sonnensystem
© unbekanntBislang sind mehr als 620.000 Asteroiden im Sonnensystem bekannt. Sie konzentrieren sich zwischen Mars und Jupiter
Fast kein Planet unseres Sonnensystems ist entstanden, wo er heute seine Bahnen zieht. Bei der Wanderung durchs All schleuderten die Planeten alles durcheinander - so entstand der Asteroiden-Gürtel.

Zwischen den Planeten Mars und Jupiter, da liegt so eine Art Rumpelkammer unseres Sonnensystems. Genau an der Stelle, an der sich mittels der sogenannten Titius-Boden-Reihe mathematisch die Existenz eines Planeten vorhersagen lässt, gibt es eben keinen Planeten - sondern nur Stückware. Etwa eine halbe Million Gesteinsbrocken ziehen dort ihre Bahnen um die Sonne.

Und weil die Entfernung dieses Asteroidengürtels von der Sonne eben genau der theoretischen Position eines weiteren Planeten entspricht, glaubten Astronomen eine Zeit lang, diese Trümmerteile seien die Überreste eines neunten Planeten, der - warum auch immer - dort explodiert ist, dort zermalmt wurde oder sich sonst irgendwie in seine Bestandteile aufgelöst hat.

Doch selbst all diese rund 600.000 Bestandteile zusammengenommen, kämen zu einem einzigen Objekt zusammengefügt, nur auf etwa vier Prozent der Masse des Erd-Mondes. Für einen postulierten früheren Planeten "Phaeton" wäre das allerdings viel zu wenig. Und so konzentrieren sich die Astronomen mittlerweile vielmehr auf das, was der Asteroidengürtel ist: eine Ansammlung aus Gesteinsbrocken, die auch als solche entstanden ist und womöglich nie Teil eines größeren, zusammenhängenden Objekts war.

Gab es gar keinen neunten Planeten?

Demnach wären die meist unregelmäßig geformten Felsstücke Überbleibsel der protoplanetaren Scheibe - jener Ansammlung aus Gas und Staub, aus der vor 4,5 Milliarden Jahren das Sonnensystem entstanden ist, mit dem Gasball Sonne im Zentrum und den acht Planeten drum herum. Die Anziehungskräfte von Mars auf der inneren und vom Riesenplaneten Jupiter auf der äußeren Bahn hätten die Trümmer bis heute daran gehindert, sich zu einem einzigen Himmelskörper zusammenzufinden.

Das amerikanische Wissenschaftsmagazin Nature berichtet von Erkenntnissen eines europäisch-amerikanischen Astronomenteams, das den Aufbau des Asteroidengürtels nun genauer untersucht hat. Ausgangspunkt seiner Beobachtungen war die Frage, warum solche Asteroiden, die eigentlich im inneren Planetensystem, näher an der Sonne also, entstanden sein müssten, sich auch weiter außerhalb finden und umgekehrt. Offenbar sind viele, wenn nicht sogar alle Asteroiden keinesfalls dort entstanden, wo wir sie heute beobachten.

Dies stellten die Wissenschaftler in einen Gesamtzusammenhang: Auch viele Planeten nämlich sind nicht dort entstanden, wo sie heute ihre Bahnen ziehen. Schon seit längerem gilt die Hypothese, dass der Gasriese Jupiter eigentlich viel näher an der Sonne entstanden sein muss. Beobachtungen von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems bestärken diese Theorie: So gut wie immer entdecken Astronomen sogenannte Hot Jupiters, die sich nahe an ihrem Stern befinden. Die Schlussfolgerung für unseren Jupiter: Er wäre demnach hin- und hergewandert.

Uranus und Neptun tauschten die Plätze

Und es kommt noch skurriler: Zwei weitere Gasplaneten, Uranus und Neptun nämlich, haben während der ersten Milliarden Jahre unseres Sonnensystems ihre Positionen komplett getauscht. Sie müssen sich irgendwann so nahe gekommen sein, dass sie sich gegenseitig nach außen beziehungsweise nach innen geschleudert haben. Und genau diese Turbulenzen, diese Schwerkraftveränderungen in der Mitte unseres Sonnensystems, sind nach Ansicht der Forscher aus Frankreich und den USA auch für den chaotischen Aufbau des Asteroidengürtels verantwortlich.

Jedes Mal wenn ein riesiger, massereicher Planet mit seinem Schwerkrafteinfluss durch den ursprünglichen Asteroidengürtel gewandert ist, hat er einen Großteil seiner Objekte umhergewirbelt, nach außen oder nach innen geschleudert, ähnlich einer Schneekugel, die geschüttelt wird. So finden sich beispielsweise Vertreter der Asteroidenklasse, die irgendwann einmal fast bis zum Schmelzen erhitzt worden sein müssen, in Entfernungen von der Sonne, die solch eine Hitzezufuhr eigentlich unmöglich machen.

