nordkoreanischen Straflager
© EPA/AMNESTY INTERNATIONALEin Satellitenbild des gefürchteten nordkoreanischen Straflagers Nummer 16. Das Leiden Festgenommener beginnt schon vorher
Hunger, Schwerstarbeit, Folter - in nordkoreanischen Straflagern werden Häftlinge nicht mehr als Menschen behandelt. Das Grauen beginnt beim Verhör, wie ein UN-Report offenbart: Festgenommene werden grausam gefoltert, damit sie gestehen. Teil eins einer Serie über schockierende Berichte geflohener Nordkoreaner.

Kim Song-Ju war nach China geflüchtet - und musste nach Nordkorea zurückkehren. Als erstes landete er in einem Befragungszentrum in Musan in der nördlichen Provinz Hamgyŏng-pukto, wo er in ein unterirdisches Gefängnis gesperrt wurde, das einer „Höhle“ glich. Für weitere Verhöre wurde er in einen Arrest umgesiedelt. Dort musste er auf Knien in eine Zelle kriechen, die er sich mit 40 weiteren Häftlingen teilte - der Eingang war nur 80 Zentimeter hoch. Das Wachpersonal verriet ihm, warum: Er sei ab jetzt kein Mensch mehr, nur noch ein Tier, deshalb müsse er wie ein Tier kriechen.

Wer einmal in die Mühle der nordkoreanischen Ermittler gerät, dessen Rechte werden mit Füßen getreten. In politischen Straflagern müssen Inhaftierte 14 Stunden am Tag Schwerstarbeit leisten und bekommen Hungerrationen. Manchmal haben sie nur Gräser, Wurzeln und Ratten zu essen. Tod durch Erschöpfung ist keine Seltenheit.

Schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Schon in der Vergangenheit haben vereinzelt Flüchtlinge Horrorszenarien aus Gefangenenlagern geschildert. Die Vereinten Nationen haben nun einen umfassenden Bericht über das Unterdrückungssystem verfasst. Dazu wertete eine Kommission ein Jahr lang rund 240 Anhörungen und vertrauliche Interviews von mehr als 80 Flüchtlingen aus Nordkorea - darunter auch frühere Staatssicherheitsmitarbeiter - und anderen Zeugen aus. Die UN kommen zu dem Ergebnis, dass Nordkoreas Führung wegen schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf die Anklagebank gehört.

Weniger als ein Fünftel der festgenommenen Nordkoreaner erfährt bei der Inhaftierung, was ihnen zur Last gelegt wird. Viele werden niemals von offizieller Seite aufgeklärt. Sie können Opfer von Sippenhaft sein oder zum falschen Zeitpunkt gelacht haben. Vielleicht wurden sie auch fälschlicherweise denunziert oder ihnen unterlief ein folgenschwerer Fehler wie im Fall von Jang Hae-sung: Weil er in einem Report den Namen des Staatengründers Kim Il Sung falsch geschrieben hatte, wurde er sechs Monate lang in ein so genanntes Trainingscamp geschickt. Ein schweres Vergehen ist es bereits, südkoreanische DVDs zu besitzen oder zu schmuggeln. Dies kann zum Tode führen - beim Strafmaß spielt unter anderem die Stellung der Familie eine Rolle.

Inhaftierte werden in Folterkammern gequält

Es gibt Hunderte Lager mit unterschiedlichen Zwecken und unterschiedlichen Härtegraden. Manche dienen schlicht als Internierungslager, in denen Verdächtige verhört werden. Spätestens hier beginnt das Leid: Die Menschen werden brutal gefoltert, bis sie die Vorwürfe gestehen.

In den Befragungslagern gibt es Folterkammern, wie unter anderem ein früherer Agent der Staatssicherheit SSD schildert. Sie sind demzufolge ausgestattet mit einem Wassertank, in die Verdächtige getaucht werden. An Eisenketten an den Wänden können sie kopfüber gehängt werden. Es gibt verschiedene Folterinstrumente: etwa um Fingernägel auszureißen oder um Pfefferlösungen in die Nase von Inhaftierten zu gießen.

Eine Koreanerin musste stundenlang in einem Tank mit kaltem Wasser stehen, das ihr bis über die Nasenspitze reichte. Luft bekam sie nur, wenn sie sich auf Zehenspitzen stellte. In ständiger Angst zu ertrinken, wurde sie panisch. Ihr angebliches Vergehen: Sie soll ihren christlichen Glauben praktiziert haben. Dabei ist anzumerken, dass laut Verfassung das Christentum zugelassen ist, im Alltag werden Christen in Nordkorea allerdings verfolgt.

