Obwohl dauerhafte radioaktive Strahlung eigentlich Zellstress und Erbgutschäden verursachen, haben sich Vögel innerhalb der Sperrzone rund um die strahlende Ruine des einstigen Kernkraftwerks Tschernobyl an die Strahlenbelastung angepasst. Einige Arten scheinen sogar davon zu profitieren.

London (England) - Wie die Forscher um Dr. Ismael Galván vom Spanischen Nationalen Forschungsrat (CSIC) aktuell im Fachjournal Functional Exology (DOI: 10.1111/1365-2435.12283) der British Ecological Society berichten, handele es sich um den erstmaligen Beweis dafür, dass sich Wildtiere an ionisierende Strahlung anpassen können.

"Frühere Studie des Tierbestandes in Tschernobyl hatten gezeigt, dass das chronische Ausgesetztsein gegenüber der Strahlung mit der Verminderung von Antioxidantien und einer erhöhten oxidativen Schädigung der Zellen einhergeht", erläutert Galván. "Was wir nun jedoch bei unseren Untersuchungen der Vögel gefunden haben, ist das genaue Gegenteil: Je höher die Hintergrundstrahlung ist, desto höher ist der Gehalt von Antioxidantien und umso niedriger der zelluläre Stress."

Allerdings stellten die Forscher auch fest, dass nicht alle Vogelarten diese Anpassung problemlos schaffen. So zeigten Arten mit dunklem Federkleid deutlich schlechtere Werte. Galván und Kollegen vermuten, dass die Produktion des dunklen und eigentlich schützenden Pigments Phäomelanin jedoch zusätzlich Antioxidantien verbraucht und die Tiere beide Leistungen - Pigmentsproduktion und Schutz vor Strahlenstress - nicht in ausreichender Menge aufbringen können.

Obwohl die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986 katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt hatte, wurde die Sperrzone um den Reaktor auch zu einem wichtigen Freilandlabor für die Untersuchung der Auswirkung starker ionisierender Strahlung auf das ökologische System und die Wildtiere.

Schon frühere Laborstudien hatten gezeigt, dass sich Menschen und andere Tiere an bestimmte erhöhe Strahlungsbelastungen anpassen können, wenn sie in niedrigen Dosen schrittweise an diese über einen langen Zeitraum herangeführt wurden und sich so der Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen die Strahlung erhöhte. Bislang konnte dieser Effekt jedoch verständlicherweise noch nie außerhalb des Labors an freilebenden Populationen getestet und somit nachgewiesen werden.

Konkrete Schäden durch die Strahlungsbelastung in Tschernobyl konnten hingegen bislang bereits an Menschen, zwei Vogelarten und einer Fischart belegt werden. Da unterschiedliche Arten jedoch teilweise sehr unterschiedlich auf Strahlungsbelastung reagieren, war es bislang auch nicht möglich, eine generelle Aussage über die Auswirkung der Strahlung auf die in und um Tschernobyl freilebenden Tierarten zu treffen.

Seit den 1990er Jahren hatten die Autoren der aktuell veröffentlichten Studie mit Netzen 152 Exemplare von 16 unterschiedlichen Vogelarten innerhalb der Sperrzone vor dem Hintergrund der jeweiligen Strahlungsbelastung anhand genommener Feder- und Blutproben untersucht, bevor die Tiere wieder freigelassen wurden.

"Unsere Ergebnisse sind wichtig, weil sie uns mehr über die unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der unterschiedlichen Spezies gegenüber extremen Umweltveränderungen wie in Tschernobyl und Fukushima sagen können", so Galván.


Quelle: britishecologicalsociety.org