Bevor das Christentum Staatsreligion wurde, durften die Bürger frei entscheiden, wen sie anbeteten: die eigenen Gottheiten, himmlische Herrscher aus Ägypten oder Jesus.

mithras stier
© unbekanntMithras bei der Stiertötung auf einem Relief aus dem 2./3. Jahrhundert.

Iris
© Veit-Mario ThiedeDie ägyptische Göttin Iris als Marmorstatue aus dem Isis-Tempel in Pompeji, geschaffen im 2./1. vorchristlichen Jahrhundert.
Im Römischen Reich durfte über viele Jahrhunderte jeder nach seiner Fasson selig werden. Mit der Ausweitung des Imperiums entwickelte sich ein buntes Nebeneinander von Göttern und Kulten. Insbesondere Gottheiten aus dem Osten verbreiteten sich reichsweit. Diesem Phänomen ist erstmals eine Schau gewidmet. Im Karlsruher Schloss sind rund 300 erlesene Objekte ausgestellt. Zum Auftakt stellen qualitätvoll gearbeitete Bronzestatuetten (Pompeji, 1. Jh.) die „Kapitolinische Trias“ vor: den Göttervater Jupiter, die Göttermutter Juno und Minerva, die Göttin der Weisheit, Kunst und Kriegsführung. Dieses staatstragende Trio musste von allen Einwohnern des Römischen Reiches verehrt werden. Ansonsten aber herrschte Wahlfreiheit: Jeder konnte sich seine Lieblingsgottheiten aussuchen.Eunuchen als Priester

Eine Statuette aus Ton (Athen, 4. Jh. v. Chr.) stellt die thronende „Große Mutter“ - „Mater Magna“ - dar. Sie galt den Römern als Retterin des Staates. Als der im Zweiten Punischen Krieg durch Hannibal in arge Bedrängnis geriet, zog eine senatorische Delegation ins kleinasiatische Pessinus, um von dort einen faustgroßen Meteoriten, der die auch als „Kybele“ bekannte Mater Magna verkörperte, nach Rom zu importieren. Der Meteorit wurde in eine Statue eingearbeitet. Rom gewann den Zweiten Punischen Krieg - und zu Ehren der rettenden Gottheit wurden alljährlich Feierlichkeiten abgehalten. Bei denen versetzten sich Eunuchenpriester, die geschminkt waren und blond gefärbte lange Haare trugen, zu ekstatischer Musik in euphorische Raserei.

Das taten sie zu Ehren des „Attis“, des Kultgefährten der Mater Magna. Den hatte ein tragisches Schicksal ereilt, weil er der Göttin untreu geworden war. Die raubte ihm daraufhin den Verstand, so dass er sich unter eine Pinie setzte, sich entmannte und verblutete. Sein trauriges Ende zeigt ein Weihrelief (Ostia, 2. Jh.). Ausstellungskuratorin Susanne Erbelding erläutert, dass Attis, der die Erde mit seinem Blut tränkt, den von der Großen Mutter dirigierten ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen versinnbildlicht. Mit ihrem eng anliegenden, durchscheinenden Gewand zieht die Marmorstatue der „Isis“ (Pompeji, 2. - 1. Jh. v. Chr.) die Blicke auf sich. Der Kult der ursprünglich ägyptischen Göttin, die in Hymnen und Litaneien als „Allmutter Natur, erstgeborenes Kind der Zeit“ verehrt wurde, breitete sich im ganzen Reich aus.

Ein in seiner „Lebensechtheit“ unheimlich wirkendes Fresko (Herculaneum, vor 79 n. Chr.) zeigt eine Szene aus dem Isis-Kult: Die Verehrung des heiligen Wassers. Vor einem Tempeltor stehen eine Priesterin und zwei Priester, die die Gottheiten Isis, Osiris und Anubis verkörpern. Rechts und links haben sich Chöre und Musikanten versammelt, während im Vordergrund auf einem Altar ein Opfer dargebracht wird. Reine Männersache war der Mithras-Kult. Er wurde von Gemeinschaften zelebriert, die nicht mehr als 30 bis 50 Mitglieder hatten. Die Aufnahme war durch Initiationsriten geregelt. Da diese geheim bleiben sollten, wird die Verehrung des Mithras den Mysterienkulten zugerechnet.