Kurioserweise findet sich im inneren Bereich des Asteroidengürtels nur weniger als die Hälfte all dieser rötlich gefärbten Asteroiden. Umgekehrt lassen sich sogenannte Trojaner - kalte Brocken, die normalerweise mit den äußeren Planeten gemeinsam auf deren Umlaufbahnen um die Sonne kreisen - auch im äußeren Sonnensystem nachweisen, wo sie nicht hingehören.

Die Asteroiden werden unaufhörlich kleiner

Bei einer Durchwanderung dieser Zone - von außen nach innen - hätte Jupiter den ursprünglichen Asteroidengürtel quasi leergefegt und die vormals sonnennahen, heißen Asteroiden ins äußere Sonnensystem geschleudert. Wanderte Jupiter dann wieder nach außen, wären durch seine immense Anziehungskraft kalte Trojaner aus dem äußeren Sonnensystem Richtung Asteroidengürtel gezogen worden. Auch Saturn, Uranus und Neptun hätten ihren Beitrag zu dieser chaotischen Masseverteilung genau in der Mitte des Sonnensystems geleistet.

Die Evolution des Asteroidengürtels ist heutzutage keinesfalls zum Stillstand gekommen. Die einzelnen Gesteinsbrocken stoßen unaufhörlich zusammen, wobei immer kleinere Trümmer entstehen. Unterschreiten sie einen Durchmesser von 40 Kilometer, unterliegen sie so etwas wie kosmischer Erosion: Der ständige Wechsel zwischen Sonnenhitze und Kälte auf der sonnenabgewandten Seite sorgen für Bahnveränderungen der Objekte. Sie schaukeln sich so lange hoch, bis der Himmelskörper aus dem Asteroidengürtel herausfliegt.

Das führt dazu, dass mit der Zeit immer weniger Asteroiden aus der Entstehungszeit des Sonnensystems im Gürtel übrig bleiben. Gerade sie jedoch sind wissenschaftlich interessant. Denn unter ihrer Oberfläche vermuten Astronomen Hinweise auf die Zusammensetzung des Sonnensystems kurz nach seiner Entstehung. Solche Fossile des Planetensystems ziehen seit mehr als vier Milliarden Jahren ihre Bahnen und kommen dabei mit keiner anderen Materie in Berührung. Sie konservieren in sich daher den Urzustand des Sonnensystems.

Ceres ist der größte Gesteinsbrocken

Derzeit ist die amerikanische Raumsonde "Dawn" unterwegs im Asteroidengürtel - mit dem Ziel Ceres. Ceres ist der mit fast 1000 Kilometer Durchmesser größte Himmelskörper im Asteroidengürtel - und der einzige kugelförmige, weswegen er als Kleinplanet geführt wird. "Ceres ist für uns so interessant, weil er den eisbedeckten Monden der Gasplaneten im äußeren Sonnensystem ähnelt", erklärt Jennifer Rocca, Flugdirektorin für die Mission bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA.

Genau wie beispielsweise der Jupiter-Mond Europa habe wahrscheinlich auch Ceres einen flüssigen Ozean unter seinem Eispanzer, so die US-Wissenschaftlerin. Messungen haben Hinweise auf einen fast 100 Kilometer dicken Ozean ergeben. Dies wäre mehr Süßwasser als auf dem gesamten Planeten Erde. Mit dem europäischen Himmelsfernrohr "Herschel" konnten Astronomen inzwischen sogar Geysire nachweisen. Sie bilden sich, wenn das Eis auf oder unter der Oberfläche sich erwärmt und dann sofort in einen gasförmigen Zustand übergeht, in Wasserdampf also.

Im Wasser gelöstes Ammoniak dürfte dafür sorgen, dass der Gefrierpunkt des Wassers auf bis zu - 100 Grad Celsius heruntergesetzt wird, es also länger flüssig bleibt. Die geringe Dichte von Ceres und das Vorhandensein von Ammoniak rücken ihn eher in die Nähe anderer Kleinplaneten am Rande des Sonnensystems. Die übrigen Gesteinsbrocken im Asteroidengürtel verfügen über einen anderen Aufbau; Objekte im Kuiper-Gürtel jedoch - wie Pluto - sind ähnlich zusammengesetzt wie Ceres. Es spricht also einiges dafür, dass selbst der größte aller Asteroiden, der Kleinplanet Ceres, von außen ins innere Sonnensystem gewandert ist.