Dr. Thomas Fein
© Friederike SchockenhoffDr. Thomas Fein aus Norden konfrontierte seine Zuhörer in Kleinenborstel mit schockierenden Studien.
„Geflügel aus Massentierhaltung ist hoch infektiöses Material.“ So lautete das Fazit, das Dr. Thomas Fein am Freitag in seinem Vortrag über Gesundheitsgefährdung durch agrarindustrielle Tierhaltung in Kleinenborstel zog. Eindrucksvoll hatte der Allgemeinmediziner aus Norden den etwa 40 Zuhörern im Gasthaus Zur Post gezeigt, welche Gefahren von Lebensmitteln ausgehen und welche Verhaltensweisen von Produzenten dorthin geführt hätten.

Fein beschäftigt sich seit 2011 mit Gesundheitsgefährdungen durch Hähnchenmastanlagen, weil in seiner Nachbarschaft eine gebaut werden sollte. Die Ergebnisse einer Studie, die er gemeinsam mit Kollegen anfertigte, haben ihn so schockiert, dass er eine Bürgerinitiative gründete, um gegen den Bau zu kämpfen. Obwohl diese Anlage nicht gebaut wurde, setzt Fein den Kampf gegen Mastanlagen fort - so wie jetzt in Kleinenborstel auf Einladung der örtlichen Bürgerinitiative, die sich gegen einen Maststallbau wehrt.

Es gibt verschiedene Dinge, die bei der Massenhaltung von Tieren entstehen und die Menschen krank machen, erklärte der Experte. Eines sind die sogenannten Endotoxine. Diese bestehen aus den Zellbestandteilen zerstörter Bakterien und verursachten Blutungen, Stoffwechselstörungen und im schlimmsten Fall Multi-Organversagen. Die Luft in Hähnchenmastställen sei mit Keimen und Endotoxinen so stark belastet, dass das Bundesamt für Arbeitsschutz empfehle, sich dort nur mit Atemschutz zu bewegen, zitierte Fein ein aktuelles Gutachten.

Auch Hühnertrockenkot (HTK) sei eine starke Quelle für Endotoxine. Außerdem berge HTK in vielen Fällen große Mengen multiresistenter Keime, berichtete Fein. Diese seien noch tückischer als Endotoxine. Es sind Krankheitserreger, die gegen die Behandlung mit Antibiotika resistent sind. Entstanden sei diese Resistenz, weil Antibiotika lange Zeit in der Masthaltung zur Leistungssteigerung der Tiere verwendet worden seien. „In niedriger Dosierung sorgen sie für mehr Eier, mehr Milch, mehr Fleisch“, erklärte Fein.

Seit 2006 ist diese Verwendung von Antibiotika in der Europäischen Union verboten. 2011 wurden allerdings immer noch 1 734 Tonnen Antibiotika an Tiere in agrarindustrieller Produktion verfüttert. „In der Humanmedizin wurden im gleichen Jahr etwa 380 Tonnen verwendet“, verglich Fein. Außerdem hätten Untersuchungen ergeben, dass erkrankte Tiere nicht lange genug mit Antibiotika behandelt werden, um alle Bakterien abzutöten. Fein sieht darin ein Indiz für einen weiteren Einsatz von Antibiotika als Wachstumsunterstützer.

In der Nutztierhaltung ist der Bakterienstamm MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) weit verbreitet. Er ist gegen viele Antibiotika unempfindlich. Etwa 55 000 Erkrankungen durch MRSA gebe es pro Jahr. Bis zu 15 000 davon verliefen tödlich.

Neben resistenten Bakterien gibt es auch ein Enzym, das die Wirkung von Antibiotika abschaltet. Es wird ESBL genannt und sei unter anderem für den EHEC-Ausbruch im Jahr 2011 verantwortlich. Bei einer Studie über die Belastung von Masthähnchenfleisch mit Coli-Bakterien, bei denen der Verdacht besteht, sie könnten EBSL in sich tragen, seien die Bakterien auf allen untersuchten Fleischstücken gefunden worden.

Material, das so hochgradig infektiös sei, dürfe man eigentlich nur mit Einmalhandschuhen anfassen, sagte Fein. Stattdessen kaufe man es vielfach in der Kühltheke beim Discounter. Das billige Fleisch komme die Menschen auf lange Sicht teuer zu stehen, weil sie ihre Gesundheit ruinierten, folgerte der Mediziner zum Abschluss.

Die Zuhörer spendeten ihm schockiert, aber beeindruckt von seiner Arbeit viel Beifall. Im Anschluss diskutierten sie über das Gehörte und schworen sich gegenseitig ein, weiterzugeben, was sie gehört hatten.