Patient
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Wachkomapatienten sind wach, atmen selbstständig, schlafen ein und wachen auf - aber sie reagieren offenbar in keinster Weise auf ihr Umfeld und zeigen keine Anzeichen für ein waches Bewusstsein. Ohne die Möglichkeit der Kommunikation stellt sich besonders für Freunde und Angehörige immer wieder die Frage, ob die Patienten überhaupt ihre Anwesenheit wahrnehmen. Mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) sind israelische Wissenschaftler dieser Frage nun auf den Grund gegangen und können zeigen, dass die Patienten angesichts von Fotos ihrer Lieben tatsächlich emotionale Hirnaktivität aufweisen, die jener gesunder Personen gleicht.

Tel Aviv (Israel) - Wie die Forscher um Dr. Haggai Sharon und Dr. Yotam Pasternak von der Tel Aviv University und vom Tel Aviv Sourasky Medical Center aktuell im Fachjournal PLoS One (DOI: 10.1371/journal.pone.0074711) berichten, zeigen die fMRT-Scans von Wachkomapatienten im Angesicht von Fotos ihrer Freunde und Angehörigen, emotionale Reaktionen ganz so, als würden sie diese erkennen.

"Wir können zeigen, dass Wachkomapatienten auf unterschiedliche Art und Weise auf unterschiedliche Stimuli in ihrer Umgebung und abhängig von deren emotionalem Wert reagieren", so Sharon.

Diese Reaktionen seien keine generische Reaktion, sondern Reaktionen mit persönlichem und autobiografischem Bezug. "Wir sind uns sicher, dass wir das Individuum im Innern dieser Patienten erreicht haben."

Damit widersprechen die neuen Erkenntnisse der jahrzehntelang gehegten Lehrmeinung, dass Patienten im Wachkoma kein Bewusstsein für sich selbst und/oder ihre Umgebung besäßen. Erst seit wenigen Jahren zeigen Experimente mit diesen Menschen, dass einige Patienten sogar komplexe kognitive Aufgaben meistern können - sich etwa auf Kommando physische Aktivität wie Sport vorstellen oder sogar Ja-Nein-Fragen beantworten können. Allerdings waren derartig spektakuläre Fälle eher selten und werden von vielen Medizinern bis heute als Fehldiagnosen abgetan.

In den aktuellen Untersuchungen zeigten Langzeit-Wachkomapatienten immer dann neurologische Reaktionen in für die Gesichtserkennung verantwortlichen Hirnregionen, wenn ihnen Fotos von ihnen bekannten und unbekannten Personen gezeigt wurden. Für die Wissenschaftler ist dies ein klares Anzeichen dafür, dass den Patienten klar war, dass sie Gesichter vor sich hatten.

Angesichts von Fotos von Personen, die den Patienten nahe standen, zeigte sich zusätzlich Aktivität in Hirnregionen, die besondere Bedeutung für Emotionen und autobiografische Informationen aufweisen. Mit anderen Worten: Die Patienten reagierten auf die Fotos mit der Aktivierung von Hirnzentren, wie dies auch bei nicht komatösen Personen zu erwarten wäre.

Allerdings konnten die Wissenschaftler nicht sagen, ob die Patienten selbst wiederum sich dieser Emotionen auch bewusst waren oder ob es sich "nur" um spontane Reaktionen handelte. Um diese Frage zu ergründen, sprachen die Forscher die untersuchten Patienten verbal an und baten sie, sich beispielsweise die Gesichter ihrer Eltern vorzustellen.

Erstaunlicherweise zeigte etwa eine 60-jährige Kindergartenerzieherin auch hierbei komplexe Hirnaktivitäten in den für Gesichtserkennung und Emotionen spezifischen Regionen, die denen gleichen, wie sie angesichts der Fotos zu beobachten waren und wie sie auch bei gesunden Menschen zu erwarten sind. Ein anderer - 23-jähriger - Patient zeigte hingegen nur Aktivitäten in den Emotions-Regionen. In beiden Fällen erwachten die Patienten innerhalb von zwei Monaten nach den Tests aus ihrem Wachkoma - hatten selbst jedoch keine Erinnerung an ihren Komazustand.

"Dieses Experiment war das erste seiner Art und zeigt, dass zumindest einige Wachkomapatienten nicht nur über ein emotionales Bewusstsein ihres Umfelds zu verfügen scheinen sondern auch ein emotionales Bewusstsein, angetrieben durch innere Prozesse (wie das Vorstellen und Betrachten von Bildern) selbst erfahren", so Sharon abschließend.


Quelle: aftau.org