Klinik verwechselt Embryos nach künstlicher Befruchtung. Noch vor Geburt beginnt Streit, wem die Kinder gehören

Rom - Künstliche Befruchtung im Labor, macht es seit über 30 Jahren möglich, sich den Kinderwunsch zu erfüllen, auch wenn die Natur nicht mitspielt. Über fünf Millionen Kinder sind weltweit bereits im Reagenzglas gezeugt worden. Selbst Angelina Jolie und Brad Pitt bekamen per künstlicher Befruchtung ihre Zwillinge Knox Leon und Vivienne Marcheline.

Nicht ganz so glatt lief die Sache für ein Ehepaar in Italien: Im römischen Krankenhaus Pertini wurde ihr Retortenbaby mit dem anderer Patienten verwechselt. Nun wachsen im Bauch einer Mutter Zwillinge heran, die gar nicht ihre sind. Ein Albtraum für die Eltern, Horror der modernen Medizin? Nicht für die Mutter dieser Zwillinge. "Sie sind unsere Kinder", hat sie jetzt gesagt, "und ich werde dafür kämpfen, dass sie bei uns bleiben können." Dann fügt sie noch stolz hinzu, was alle werdenden Mütter gerne berichten: "Die Schwangerschaft verläuft prächtig, die Kleinen bewegen sich schon" - voraussichtlicher Geburtstermin ist im Herbst.

Neben ihr der Ehemann und zukünftige Vater, der bestätigt was sie sagt. "Der echte Vater bin doch ich", erklärt er, "denn ich bin es, der diese Kinder akzeptiert, der seine Partnerin unterstützt." Die beiden wollen anonym bleiben, sitzen im Halbdunkel und mit dem Rücken zur Fernsehkamera vor dem Interviewer des TV-Senders RAI. Dass sie vor einem Millionenpublikum sagen können, was ihnen passierte, macht ihnen Mut.

Alles begann mit einer einfachen Verwechslung, mit Schlamperei im Labor. Im Dezember hatten sich die beiden Frauen im römischen Krankenhaus einer In-vitro-Fertilisation unterzogen. Sie haben fast identische Nachnamen - fünf von sieben Buchstaben sind identisch. Der am Computer saß, als die Reagenzgläser sortiert und beschriftet wurden, hat es damit nicht so genau genommen.

Das flog auf, als die werdende Mutter sich einer Zelluntersuchung, der sogenannten Chorionbiopsie, unterzog, die heute zu den gängigen Schwangerschaftsuntersuchungen zählt, um Genschäden zu analysieren. Das Ergebnis: Die Zwillinge waren kerngesund - aber eben nicht die leiblichen Kinder ihrer Mutter. Sie habe sich "psychisch zerstört und unter Schock" gefühlt, gesteht sie jetzt ein. Allein der Gedanke "auf die physische Ähnlichkeit verzichten zu müssen" sei schlimm gewesen. Vielleicht noch schwieriger war die Verwechslung für das zweite Paar. Denn die Schwangerschaft begann gar nicht erst, möglicherweise, weil der implantierte Embryo nicht kompatibel war. "Sie sind in dieser Sache Opfer, genauso wie wir, und wir teilen ihren Schmerz."

Aber Schock und Zweifel hätten nicht lange gedauert, so der künftige Vater, "nur einen Tag lang, dann wussten wir, dass wir die Kinder behalten wollten". Zu diesem Zeitpunkt hätten sie noch die Wahl gehabt, sich für einen Abbruch der Schwangerschaft zu entscheiden. "Es war der erste spontane Gedanke, aber ich bin - bei aller Unsicherheit - stolz, dass wir es nicht getan haben." Nun empfinde er die beiden als ihre Kinder, "sie sind ja schon da, sie gehören schon zu uns". Ob das auch juristisch so ist, darüber streiten jetzt in Italien Experten. "Dabei müsste die Rechtslage klar sein", erklärt Cristina Sopranzi vom Pertini-Krankenhaus in Rom. "Das Gesetz in Italien sieht vor, dass die Gebärende die rechtliche Mutter ist." Die Krankenhausdirektion hat sich zu psychischem Beistand für die werdenden Eltern verpflichtet und auch eine Untersuchung durchgeführt, wobei der "menschlichen Fehler" ermittelt wurde. Der ist allerdings rechtlich nur schwer zu belangen: "Vor jeder In-vitro-Fertilisation unterschreiben die Patienten eine Einverständniserklärung."

Dass Reproduktionsmedizin und Gentechnik neue juristische Probleme aufwerfen, wird klar, wenn man die heute hochdifferenzierten Vorgänge so einer In-vitro-Befruchtung näher betrachtet: Es gibt Samenbanken, Eizell-, Eiplasma- und Eikernspende und Leihmütter. Kinder können damit auf mehrere Mütter und Väter kommen, die verschiedene Rollen haben. In den USA sind Rechtsstreitigkeiten längst keine Neuigkeit mehr. Und was kinderlosen Paaren helfen sollte, hat oft ganz andere Formen angenommen: Per künstlicher Auslese können sogenannte "Designerbabys" kreiert werden. Oder eben verwechselt.

In Italien sind die fremden Zwillinge nicht der erste Fall dieser Art. Im Jahr 2000 brachte eine Frau in der norditalienischen Stadt Modena Zwillinge zur Welt, die ihr so gar nicht ähnelten: Sie hatten eine dunkle Hautfarbe. Gentests ergaben, dass das Sperma des Vaters verwechselt worden war - auch damals geschah das in einem römischen Krankenhaus. Aber das Elternpaar der inzwischen jugendlichen Zwillinge erklärte jetzt: "Wir sind eine tolle Familie geworden, und das ist alles was zählt!"