Workshop Konferenz
© Vivian Hertz (ManagEnergy)Energiepolitischer Workshop in Brüssel Energie
Corporate Europe Observatory: 1.700 Lobbyisten geben mindestens 120 Millionen Euro jährlich aus, um die EU-Gesetzgebung zu beinflussen

Banken lassen sich nicht in ihre Geschäfte hineinreden. Nun sei aber genug mit Reformen, zitieren die 14-Uhr-BR-Nachrichten einen Teilnehmer des Bankentages, der nur geladenen Gästen offenstand. Darunter Bundespräsident Gauck, der laut Spiegel in seiner Rede die "leidgeplagten Bankerseelen" streichelte.

Über mangelnde Unterstützung braucht sich das Gewerbe nicht zu beklagen, weder in der Politik noch in den wirtschaftsfreundlichen Medien, die wohl die Mehrheit stellen. So warnen konservative Leitmedien vor allzu strengen Regeln. Eine Überforderung der Banken wäre schädlich, beginnt ein aktueller Beitrag der FAZ zur Situation der Banken. Daran schließt der denkwürdige Satz an, dass Politiker in der Öffentlichkeit zwar die Nähe zu den Banken scheuen würden, doch seien die Bande weiterhin eng.

Dies auf europäischer Ebene genauer zu betrachten, war das Ziel einer Recherche des Corporate Europe Observatory (CEO), einer Organisation, die sich selbst als Forschungs-und Kampagnegruppe beschreibt, die Zugangs- und Einflussmöglichkeiten der Lobbyisten in Brüssel aufdecken will.

Aktuell ging es ihr um die Abwehrkräfte des Finanzsektors gegenüber "allzu großer Überforderung", um mit der FAZ zu reden, bzw. bei den reformierten, schärferen Regulierungen, die Politiker, wie man sich erinnert, nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 vollmundig ankündigten und bis heute nur marginal realisierten. Den Grund dafür kann jeder Fünftklässler nennen: wirkungsvolle Lobbyarbeit. Wer an dem Abwehrkampf gegen strikte Regulierungen und zugunsten förderlicher Gesetzgebung im Sinne der Banken, beteiligt ist, ist auf 24 Seiten der CEO-Studie The Fire Power of the Financial Lobby nachzulesen.

Finanzlobby mit Abstand am stärksten in der EU vertreten

Demnach ist die Finanzlobby mit Abstand die stärkste in Brüssel. Insgesamt werden jährlich von mindestens 1.700 Lobbyisten mindestens 120 Millionen Euro ausgegeben, um die Interessen der Banken, Versicherungsunternehmen und Investment Fonds an die richtige Adresse zu bringen. Mit über 700 Organisationen sei die Finanzlobby in Brüssel vertreten und würde damit die Zahl der zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Gewerkschaften um mindestens das 7-fache übertreffen. Vergleiche man die Gelder, welche die Finanzlobby ausgebe, mit Ausgaben anderer Lobbygruppen, so habe sie mehr als das 30-fache ausgegeben.

Das sind Schätzungen mit einiger Unschärfe, räumt die Studie ein. Man habe sich aber eher an unteren Werten orientiert. Grundlage der Schätzungen sind Angaben, die dem EU-Transparenzregister entnommen wurden. Das sind freiwillige Angaben, die ein wohlbedachtes Bild nach außen abgeben, nicht jeder Lobbyist macht mit, das Register hat Fehler.

Von 906 Lobbyorganisationen, die in Brüssel im Zusammenhang mit Reformen des Finanzsektors zu Beratungen herangezogen wurden, repräsentierten 55 Prozent den Finanzmarkt, lediglich 12 Prozent kamen aus anderen Bereichen; die NGOs,Gewerkschaften und Verbraucherverbände stellten 13 Prozent.

Beratungen und Expertengremien

Konzentriert hat sich die Studie auf zwei große Zugangsbereiche für den Einfluss von Lobbygruppen, einmal die vielen Beratungstreffen, welche die EU im Vorfeld neuer Gesetzgebungen, etwa zur ‘MiFID’ (Markets in Financial Instruments Directive) veranstaltet, und die EU-Expertengremien, wo die Vorbereitungen für Gesetzesprojekte konkreter und detaillierter ablaufen.

In den EU-Expertengremien hätten 75 Prozent (!) der zugelassenen Berater direkte Verbindungen zum Finanzsektor, so die Studie. Für die Lobbyarbeit in den Kommissionen und im EU-Rat selbst hat man leider keine öffentlich zugänglichen Unterlagen heranziehen können. So dass hier leider nur ein Teil der Lobbyarbeit ans Licht gebarcht wird.

Die Anzahl der Anfragen für ein informelles Treffen, die allein der deutsche Europaabgeordnete Sven Giegold seitens Vertretern der Finanzlobby bekam, nämlich 142 in zwei Jahren, ist ein Indiz dafür, dass die Arbeit der Bankenvereinigungen, Anwalts-und PR-Firmen auch an anderen Türen mit großem Einsatz geschieht.

Als bekannte Netzwerker und Vertreter in eigener Sache werden in der Studie die Namen Deutsche Bank, JP Morgan, Citigroup und Goldman Sachs genannt. Auffallend ist der große Anteil der britischen Vertreter. Die Lobbygruppen würden sehr wachsam agieren und rasch herausfinden, auf welche Aufsichtsinstitution es künftig ankomme und entsprechend die Kräfte konzentrieren, wie dies der Bericht kurz anhand der Zunahme von Lobby-Aktivitäten zeigt, die Einfluss auf die Arbeit der ESMA (European Securities and Markets Authority) zu nehmen suchen.