Es gab eine strenge Hierarchie von sieben Weihegraden. Die Initiationsriten bestanden aus schaurigen, Todesangst hervorrufenden Prüfungen, „bei denen der Einzuweihende seine Standfestigkeit und Loyalität gegenüber seinem Gott unter Beweis stellen musste“, wie Darius Frackowiak in seinem Katalogaufsatz berichtet.

Feste und Erlösung

Die aus Marmor geschlagene „Skulpturengruppe der Stiertötung“ (Rom, 2./3. Jh.) stellt die zentrale Heilstat des Mithras dar. Der mit einer phrygischen Mütze (Zipfelmütze) und langer Hose nach römischem Verständnis wie ein „Orientale“ gekleidete Gott hat den Stier beim Maul gepackt und tötet ihn mit dem Dolch. Ein Hund und eine Schlange machen sich über die Wunde her, ein Skorpion sitzt an den Hoden des Stiers, während aus dessen Schweif Getreideähren sprießen. Mithras wurde also als Initiator des Kreislaufs von Werden und Vergehen verehrt. Nach der Stiertötung zelebrierte Mithras ein Kultmahl. Dieses mythische Mahl vollzogen die Kultanhänger als ausgelassenes Fest nach.

Wunder des Herrn

Das letzte Kapitel der Karlsruher Schau widmet sich dem antiken Christentum. In ihm war noch nicht von Hölle und ewiger Verdammnis die Rede. Allein der Erlösungsgedanke stand im Blickpunkt, wie Ausstellungskuratorin Susanne Erbelding betont. Aus der Zeit der ältesten christlichen Gräber Roms stammt das Oberteil einer Grabstele (Ende 2. - 1. Hälfte 3. Jh.), in die zwei Fische als Christussymbol und ein Anker geritzt sind. Er steht für die in der Seele des Gläubigen festgemachte Erlösungshoffnung. Eine Glasschale (Trier, Mitte 4. Jh.) zeigt Abraham als Vorbild im Glauben. Denn im letzten Moment verhindert Gott, dessen Arm aus dem Himmel ragt, dass Abraham seinen Sohn Isaak opfert.

Einen Ausstellungshöhepunkt ergeben schließlich die Reliefs eines Marmorsarkophags (Rom, Ende 3. - Anfang 4. Jh.). Sie zeigen Wunder, die Jesus vollbracht hat, etwa die Heilung der verkrümmten Frau und die eines Blinden. In einer Lehrszene ist der in der Art spätantiker Kaiserdarstellungen thronende Christus mit erhobener rechter Hand seinen Zuhörern zugewandt. Die kunstvollen Sarkophagreliefs stammen aus der Zeit der offiziellen Anerkennung der christlichen Religion durch Kaiser Konstantin (er regierte 306 - 337), deren Anhänger zuvor wiederholt staatlicher Verfolgung ausgesetzt waren. Anno 312 gewährte Konstantin allen Bewohnern des Römischen Imperiums Religionsfreiheit. Mit der war es vorbei, als Kaiser Theodosius (er regierte 379 - 395) im Jahre 380 das Christentum für alle Bewohner - mit Ausnahme der Juden - zur verbindlichen Religion erklärte.

„Jetzt begann das Zeitalter der religiösen Uniformierung und des Glaubenszwangs“, wie Klaus Martin Girardet im Katalog schreibt.

Bis 18.5.2014 im Badisches Landesmuseum, Schlossbezirk, Karlsruhe Bis 18. Mai 2014, Di - So und Fei 10 - 18 Uhr. 24., 25., 31. Dezember sowie 1. Januar und 4. März geschlossen. Eintritt 8 Euro, Katalog 29,50 Euro. Telefon (0721) 92 66 514.
Internet www.landesmuseum.de