Fieber
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Grado (APA) - Fieber ist keine Krankheit, sondern eine Abwehrreaktion des Körpers. Das Senken im Rahmen einer Erkrankung auftretender erhöhter Körpertemperatur nützt wenig bis nichts, wenn es nicht sogar schadet. Das erklärte bei den Österreichischen Ärztetagen in Grado (bis 31. Mai) der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch.

An der Dämonisierung des Fiebers ist seit Urzeiten die Religion schuld. So hieß es im Zweistromland vor Tausenden Jahren über Lamaschtu, die Göttin des Kindbettfiebers: „Sie ist wütend, sie ist wild, sie ist gefährlich.“ Die katholische Kirche kennt gar 60 Heilige, die man bei Fieber anrufen kann: vom Heiligen Laurentius über Antonius von Padua bis zu Benedikt von Nursia, Begründer des bekannten Ordens. Der Wiener Experte fand hingegen „nur“ 54 Pestheilige und zum Beispiel lediglich elf gegen Kinderkrankheiten. „Dabei ist Fieber ein Symptom, keine Krankheit.“

Die Fieberreaktion ist laut dem Experten eine seit mindestens vier Millionen Jahre in der Evolution etablierte Abwehrreaktion gegen Infektionen.


Kommentar: Und dennoch glauben heute die Menschen, es besser als die Natur zu wissen. Aber das tun sie auch in diesem Thema nicht, wie diese Studien zeigen.


Es kommt zu einer „Heat Shock Response“, die zellschützend wirkt. Die Eisenbindung im Körper wird verändert, was Bakterien hemmt. Weiters wird der Aufbau der für die Bildung der Zellwand von wachsenden Keimen notwendigen Lipopolysaccharide blockiert. Schließlich steigert eine erhöhte Körpertemperatur auch noch die Aktivität der Immunzellen.

Der Arzt Carl Reinhard August Wunderlich (1815 bis 1877) etablierte mit einer Million Messungen bei 25.000 Menschen die lange Zeit geltende „Normaltemperatur“ des menschlichen Körpers von 37 Grad Celsius. Das Problem dabei, so Wenisch: „Die Thermometer waren wahrscheinlich falsch kalibriert, die gemessenen Werte zu hoch.“ Seit 1961 sehe man mehr als 38 Grad Celsius Körper-Kerntemperatur als Fieber an. Bei Messung unter der Achsel muss man schon einiges aufschlagen. Aber, so der Wiener Experte: „Das Fieber ist ein Antibiotikum, wir sind gut beraten, das Fieber zu belassen.“ Ab mehr als 38,9 Grad Celsius liege zumeist eine infektiöse Ursache vor, bei mehr als 40 Grad ein anderer Grund. Eine bis zu einen Tag dauernde Fieberzacke ist zumeist harmlos.

Das alles spricht gegen eine Senkung der Körpertemperatur ohne wichtigen Grund. Ein solcher ist zum Beispiel die entweder über Kühlkissen oder einen Wärmetausch-Katheter durchgeführte Temperaturreduktion nach Herzstillstand zur Verhinderung von Gehirnschäden oder bei bestimmten großen gefäßchirurgischen Eingriffen.

Die medikamentöse Fiebersenkung wird in der Medizin zunehmend kritisch gesehen. Nichtsteroidale Antirheumatika als Fiebersenker - zum Beispiel Indomethacin - führen zu einem Anstieg des arteriellen Blutdrucks und zu einer Verringerung der Durchblutung der Koronargefäße des Herzens. Bei Sepsis war mit Ibuprofen eine positive Wirkung eher auf den antientzündlichen Effekt als auf die Temperatursenkung zurückzuführen. Letzteres führt bei Kranken mit Blutvergiftung eher zu einer erhöhten Mortalität. Paracetamol hat laut Wenisch bei Kindern mit einem unkomplizierten Fieberkrampf keine Wirkung.

Insgesamt mache es, so der Experte, keinen Sinn, mit jedem Schnupfen in die Apotheke zu laufen und fiebersenkende Mittel zu kaufen und zu schlucken. In experimentellen Studien zeigte sich ein negativer Effekt bei Infektionen: Infizierte man Probanden künstlich mit Influenza oder Shigellen (Ruhr), verlängerte die Verwendung von Paracetamol die Krankheitsdauer. Die gleiche Wirkung trat bei Kindern mit Feuchtblattern ein. Acetylsalicylsäure und Paracetamol führen bei Schnupfen laut Wenisch sogar zu einer vermehrten Virusausscheidung (Infektionsgefahr).

Sowohl für die Abwehr-steigernde Wirkung des Fiebers als auch für den negativen Effekt einer Fiebersenkung sprechen die Ergebnisse einer großen tschechischen Studie: Dabei wurden 459 Babys vor der wichtigen Sechsfach-Impfung (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Hepatitis B und Hämophilus, weiters auch Pneumokokken und Rotavirus) als Prophylaxe gegen eine kurzzeitige Fieberreaktion mit Paracetamol (oder Placebo) behandelt. Nach einigen Wochen stellte sich heraus, dass zwar am ersten Tag weniger häufig Fieber auftrat, aber dafür die Immunantwort auf die Impfung und somit der zu erwartende Schutz geringer ausfiel.