Die Raumsonde "Cassini" hat am Saturn ein bislang unbekanntes Objekt abgelichtet. Astronomen glauben, dass die Fotos die Geburt eines neuen Himmelskörpers zeigen - mitten in den Ringen des Gasplaneten.

Saturnringe
© NASA/ JPL/ Space Science InstituteSaturnringe


Eigentlich war es ein Routineeinsatz, als die Raumsonde "Cassini" im April 2013 den kleinen Saturnmond Prometheus fotografierte. Doch auf den Fotos entdeckten Astronomen eine Überraschung: ein ominöses Objekt in den Saturnringen. Es konnte keinem der bekannten Monde zugeordnet werden. Carl Murray von der Queen Mary University of London hatte als erster die seltsam eckige Struktur am normalerweise runden Rand des sogenannten A-Rings entdeckt.

Wurde der Planetenforscher Zeuge der Geburt eines neuen Mondes? "In Gestalt, Helligkeit und Ausdehnung ist kein weiteres Objekt dieser Art in den Hauptringen Saturns bekannt", schreiben die Forscher nun in einem Artikel, der demnächst im Fachblatt Icarus erscheint.

Klar ist, dass es sich um etwas Kleines handelt, der Durchmesser dürfte kaum einen Kilometer betragen. Damit ist das Objekt zu winzig, um von den Kameras direkt aufgelöst zu werden. Trotzdem wird es durch den Einfluss sichtbar, den es auf die benachbarten Ringpartikel ausübt. Dort entsteht eine Zone, die 20 Prozent heller ist als das Ringmaterial der Umgebung.

Nachdem die Forscher erst einmal auf das obskure Etwas aufmerksam geworden waren, fanden sie es auf vielen Fotos, die "Cassini" früher schon von der gleichen Stelle der Ringe geschossen hatte. "Insgesamt liegen 107 fotografische Sichtungen zwischen Mai 2012 und November 2013 vor", schreiben Murray und seine Kollegen. Auf den jüngeren Fotos glauben die Forscher mehrere Objekte auszumachen, das könnte auf eine gewisse Fragmentierung in dieser Zeitspanne hindeuten; weiterhin berichten sie über leichte Bahnänderungen.

Die Mondfabrik

Seit dem 17. Jahrhundert sind die Saturnringe bekannt, heute weiß man, dass sie überwiegend aus Wassereis bestehen. Das Ringsystem setzt sich aus Tausenden, teils unterschiedlich hellen Ringen zusammen. Größere Gruppen bilden die Hauptringe, der A-Ring ist der äußerste von ihnen. Auffällig sind unterschiedlich breite Lücken in den Ringen, die von nahe kreisenden Monden geschaffen wurden.

Die Saturnmonde, von denen 62 bekannt sind, sowie die anderen Monde im Sonnensystem sollen etwa zur gleichen Zeit wie ihre Heimatplaneten entstanden sein - also vor 4,5 Milliarden Jahren. Das ist zumindest die gängige Lehrmeinung. Doch gilt das Mantra auch für kleine Monde? Oder läuft die Mondfabrik des Sonnensystems noch?

Jürgen Schmidt von der Universität Oulu in Finnland hält es für möglich, dass Murray einen künftigen Mini-Mond des Saturn gefunden hat. Der Experte für die Dynamik planetarer Ringe ist von dem Fund fasziniert: "Da scheint sich etwas zu bilden, das vor kurzem noch nicht da war." Schmidt hält es für möglich, dass das A-Ring-Objekt bald nach außen driftet, also die Ringe verlässt. Schon jetzt ist es weniger als zehn Kilometer von der Ringkante entfernt.

Schmidt bezieht sich dabei auf eine neue Theorie eines Forscherteams um Sebastien Charnoz von der Université de Paris-Diderot. Diese besagt, dass viele Monde des Saturn, womöglich auch Monde anderer Planeten, einst in Ringen geboren wurden. Besonders plausibel ist die Theorie für kleinere Exemplare wie etwa den Mond Prometheus. Der langgestreckte 140-Kilometer-Brocken wäre demnach deutlich jünger als Saturn selbst.

Zusammengebacken aus Ringmaterie

Bereits 2010 hatten die französischen Forscher in Natureihre Computersimulationen vorgestellt, die zeigten, dass sich solche Kleinmonde aus Ringmaterie geformt haben könnten. Die Modellrechnungen reproduzierten erfolgreich die auffällige Architektur des Systems der kleinen Saturnmonde: Je weiter entfernt vom Saturn ein Trabant kreist, desto mehr Masse hat dieser Mond. Auch die sehr geringe innere Dichte der Kleinmonde, die auf reichlich Hohlräume deutet, spreche für das lockere Zusammenbacken aus Ringmaterie, führte das Charnoz-Team damals aus. Bis in geologisch jüngere Zeit sollen solche Ringgeburten angedauert haben.

Oder sogar bis zum heutigen Tag? Charnoz sieht seine Theorie nun durch den Fund des Objekts im A-Ring gestärkt: "Ich denke, das ist in voller Übereinstimmung mit unserem Modell." Doch mahnt er gleichzeitig zur Besonnenheit: "Ein echter Beweis, dass wir richtigliegen, ist es noch nicht." Auch Ringexperte Schmidt scheut endgültige Aussagen: "Es kann noch Jahre dauern, bis das letzte Beweisstück für diese Hypothese erbracht ist." Die Belege könnten von der Cassini-Sonde kommen. Zwar ist ihr Ende für das Jahr 2017 geplant, dann soll sie nach 13 Dienstjahren am Saturn in dessen Wolkenmeer gelenkt werden, um dort als Feuerball zu verglühen. Doch kurz zuvor wird sie den geheimnisvollen Ringen sehr nahe kommen - eine einmalige Chance für die Ringforscher.