baby spielzeug
© picture alliance / blickwinkel/fViele alltägliche Chemikalien, etwa in der Kleidung, wurden nie darauf getestet, ob sie die Hirnentwicklung von Kleinkindern beeinträchtigen können
Zahlreiche auf dem Markt befindliche Chemikalien in Kleidern, Möbeln oder Spielzeug wurden nie ausreichend getestet. 214 Stoffe können laut Experten Entwicklungsstörungen bei Kleinkindern verursachen.

Zum Schutz von Kindern vor Umweltgiften fordern zwei führende Experten strengere Auflagen an die Industrie. Man müsse insbesondere Kleinkinder vor der "lautlosen Epidemie" von Hirnentwicklungsstörungen bewahren, mahnen Philippe Grandjeanvon der University of Southern Denmark in Odense und Philip Landrigan vom Mount Sinai Medical Center in New York.

Mindestens zwölf Chemikalien könnten nachweislich solche Entwicklungsstörungen verursachen, schreiben sie in der Zeitschrift The Lancet Neurology. 214 Stoffe, die bislang nicht reguliert seien, könnten das menschliche Gehirn schädigen. Viele davon könne man in Kleidern, Möbeln oder Spielzeug finden.

Störungen der Hirnentwicklung wie Autismus, Dyslexie, Zerebralparese oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betreffen den Experten zufolge jedes sechste Kind weltweit. Es gebe immer mehr Hinweise darauf, dass Stoffe wie Quecksilber, Blei, diverse Lösungsmittel und vor allem Pestizide das Risiko erhöhen - und dies sei möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs.

Die meisten Chemikalien wurden nie geprüft

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit würden mehr Stoffe wie Nervengifte wirken, als bisher bekannt sei. "Die riesige Mehrheit der mehr als 80.000 Industriechemikalien, die in den USA viel genutzt werden, wurde nie auf giftige Effekte auf den sich entwickelnden Fötus oder das Kind geprüft", betonen sie.

"Die derzeitigen Verordnungen zu Chemikalien sind kläglich unangemessen, um Kinder zu schützen, deren sich entwickelnde Gehirne besonders verletzlich auf giftige Umweltchemikalien reagieren", wird Grandjean in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert. Freiwillige Kontrollen seien ungenügend.

"Die einzige Möglichkeit, die Kontamination mit Giftstoffen zu verringern, ist, sicherzustellen, dass existierende und neue Chemikalien auf Neurotoxizität getestet werden, bevor sie auf den Markt kommen", sagt Landrigan. Hersteller sollten künftig ihre Produkte auf Sicherheit testen und nachweisen müssen, dass ihre Substanzen unbedenklich seien - ähnlich, wie dies bereits bei Medikamenten üblich sei.

Eine internationale Behörde solle diese Maßnahmen koordinieren. "Unsere sehr große Sorge ist, dass Kinder weltweit unerkannten giftigen Chemikalien ausgesetzt werden, die lautlos Intelligenz aushöhlen, Verhalten stören, spätere Erfolge unterbinden und Gesellschaften schädigen, am schwersten in Entwicklungsländern."