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© picture alliance/ dpaOhne Wohnung, aber mit Arbeit: Ihr Einkommen reicht französischen Obdachlosen oft nicht, eine eigene Wohnung zu bekommen
Überraschende Studie in Frankreich: Jeder vierte Obdachlose hat einen Job. Das Gehalt reicht nicht aus, um eine Wohnung zu halten. Schuld ist oft die prekäre Situation mit den Arbeitsverträgen.

Es könnte einer der Kellner sein, die Küchenhilfe oder der Bauarbeiter. Ihre Gemeinsamkeit? Sie alle haben eine Arbeit. Und doch sind sie obdachlos. Eine gerade vom französischen Statistikamt Insee veröffentlichte Studie zur Beschäftigungslage französischsprachiger Obdachloser kommt zu einem überraschenden Ergebnis. Denn jeder vierte Obdachlose in Frankreich hat eine Arbeit.

Gleichzeitig ist die Zahl der "sans domicile fixe" oder "SDF", wie Obdachlose in Frankreich genannt werden, in den letzten Jahren stark angestiegen. So gab es in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone 2012 nach Angaben von Insee 141.500 Personen ohne festen Wohnsitz, Asylbewerber und Kinder mit eingerechnet. Das entspricht im Vergleich zu 2001 einem Anstieg von 50 Prozent.

Für die nun veröffentlichte vorgestellte Studie haben die Statistiker die Situation der 66.300 erwachsenen französischsprachigen "SDF" unter die Lupe genommen, die die Obdachlosenheime oder Suppenküchen in französischen Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern nutzen.

24 Prozent von ihnen arbeiten, so die Erkenntnis. Doch nur wenige von ihnen haben eine stabile Beschäftigung. So sind drei Viertel der arbeitenden Obdachlosen seit weniger als einem Jahr bei dem selben Arbeitgeber beschäftigt, und jeder Fünfte von ihnen hat noch nicht mal einen Arbeitsvertrag.

Keine Wohnung ohne Gehaltsschein

"Die Mehrheit von ihnen hat einen prekären Arbeitsvertrag. All das führt dazu, dass sie kein Dach über dem Kopf finden", sagt Jérôme Arcado vom Statistikamt Insee. Denn in Frankreich verlangen Vermieter meist, dass Wohnungsbewerber Nachweise über eine Festanstellung wie die letzten Gehaltszettel vorlegen.

Wer das nicht kann oder gar selbstständig ist, hat schlechte Karten - es sei denn, er hat wohlhabende Verwandte mit einer gut bezahlten Festanstellung, die für ihn bürgen.

Doch häufig sind die arbeitenden Obdachlosen in Branchen und niedrig qualifizierten Berufen beschäftigt, für die niedrige Löhne gezahlt werden. So arbeiten die meisten männlichen SDF im Bausektor oder dem Hotel- und Gaststättengewerbe.

Die Hälfte der Frauen ohne festen Wohnsitz wiederum sind im personenbezogenen Dienst tätig, also als Haushaltshilfe, in der Kinderbetreuung oder als Krankenpflegerin. Insgesamt acht Prozent der französischen "SDF" sind für den öffentlichen Dienst tätig, fünf Prozent für ein Obdachlosenheim gegen Kost und Logis und 19 Prozent für eine Vereinigung.

Nicht genug, um das Leben zu ändern

Viele würden von Hausverwaltungen engagiert, um jeden Tag die Mülltonnen auf die Straße zu bringen und wieder reinzuholen, berichtet Jean Redeuil von der Vereinigung Mains libres, die sich in Paris um Obdachlose kümmert. "Wenn sie auf der Straße schlafen, gelingt es ihnen manchmal, einen kleinen Job zu finden, um sich ein wenig Taschengeld zu verdienen. Aber das reicht nicht, um ihr Leben zu ändern."

60 Prozent der Obdachlosen verdienen weniger als 900 Euro pro Monat. Damit leben sie also unter der Armutsgrenze, die in Frankreich bei 977 Euro pro Monat liegt.

Eine andere, wenig überraschende Erkenntnis der Insee-Studie ist die Tatsache, dass der Beschäftigungsgrad der Obdachlosen steigt, je stabiler ihre Wohnsituation ist. So arbeiten mehr als 31 Prozent der "SDF", die einen festen Platz in einem Wohnheim haben, jedoch nur 25 Prozent derjenigen, die in einer Aufnahmeeinrichtung schlafen, die tagsüber geschlossen wird.

Nicht weiter verwunderlich ist, dass die Obdachlosen als größte Hindernisse bei der Arbeitsuche die Kosten, nicht vorhandene Transportmittel, fehlenden Zugang zu Telefon und Internet sowie den Mangel an passender Kleidung für ein Vorstellungsgespräch angeben.