Atoll Diego Garcia
© reutersDas Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean: Einige Verdächtige, denen die CIA besonderen Wert beimaß, sind offenbar hier gefangen gehalten worden.
Erzwungene Falschaussagen, erlogene Erfolgsgeschichten und brutale Quälereien zur Musik der Red Hot Chili Peppers: Der TV-Sender Al Jazeera will neue Details über CIA-Geheimgefängnisse - unter anderem im Indischen Ozean - erfahren haben.

Die CIA darf ihre eigene Geschichte schreiben - doch am Ende könnte ihr trotzdem niemand glauben. Der Auslandsgeheimdienst soll vor der Veröffentlichung eines Senatsberichts über die CIA-Folterprogramme der Bush-Jahre die Möglichkeit erhalten, Passagen zu verändern oder zu streichen. Einige Akteure in Washington befürchten, dass ein geschöntes Bild entsteht - und geben deshalb offenbar Informationen an die Medien.

Zwei nicht näher genannte Bedienstete mit Kenntnis des Dokuments, dessen Zusammenfassung nach der Bearbeitung durch die CIA veröffentlicht werden soll, sollen Jason Leopold von Al Jazeera America Details aus dem Bericht gesteckt haben, den der Geheimdienstausschuss des US-Senats zusammengestellt hat. Zusammen mit bereits in der Washington Post veröffentlichten Erkenntnissen ergeben sie ein Bild, das der CIA nicht gefallen dürfte.

Neue Details zu Geheimgefängnissen: Die Mehrzahl der etwa hundert CIA-Gefangenen sei zunächst in Geheimgefängnissen in Afghanistan und Marokko untergebracht gewesen, schreibt Leopold. Später sei ein Großteil davon nach Guantánamo gebracht oder ausländischen Geheimdiensten übergeben worden, um sich dort "Terror-Vorwürfen" zu stellen. Zu den Geheimgefängnissen in Polen nennt der Bericht Zahlen: Zwischen 2002 und2005 seien insgesamt etwa 20 Gefangene dort untergebracht gewesen.

Neue Fragen zur Rolle der Briten: Einige der Verdächtigen, denen die CIA einen besonderen Wert zusprach, sind offenbar auf dem Atoll Diego Garcia im Indischen Ozean gefangen gehalten worden. Die Insel liegt etwa 750Kilometer vom südlichsten Punkt der Malediven entfernt und ist britisches Territorium. Das Gefängnis sei im "vollsten Einverständnis" mit der britischen Regierung eingerichtet worden, zitiert Al Jazeera den Bericht. Dies dürfte in London durchaus für Aufsehen sorgen: Die britische Regierung hat zwar die Existenz einer Station auf der Insel schon vor Jahren zugeben müssen, allerdings stets bestritten, dass die USA Terroristen dort untergebracht oder gar verhört hatten.

Fatale Folgen der Folter-Verhöre: Etwa zwei Dutzend der Gefangenen wurden dem Report zufolge nicht nur fälschlicherweise verhaftet, sondern auch aus falschen Gründen an ausländische Geheimdienste ausgeliefert: So stammten Indizien zu ihrer angeblichen Nähe zum Terrorismus zum Teil aus Folter-Verhören oder entpuppten sich als falsche Informationen, welche die CIA von anderen Regierungen erhalten hatte.

Zehn "verschwundene" Verdächtige: Die Übergabe von Terror-Verdächtigen könnte in einigen Fällen für diese tödlich geendet haben. Von zehn an ausländische Geheimdienste ausgelieferte CIA-Gefangenen fehle inzwischen jede Spur - sie seien wahrscheinlich tot, zitiert Leopold die Funktionäre.

Lügengeschichten für Journalisten: Die Washington Post hatte bereits berichtet, dass "hochrangige Vertreter" des Auslandsgeheimdienstes Kongressabgeordnete über die angewandten Techniken schlicht belogen hätten. Offensichtlich platzierten CIA-Mitarbeiter aber auch Geschichten von Anschlagsplänen, die durch die Verhörmethoden aufgedeckt worden seien. Allein: Die angeblichen Verschwörungen gab es nie.

Folter ohne Limit: Im Falle des saudi-arabischen Islamisten Abu Zubaydah, der noch heute ohne Anklage im US-Gefangenenlager Guantánamo sitzt, wendete die CIA dem Report zufolge besonders harte Foltermethoden an. Bereits 2002 erlaubte das Justizministerium Waterboarding, das er mehr als 80 Mal erdulden musste. Doch weil sie ihn für einen engen Vertrauten Bin Ladens hielten, gingen die Agenten bei ihm selbst über das damals Erlaubte hinaus: Zwei Wochen lang sperrten sie ihn immer wieder in einen kleinen Container, wie er zum Flugzeugtransport von Hunden verwendet wird. Auch hingen sie ihn mit den Armgelenken an seine Zellendecke und beschallten ihn mit Musik der Red Hot Chili Peppers, die seine Nerven demnach besonders angriff.

Druck aus dem Weißen Haus: Der Senatsbericht schont auch die Bush-Regierung nicht. CIA-Vertreter hätten demnach seinerzeit unter einem großen Druck gestanden, eine Verbindung zwischen al-Qaida und der irakischen Regierung herzustellen. Ein früherer Mitarbeiter erklärte Al Jazeera, die Befrager seien gedrängt worden, die entsprechenden Ergebnisse zu liefern. "Es gab keine Abwägung, ob die Person, die wir befragten, vielleicht einfach nichts wusste. Das wurde immer als Widerstandstechnik interpretiert."

Der Geheimdienstausschuss im US-Senat hatte vergangene Woche dafür gestimmt, eine mehr als 400-seitige Zusammenfassung des 6300 Seiten langen Berichts zu veröffentlichen. Das hatte die CIA zuvor vergeblich zu verhindern versucht, erhielt aber vom Weißen Haus eben jene Zusicherung, sicherheitsrelevante Informationen schwärzen zu dürfen.

Die Demokratin Dianne Feinstein, die dem Ausschuss vorsitzt, hat sich inzwischen mit einem Brief an die US-Regierung gewandt. Sie fordert die Obama-Administration auf, selbst zu entscheiden, welche Passagen vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben. Bislang ist aber nicht zu erkennen, dass das Weiße Haus seine Haltung ändert.