Eine weitere Foltermethode schilderte ein früherer Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums: Opfer werden in einen kleinen Eisenkäfig gesteckt, damit ihre Durchblutung gestört wird. Die Körperteile schwillen an, werden braun. Dann werden die Inhaftierten befreit und abrupt „auseinandergefaltet“, was extrem schmerzhaft ist.
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© Kim Kwang-il/Vereinte NationenEine Zeichnung des früheren Inhaftierten Kim Kwang-il zeigt die "Taubenfolter", entnommen dem UN-Bericht zu Nordkorea
Besonders brutal sind die Foltermethoden in Internierungslagern der Staatssicherheit SSD, in denen politische Gefangene verhört werden. Hier werden die Gefangenen zusätzlich zur Folter durch systematischen Essensentzug und Schwerstarbeit geschwächt. Häftlinge, die gerade nicht verhört werden oder auf Felder und im Steinbruch schuften, müssen in einer überfüllten Zelle in immer derselben Position knien oder sitzen - den ganzen Tag. Ohne Erlaubnis dürfen sie weder sprechen noch umherschauen, sonst drohen Schläge und weiterer Nahrungsentzug. Gehorcht ein Häftling nicht, werden häufig die Insassen kollektiv bestraft.

Die hygienischen Umstände in den Befragungslagern sind katastrophal, medizinisch versorgt werden - wenn überhaupt - Schwerstkranke. Viele Gefangene sterben an Unterernährung oder Krankheit.

Jeong Kwang-il verlor in einem derartigen Internierungslager in Hoeryoung in der Provinz Hamgyŏng-pukto binnen zehn Monaten 39 Kilogramm, am Ende wog er nur noch 35 Kilo. Er hatte mit Südkoreanern Handel betrieben und wurde der Spionage beschuldigt. Um ein Geständnis zu erzwingen, schlugen ihn Sicherheitsmitarbeiter kopfüber hängend. Mehrmals musste er drei Tage lang in einer sehr schmerzhaften Position ausharren, „Taubenfolter“ genannt: Der Gefangene ist dabei mit den Hände hinter dem Rücken an einer Eisenstange an der Wand fixiert. Diese befindet sich in einer Höhe, die weder stehen noch sitzen zulässt. „Niemand schaut nach dir, du kannst nicht stehen, Du kannst nicht schlafen, die pinkelst dich an, verrichtest deine Notdurft, bist völlig dehydriert (...) Es war so schmerzhaft, zu sterben wäre besser gewesen“, sagt Jeong. Selbst als er ein Geständnis ankündigte, wurde er zunächst geschlagen und beschimpft und noch einen Tag kopfüber in Ketten gehängt.

Kim Eun-chol hatte in Russland Asyl beantragt, wurde aber zurück nach Nordkorea geschickt. Dort hielten ihn Behörden sechs Monate lang in einem Befragungslager in Musan fest. Schließlich erzwangen die Folterknechte ein Geständnis, indem sie ihn mit Holzbarren schlugen. Er kam ins gefürchtete Camp Nummer 15, einem Gulag für politische Häftlinge, aus dem es normalerweise kein Entkommen gibt. Kim, der inzwischen in Südkorea lebt, leidet noch immer an den Folgen der Folter.

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© Kim Kwang-il/Vereinte nationenWeitere Foltermethoden, die der frühere Inhaftierte Kim Kwang-il für den UN-Bericht gezeichnet hat
Häufig kommt es auch vor, dass die Gefolterten sterben

Ji Seong-ho etwa bezeugte, dass sein Vater im November 2006 an den Verletzungen durch Folter starb. Sein Vergehen: Er wollte über den Grenzfluss Tumen nach China fliehen. Als die Agenten des Staatssicherheitsdienstes SSD merkten, dass ihr Opfer die Folter nicht überleben werde, karrten sie es zu seiner Wohnung. Niemand war zuhause. Nachbarn fanden den Mann später tot auf.

Eine Zeugin erzählte, dass ihr 17 Jahre alter Sohn im August 2011 in Hoeryoung festgenommen worden sei, weil er südkoreanische Filme geschaut hatte. Die Familie bestach Beamte, der Jugendliche kam wieder frei. Allerdings hatten die Fahnder ihn so verprügelt, dass er wenig später starb.