Stundenlang rauchte der Schädel - jetzt muss dringend Schokolade her! Doch woher kommt der Heißhunger auf Süßes nach höchster Konzentration? Verschiedene Experimente führten Psychologen auf die richtige Spur.
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© CorbisAbhängig von Kohlenhydraten: Der Heißhunger auf Süßes ist auf Blutzuckerschwankungen zurückzuführen, die unausweichlich sind, wenn Glukose - im Gegensatz zu Ketonen - der Hauptbrennstoff des Körpers ist.
Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass in deutschen Büros nicht nur Drucker, Kaffeemaschinen und angetrocknete Pflanzen zur Grundausstattung gehören, sondern auch der Kollege mit der Süßigkeitenschublade. Einen gibt es immer, der Vorräte für schlechte Zeiten anlegt.

Wenn ein Projekt fertig werden muss, der Druck steigt und bei allen höchste Konzentration gefragt ist, bekommt er besonders oft Besuch: "Hast du noch was?", fragen wir und zeigen auf die Schublade. Darin hat der Kollege alles, wonach man sich in schwachen Momenten sehnt. Schokolade von hell bis dunkel, Bonbons von Kirsch bis Zitrone, Fruchtgummis von Bären bis zu Fröschen.

Dass wir ausgerechnet in stressigen Zeiten Heißhunger auf Süßes bekommen, ist kein Zufall. Damit wir denken, uns konzentrieren und Stress aushalten können, braucht das Gehirn Glukose. Der Einfachzucker versorgt die Neuronen mit Energie, so dass sie Impulse senden können.

Treibstoff für das Gehirn

Wie wichtig die Energieversorgung ist, haben Psychologen immer wieder gezeigt, indem sie Versuchspersonen auf diverse Arten piesackten. Beim sogenannten Stroop Task zum Beispiel erscheinen Wörter auf einem Bildschirm. Die Probanden müssen möglichst schnell sagen, in welcher Farbe die Wörter geschrieben sind. Schwierig wird es dadurch, dass das Wort "Rot" etwa in blauer Farbe erscheint. Ein verwirrendes Experiment, das Konzentration erfordert. Und ausreichend Energie, wie in einem Übersichtsartikel der Psychologen Matthew Gailliot und Roy Baumeister von der Florida State University nachzulesen ist: Wer gerade viel Glukose in Blut und Hirn zur Verfügung hat, reagiert schneller und macht weniger Fehler.

Hat man sich eine Weile geistig angestrengt, sinkt der Glukosespiegel. Die Folge: Man kann sich nicht nur schlechter konzentrieren - auch Versuchungen kann man schlechter widerstehen. Das zeigt ebenfalls eine Studie, bei der die Teilnehmer Bier trinken durften, aber bloß nicht zu viel. Schließlich sollten sie noch bei einem Fahrtest mitmachen, wurde ihnen gesagt. Diejenigen, die sich zuvor bei einer Übung enorm konzentrieren mussten, tranken mehr Bier als die anderen, die sich nicht angestrengt hatten. In einem anderen Experiment bekamen die Probanden köstliche Kekse vorgesetzt, durften sie aber nicht anrühren. Wer seine Willenskraft hierbei schon aufbrauchte, gab hinterher bei einer frustrierenden Übung schneller auf als Teilnehmer, die nicht mit Keksen herausgefordert worden waren.

Selbstkontrolle ist nicht nur gut

Auch außerhalb des Labors zeigte sich: Wer mit dem täglichen Stress zu kämpfen hat, ist damit schon genug beschäftigt. In anderen Bereichen kann er sich dann nur noch schlecht selbst kontrollieren - und fängt wieder an zu rauchen oder isst die Gummifrösche des Kollegen auf.

Der Heißhunger auf Süßes kommt also daher, dass das Gehirn beim Denken und unter Stress Glukose verbraucht. Da liegt es nahe, dass der Körper Brennstoff nachladen will, damit der Motor wieder läuft. Verstärkt werden die Gelüste ironischerweise, wenn wir versuchen, der Schokolade zu widerstehen. Der Grund: Die Impulskontrolle verbraucht ebenfalls Glukose, wie Experimente gezeigt haben.

Am Ende führt also kein Weg an der Schublade des Kollegen vorbei. Es sei denn, man übt: Man kann nämlich seine Willenskraft stärken, in dem man sie regelmäßig fordert. Auch das haben Forscher herausgefunden. Zum Glück. Wir sollten gleich mit dem Training beginnen: vielleicht mit Mousse au Chocolat. Oder mit täglich mindestens einem Stück Zitronentarte.