In Brasilien spielt sich, unbeachtet von der Weltöffentlichkeit, eine der größten Klimakatastrophen ab. Viele Menschen leiden im Alltag unter den Folgen.

Meer so weit das Auge reicht. Unter den Palmen joggen Frühsportler, flirten Liebespärchen. Die attraktive Strandpromenade von Boa Viagem ist das Herz der brasilianischen WM-Stadt Recife, wo auch die deutsche Elf spielen wird. Nach kaum drei Stunden Fahrt ins Landesinnere gleicht das Panorama einem Gruselfilm aus der Sahelzone: Die Luft flimmert, kein schattiger Platz weit und breit, nur Baumgerippe, Skelette toter Tiere, Geisterdörfer und ein rissiger Boden, der seit zwei Jahren kein Wasser mehr bekommen hat. Das ist der Sertão, Brasiliens Armenhaus und seit zwei Jahren Schauplatz einer der größten Klimakatastrophen.

Doch der Rest der Welt nimmt davon kaum Notiz. 26 Millionen Tonnen Nahrungsmittel sind vertrocknet, 3,5 Millionen Ziegen, Schafe und Rinder verendet, viele junge Leute haben die Gegend verlassen. Ein Drama, das sich im Sertão seit Generationen stets wiederholt. 450 Kubikmeter Regen fallen hier durchschnittlich im Jahr, ein Drittel des Pro-Kopf-Mindestbedarfs.

Doch diesmal ist nicht nur der Sertão betroffen, auch im Rest Brasiliens hat es im Winter kaum geregnet, und der extrem heiße Sommer hat den Wasserverbrauch steigen lassen. In mehr als 150 Städten und Gemeinden wird derzeit das Wasser rationiert. Die Wasserknappheit hat auch zu Stromausfällen geführt, Brasilien gewinnt 80 Prozent der Energie aus Wasserkraft.

Im Sertão ist die Situation am dramatischsten, dort überleben die meisten Familien nur dank der Sozialhilfe der Regierung, die außerdem Plastikzisternen ausgeteilt hat und Trinkwasser liefern lässt. Doch das Wasser reicht nur für die Menschen, nicht für Tiere und Äcker. Die Lebensgrundlage der Kleinbauern geht verloren. Dank der Hilfen verhungern und verdursten die Menschen hier nicht mehr, doch eine Strategie für die Region hat auch die seit zwölf Jahren regierende linke Arbeiterpartei nicht gefunden.

Dabei gibt es seit langem findige Leute und Pioniere wie den Agronom Guimarães Duque, der mit Regenwasser-Auffangbecken und einem bestimmten Design von Bewässerungsfurchen die Produktivität auf Versuchsfeldern im Nordosten erhöhen konnte. "Die Regierung aber hat ihn nicht unterstützt", sagt der aus dem Nordosten stammende Politiker Fernando Lyra. "Denn Brasiliens Wirtschaftsmodell beruht noch immer auf Großgrundbesitz und einer starken Konzentration von Boden, Wasser und Kapital."