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© dpaAuf Futtersuche: Eine Ameise streckt ihre Fühler nach einem Teil eines toten Insektes aus.
Ameisen krabbeln wild durcheinander - doch bald schwenken sie auf den kürzesten Weg zur Nahrungsquelle um. Forscher glauben, die Strategie nun erklären zu können.

Am Anfang herrscht Chaos: Verlässt eine Ameise ihren Bau, um auf Futtersuche zu gehen, folgt der Weg, den sie einschlägt, keinem erkennbaren Muster. Hat sie jedoch Futter gefunden, kehrt sie in das Nest zurück und holt Verstärkung. Diese einfache Beobachtung kann einer neuen Studie zufolge erklären, wie Ameisen sich die erfolgreichsten Wege bahnen.

Zunächst verlaufen zwar die Wege der Ameisen-Kundschafter ungeordnet. Doch je mehr Ameisen den kürzesten Weg zur Futterquelle finden, desto intensiver wird die Duftspur aus Botenstoffen, sogenannten Pheromonen, die sie hinterlassen - und dann kommt unweigerlich der Punkt, an dem die Bewegungsmuster der Ameisen kippen: Nach einer Weile ist jegliches Chaos gebannt - und die Ameisen verkehren nur noch auf der kürzesten Botenstoff-Spur zwischen Nest und Futterquelle.

Dieses Verhalten beschreibt ein chinesisch-deutsches Forscherteam um Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in den Proceedings of the National Academy of Sciences. "Weil Ameisen ein Nest haben, brauchen sie eine Strategie, um das Futter nach Hause bringen zu können", erklärt die Leitautorin Lixiang Li von der Universität Peking. "Dies ist der eigentliche und bislang unterschätzte Faktor, der das Verhalten der Ameisen bestimmt, wie wir nun zeigen können."

Die Forscher haben fast alles, was man über die Nahrungssuche von Ameisen weiß, in Gleichungen und Algorithmen gepackt und in ihre Computer eingespeist. Sie gehen von drei Phasen der komplexen Bewegungen einer Ameisenkolonie bei der Nahrungssuche aus: die Nahrungssuche, die Rückkehr ins Nest und die Wegoptimierung zwischen Nest und Futterquelle.

Geruchsspuren hinterlassen

Von besonderem Interesse ist die letzte Phase: Andere Ameisen folgen der Duftspur zum Futter und bringen wiederum etwas davon in den Bau. Weil zunächst nur wenig Pheromone den Weg weisen, ist das Verhalten der Tiere noch recht unabgestimmt, sie rennen durcheinander. Weil es viele Ameisen sind, gehen sie viele verschiedene Wege zur Futterstelle und zurück zum Nest, wobei sie immer neue Geruchsspuren hinterlassen.

Dies führt schließlich zu einer Optimierung des Weges: Da Pheromone ein flüchtiger Stoff sind, ist die Geruchsspur um so stärker, je kürzer der Weg ist - darum wählen immer mehr Ameisen den kürzesten Weg und hinterlassen dabei wiederum zusätzliche Geruchsspuren. Dies erzeugt einen selbstverstärkenden Effekt, durch den die Ameisen deutlich weniger Energie und Zeit verschwenden, als wenn sie weiter chaotisch vorgehen würden.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass auch die Erfahrung der einzelnen Ameise zum Erfolg der Nahrungssuche beiträgt - dies wurde in der bisherigen Forschung vernachlässigt. Ältere Ameisen kennen das Umfeld ihres Nests besser. Die Nahrungssuche jüngerer Ameisen ist eher ein Lernprozess als ein effektiver Beitrag zum Aufspüren von Futter, so die Studie.


Kommentar: Es ist wirklich ein interssantes Konzept, das Mutter Natur hervorgebracht hat: Die Errungenschaften des Einzelnen zum Wohle des Ganzen, und vice versa!


"Eine einzelne Ameise ist sicher nicht schlau, aber beim Verhalten des Kollektivs bin ich versucht, es intelligent zu nennen", sagt Koautor Jürgen Kurths, Leiter des Forschungsbereichs Transdisziplinäre Konzepte und Methoden am PIK. "Das Prinzip der Selbstorganisation ist etwa von Fischschwärmen bekannt, aber Ameisen sind wegen ihres festen Zuhauses so interessant."

Wie beim Menschen

Die Analyse der Futtersuche der Ameisen ist von praktischer ökologischer Relevanz, aber die Studienautoren interessieren sich vor allem für die grundsätzlichen Muster: "Im Kollektiv bilden die Ameisen ein hocheffizientes komplexes Netzwerk", erklärt Kurths. "Das ist etwas, das wir vielfach auch anderswo in Natur und Gesellschaft vorfinden."

Das für die Ameisen entwickelte mathematische Modell ist nicht nur auf andere Tierarten anwendbar, die gleichfalls immer wieder zu einem Zuhause zurückkehren - etwa Albatrosse. Auch der Mensch würde sich letztendlich nicht viel anders verhalten als die Ameise: "Eine Nestbezug-Strategie ist nicht auf die Nahrungssuche bei Tieren beschränkt, sondern auch für viele Aspekte des menschlichen Verhaltens relevant", schreiben sie in ihrem Aufsatz. "Zum Beispiel so triviale wie die tägliche Heimkehr von der Arbeit oder weniger triviale wie die Nutzung des Internets."



Kommentar: Auch hier, auf Sott.net finden einzelne Redakteure wie einzelne Ameisen die Information ("das Futter"), das zum Wohle der Gesellschaft genutzt werden kann. Wenn nur genügend Andere der Spur und dem Prinzip folgen würden...


Ihre Ergebnisse, schließen sie, ermöglichen eine neue Perspektive auf die Verhaltensmuster von Tieren und Menschen, "in so unterschiedlichen Bereichen wie der Verbreitung von Krankheiten, der Bildung von Gruppen oder Netzwerken, den Mustern vieler sozialer Aktivitäten und der Entwicklung von Kurznachrichten- oder Internetdiensten."