Delek Group des israelischen Milliardärs Jitzchak Tschuwa - hält Noble Energy auch die Lizenzen für die Gasexploration vor Zypern in der Hand. Das Joint Venture, das zu 64 Prozent im Besitz von Israel und zu 36 Prozent von Noble Energy aus Texas ist, hat soeben eine Absichtserklärung mit der neuen Regierung von Zypern unterzeichnet, wonach Gespräche über den Bau eines zehn Milliarden Dollar teuren Flüssiggas-Terminals auf Zypern für die großen Erdgasvorkommen auf dem Grund des östlichen Mittelmeers aufgenommen werden.

Die Unterzeichnung dieses Erdgasvertrags mit Israel und Noble Energy ist definitiv durch die seltsame Entwicklung der jüngsten Bankenkrise und die drastische politische Wende Ende Dezember auf Zypern erleichtert worden. Zyperns alter Präsident Dimitris Christofias war Kommunist mit guten Beziehungen zu Putin und der Gazprom. Er wurde nach mehreren verdächtigen Skandalen abgewählt; sein Nachfolger war Nikos Anastasiadis, ein Konservativer mit Verbindungen zu Merkels CDU. Außerdem hatte die dann ausbrechende Bankenkrise mit der beispiellosen Forderung von EU und IWF, Einleger müssten für den Bail-out der Banken geradestehen, Berichten zufolge zum Ziel, große russische Guthaben und Firmen aus Zypern zu vertreiben.

Eine weitere Option wäre eine Wiederannäherung zwischen Zypern und der Türkei, durch welche der türkische und griechische Teil wieder vereint würden und eine Gaspipeline von Zypern in die Türkei gebaut werden könnte. Das käme ungefähr 15 Milliarden Dollar billiger als die Flüssiggas-Option.

Auf jeden Fall steht Israel jetzt - mit oder ohne Mithilfe der Türkei - dicht davor, Gazprom einen großen Teil des riesigen zukünftigen Marktes für Erdgas in der EU streitig zu machen. Der zweite Abschnitt des Weges des Gases von Leviathan zur EU läuft über Griechenland, ebenfalls ein Land, das sich in großen Schwierigkeiten befindet infolge der Forderungen der Regierung Merkel und des IWF, der wiederum unter der Kontrolle des US-Finanzministeriums steht.

Bereits im August 2010, als das Volumen des israelischen Leviathan-Feldes erkennbar wurde, traf sich Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mit dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou zu Gesprächen über mögliche israelische Gasexporte nach Europa, bei denen Griechenland als Transitland fungieren würde. Israelischen Medienberichten zufolge zeigte Netanjahu Interesse am Bau einer unterseeischen Pipeline nach Griechenland.

In aller Stille könnte sich eine größere geopolitische Konfrontation zwischen Netanjahus Israel und Putins Russland anbahnen, da Israel eindeutige Schritte unternimmt, um Russland den Rang als wichtigster Erdgaslieferant für Südeuropa über die von der Gazprom vorgeschlagene Pipeline "South Stream" streitig zu machen. Auch die israelisch-russische Konfrontation über die Zukunft Syriens steht mit dieser Machtprobe in Verbindung, denn Syriens Baschar al-Assad hat im März 2011 mit dem Iran und dem Irak ein Abkommen über eine Gaspipeline unterzeichnet, genau zu der Zeit, als die NATO, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und etwas weniger offen auch Israel die volle Attacke auf Assads Macht in Syrien vorbereiteten. Ein völliges Chaos in Syrien würde die Hoffnung auf die iranisch-syrische Pipeline de facto zunichte machen und damit einen weiteren Konkurrenten für Israels energie-geopolitische Ambitionen aus dem Weg räumen. Das Thema wird uns noch weiter beschäftigen.