Ein Lehrer der Odenwaldschule steht unter dem Verdacht, im Internet Kinderpornos erworben zu haben. Ihm wurde fristlos gekündigt. Der Vorstand eines Hilfsvereins für ehemalige Missbrauchsopfer plädiert dafür, die Schule nun zu schließen.
Odenwaldschule Hessen
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An der reformpädagogischen Odenwaldschule in Südhessen steht ein Lehrer im Verdacht, Kinderpornos gesammelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt habe bei der Durchsuchung seiner Wohnung auf dem Internatsgelände entsprechendes Material sichergestellt, hatte die Schule am Samstag bestätigt. Der Lehrer sei zunächst freigestellt worden, inzwischen sei ihm fristlos gekündigt worden.

Nach einem Bericht der Zeitung Mannheimer Morgen waren die Ermittler durch einen Hinweis der australischen Polizei auf den Mann aufmerksam geworden. Demnach soll seine Internet-Adresse dort im Zuge von Ermittlungen gegen einen internationalen Kinderporno-Ring aufgetaucht sein. Bei der Durchsuchung auf dem Gelände des Internats in Ober-Hambach bei Heppenheim wurden unter anderem ein PC, ein Laptop, das Smartphone des Beschuldigten, eine externe Festplatte sowie mehrere CDs beschlagnahmt. Derzeit werden die Daten ausgewertet.

Der Mathematik-, Physik- und Chemielehrer sei seit 2011 in dem Internat beschäftigt gewesen. Er habe auch eine Wohngruppe betreut, hieß es in der Stellungnahme der Odenwaldschule weiter. Er habe dies aber nicht alleine getan und nicht mit den Internatsschülern in einer Wohnung gewohnt.

„Keine Schüler betroffen“

Odenwaldschüler seien nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen, heißt es in der schriftlichen Erklärung der Schule. „Sollte sich im Rahmen der weiteren Untersuchungen nach den Osterferien aus Schüleräußerungen Verdachtsmomente ergeben, wird die Odenwaldschule umgehend die Polizei, die zuständige Staatsanwaltschaft und die Aufsichtsbehörden darüber informieren“, teilte die Schule mit.

Der Hilfsverein für missbrauchte ehemalige Odenwaldschüler „Glasbrechen“ plädierte nun dafür, die sogenannte Familienstruktur an der Schule aufzulösen, wonach Lehrer auch Betreuer der Internatsschüler sind. Der Vorsitzende des Vereins, Adrian Koerfer, ging sogar noch weiter: „Inzwischen neige ich persönlich der Forderung zu, die Schule mit den ihr offenbar immanenten Problemen zu schließen“, zitierte ihn „Spiegel Online“. Dies sei aber nur seine persönliche Meinung, hob Koerfer hervor.

Landratsamt kritisiert Schulleitung

Das Landratsamt des Kreises Bergstraße kritisierte nach Informationen des Hessischen Rundfunks das Verhalten der Schulleitung - insbesondere die Tatsache, dass die Odenwaldschule die Durchsuchung der Lehrerwohnung nicht sofort und aus eigenem Antrieb öffentlich gemacht habe. Man sehe sich deshalb in der kritischen Haltung gegenüber der Schule bestätigt, hieß es.

Erst im März hatte die Schule einen neuen Anlauf zur Aufklärung des jahrzehntelangen sexuellen Missbrauchs von Schülern durch Lehrer unternommen und Wissenschaftler aus Rostock und München mit der Aufarbeitung betraut. Die Wissenschaftler sollen ab Mai untersuchen, wie es zu den Übergriffen kam und wie diese trotz Bekanntwerden 1999 erneut verdrängt werden konnten.

An dem Internat wurden nach einem im Dezember 2010 vorgestellten vorläufigen Abschlussbericht in den Jahren zwischen 1965 und 1998 insgesamt 115 Jungen und 17 Mädchen Opfer von sexuellem Missbrauch. Die Verbrechen wurden erst im Frühjahr 2010 nachhaltig aufgedeckt. Der Bericht führt als Täter 13 Lehrer und Mitarbeiter, eine Lehrerin und vier Mitschüler auf. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat sämtliche Ermittlungsverfahren gegen 15 ehemalige Lehrkräfte und Mitarbeiter sowie einen Ex-Schüler eingestellt, weil die mutmaßlichen Taten verjährt waren.

Quelle: FAZ.NET mit epd/dpa