Mit einem Tag Verspätung hat die ukrainische Übergangsregierung nun doch den angekündigten Sondereinsatz gegen Separatisten im Osten des Landes gestartet. Interimspräsident Alexander Turtschinow sagte im Parlament in Kiew, dass die Offensive begonnen habe und sehr besonnen fortgesetzt werde. Die Einheiten würden im Norden des Gebiets Donezk nahe der Grenze zu Russland vorrücken. "Ziel ist der Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land zerreißen wollen", sagte Turtschinow. Der genaue Umfang der Operation ist unklar.


Kommentar: Diese sogenannten "Terroristen" sind Bürger der Ukraine!


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© APUkrainische Truppen in der Nähe von Izium.
Der stellvertretende Kommandeur der ukrainischen Spezialkräfte (SBU), Walerij Krotow, kündigte ein entschlossenes Vorgehen an. "Sie müssen gewarnt sein, dass sie vernichtet werden, wenn sie ihre Waffen nicht niederlegen", sagte der General mit Blick auf die pro-russischen Kämpfer.

Bei Izium, etwa 40 Kilometer nördlich von Slawjansk, stationierte die Armee mehrere ukrainische Militärfahrzeuge: mehrere Panzer, einen Hubschrauber, Militärlastwagen und schweres militärisches Gerät. In Slawjansk halten pro-russische Kräfte seit Tagen mehrere Verwaltungsgebäude besetzt. Die Gegner der Führung in Kiew meldeten Schusswechsel und Verletzte aus der Region. Bereits am Morgen hätten Regierungskräfte das Feuer auf Straßensperren vor der Stadt eröffnet. Nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti rückte das ukrainische Militär auch nach Slawjansk vor.

Schusswechsel auf Flughafen nahe Slawjansk

In Kramatorsk, wenige Kilometer südlich von Slawjansk, kam es ebenfalls zu Schusswechseln. Medienberichten zufolge hatten Hubschrauber versucht, auf dem zum Teil militärisch genutzten Flughafen außerhalb der Stadt zu landen. Sie hätten aber abgedreht, als sie von den Separatisten beschossen wurden. Das russische Staatsfernsehen meldete später, dass bei Kämpfen vier bis elf Menschen getötet worden seien. Die Berichte konnten bislang nicht bestätigt werden. Am Abend meldete Turtschinow dann, der Flugplatz sei zurückerobert worden.

In Kramatorsk selbst gaben offiziellen Angaben zufolge bewaffnete pro-russische Kräfte ihre Besetzung des Polizei-Hauptquartiers auf, nahmen aber anschließend ein anderes Gebäude ein. Eine Reuters-Reporterin berichtete, es seien auch Hubschrauber mit Soldaten in der Stadt gelandet.

In insgesamt neun Städten im Osten der Ukraine haben pro-russische Bewaffnete Regierungs-, Polizei- und Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern mehr Autonomie und engere Verbindungen zu Russland. Die Regierung in Kiew hatte die pro-russischen Bewaffneten am Wochenende zur Räumung der besetzten Gebäude sowie zur Niederlegung ihrer Waffen aufgerufen. Das Ultimatum war jedoch am Montagmorgen abgelaufen, ohne dass es für die Separatisten Konsequenzen gab. Sie widersetzten sich den Forderungen aus Kiew. Dass die Zentralregierung die Aufständischen bislang nicht in den Schranken halten konnte, lag auch daran, dass viele der örtlichen Sicherheitskräfte die Seiten wechselten.

Putin verurteilt Gewalt in der Ukraine

Russlands Präsident Wladimir Putin kritisierte in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das gewaltsame Vorgehen ukrainischer Regierungstruppen. Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft müssten das "verfassungswidrige Vorgehen" der Machthaber in Kiew verurteilen, sagte Putin nach Angaben des Kreml. Im Gegensatz zum Westen erkennt Russland die neue pro-europäische Regierung in Kiew nicht an.

Zuvor war aus Moskau bereits angekündigt worden, Russland könnte angesichts der Gewalt nicht an der für Donnerstag geplanten internationalen Vierer-Konferenz über die Ukraine teilnehmen. Ministerpräsident Dmitri Medwedjew warnte, die Ukraine stehe "am Rande eines Bürgerkriegs". Er machte allerdings den nach Russland geflohenen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mitverantwortlich für die Unruhen. Die damalige pro-russische Führung in Kiew habe die ersten Proteste der Opposition nicht ernst genommen. "Jetzt fließt Blut", sagte Medwedjew. Das alles sei "sehr traurig".

Wie aufgeheizt die Lage in der Ukraine mittlerweile ist, zeigt auch ein Vorfall aus Kiew: Zwei pro-russische Politiker wurden in der Hauptstadt von pro-westlichen Aktivisten angegriffen. Oleg Zarjow, Kandidat bei den Präsidentschaftswahl am 25. Mai, wurde von Dutzenden Aktivisten verprügelt. Ein anderer pro-russischer Politiker, Michailo Dobkin, wurde mit grünem Desinfektionsmittel besprüht und mit Mehl beworfen.