In der Region Donezk haben bewaffnete prorussische Aktivisten in mehreren Städten Polizeiwachen angegriffen und besetzt. Der ukrainische Interimspräsident Turtschinow berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Gleichzeitig hat die Ukraine die Zahlungen für Gas aus Russland eingestellt.
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© DPAUkrainische Polizisten und prorussische Aktivisten in der Polizeizentrale in Donezk
In der ostukrainischen Großstadt Donezk besetzten Demonstranten die Polizeizentrale und zwangen den Polizeichef zum Rücktritt. Bei dem Ansturm der etwa 200 russisch sprechenden Aktivisten sei niemand verletzt worden, teilten die lokalen Behörden am Samstag mit. Auf Druck der Menge sei der von der prowestlichen Regierung in Kiew ernannte Generalmajor Konstantin Poschidajew zurückgetreten.

In Slawjansk rund 100 Kilometer nördlich von Donezk errichteten prorussische Separatisten unterdessen Barrikaden vor besetzten Gebäuden. Bewaffnete in Kampfanzügen hatten die lokale Geheimdienstzentrale sowie das Polizeipräsidium erstürmt und nach ukrainischen Angaben Hunderte Waffen erbeutet. Sie fordern von der Regierung in Kiew ein Referendum über eine Unabhängigkeit der krisengeschüttelten Region.

Im Raum Poltawa stoppte die Polizei zehn Busse mit Demonstranten, die in die Stadt Charkow unterwegs waren. Bei einer Durchsuchung seien Messer, Knüppel und Molotow-Cocktails gefunden worden, hieß es. Etwa 70 Aktivisten seien festgenommen worden.

Wie Innenminister Arsen Awakow am Samstagabend mitteilte, waren bei der Erstürmung der Polizeiwachen russische Waffen im Einsatz. In Kramatorsk sei es zu einem Schusswechsel zwischen der Miliz und unbekannten Angreifern gekommen, hieß es. Awakow sprach von einer „Aggression der Russischen Föderation“. Angaben über mögliche Verletzte machte er nicht. Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow berief für den Abend den nationalen Sicherheitsrat ein.


Kommentar: Die Schuldigen sind sofort gefunden und wie immer ist es Russland, anstatt die Gesamtsituation zu sehen und viele Einwohner nicht zur westlichen Ukraine gehören wollen.


Gleichzeitig hat die Ukraine im Gasstreit mit Russland ihre Zahlungen vorerst eingestellt. Die von Russland geforderten neuen Preise seien nicht marktkonform, ungerechtfertigt und inakzeptabel, sagte der Chef des staatlichen Energiekonzerns Naftogaz, Andrij Kobolew, in einem am Samstag verbreiteten Interview. Damit droht der Konflikt um die Gasversorgung des EU-Anrainers zu eskalieren, über den die Hälfte der russischen Gaslieferungen an die EU und Deutschland fließen. Im Osten der Ukraine besetzten prorussische Demonstranten unterdessen weitere Gebäude der Sicherheitskräfte.

„Wir sehen keinen Grund für eine Preisänderung“, sagte Kobolew dem Wochenmagazin Serkalo Nedeli. Daher würden die Zahlungen an Russland ausgesetzt, bis die Verhandlungen über den Preis wieder aufgenommen würden. Der ukrainische Energieminister Juri Prodan sprach in einem Interview der Börsenzeitung von einem Wirtschaftskrieg, der der Ukraine von Russland erklärt worden sei. Ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland werde immer wahrscheinlicher.


Kommentar: Ein "Krieg" der vom Westen aus provoziert wurde und Russland zum Handeln zwang.


Russland hatte Anfang April den Preis für Gas von 268 Dollar auf 485 Dollar pro 1000 Kubikmeter erhöht. Begründet wurde dies damit, dass vereinbarte Rabatte unter anderem durch die Angliederung der Krim an Russland hinfällig seien. Russland hatte die Halbinsel als Stützpunkt für seine Schwarzmeerflotte genutzt und dafür einen Preisnachlass auf Erdgas gewährt. Die Ukraine liegt finanziell am Boden und schuldet Russland 2,2 Milliarden Dollar für Gaslieferungen. Die Zahlungen an Russland sind faktisch bereits ausgesetzt, nachdem zu Beginn des Monats eine fällige Rate von 500 Millionen Dollar an den russischen Energiekonzern Gasprom nicht gezahlt werden konnte.


Kommentar: Der Westen würde nicht anders handeln und ebenso Lieferungen einstellen.


Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Donnerstag angekündigt, die Ukraine nur noch gegen Vorkasse mit Gas zu beliefern und notfalls die Versorgung zu drosseln. Dies hatte auch im Westen für heftige Kritik gesorgt. Einen Tag später bemühte sich Putin, die westeuropäischen Kunden zu beruhigen und versprach, dass die Lieferverpflichtungen eingehalten würden. Die Ukraine bemüht sich derzeit, ihre Gasversorgung durch Verträge etwa mit dem Essener Versorger RWE und der französischen GDF zu sichern.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verlangte wenige Tage vor dem Krisengipfel zur Ukraine von Russland Signale der Entspannung. „Das alles kann nur gehen, wenn Russland eigene Entspannungsbeiträge liefert wie zum Beispiel den weiteren Rückzug von Streitkräften entlang der Grenze“, sagte Steinmeier bei einem Besuch in Japan. Das Vierertreffen sei erst „der Beginn der Arbeit“.

Am kommenden Donnerstag wollen die Vereinigten Staaten, Russland, die Ukraine und die Europäische Union in Genf erstmals direkt miteinander beraten. Ziel sei zunächst „Deeskalation“, sagte Steinmeier. „Langfristiges Ziel muss sein, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Kollaps der Ukraine verhindern und dafür sorgen, dass diese Ukraine als Land beieinanderbleibt. Das ist schwieriger als sich viele vorstellen.“

Bei dem Treffen soll auch der drohende Gasstreit zur Sprache kommen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warb bei einem Besuch in Athen für eine einheitliche Haltung der Empfängerländer russischen Erdgases im Fall von Versorgungsproblemen. Kremlchef Wladimir Putin hatte zuvor die sofortige Tilgung von Milliardenschulden der prowestlichen Regierung in Kiew gefordert. Die Lage sei „unerträglich“, sagte Putin.


Die EU-Außenminister wollen am Montag eine Zahlungsbilanzhilfe von einer Milliarde Euro für die vor dem Staatsbankrott stehende Ukraine billigen. Die internationale Gemeinschaft müsse das milliardenschwere Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) an Kiew durch finanzielle Unterstützung ermöglichen, sagte auch der amerikanische Finanzminister Jacob Lew in Washington bei einem Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer.

Die Vereinigten Staaten verhängten Sanktionen gegen sieben moskautreue Vertreter der Krim sowie den Energieversorger Tschernomorneftegas. Durch die Strafmaßnahmen werden Konten der Betroffenen eingefroren, Geschäfte mit ihnen sind verboten. Die Krim sei „besetztes Gebiet“, sagte Finanz-Staatssekretär David Cohen in Washington. Die Vereinigten Staaten und die EU hatten im März bereits Sanktionen gegen mehrere Russen und Ukrainer verhängt, darunter auch Vertraute von Putin.

Quelle: Reuters/AFP/dpa