Pillen, Tabletten, Medikamente
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Ein weitgehend unerforschter Bereich der Suchtkrankheiten ist die Abhängigkeit von Medikamenten. Es dürften rund 130.000 Österreicher davon betroffen sein. Ein starker Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen - zum Beispiel Burnout bzw. Überlastungssyndromen - ist häufig. Das erklärte der Wiener Spezialist Michael Musalek bei den 23. Österreichischen Ärztetagen in Grado (bis 31. Mai).

Musalek, ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts (API), räumte in seinem Seminar mit vielen herkömmlichen Vorstellungen zu Abhängigkeit auf. So sind Suchtmittel keine bösen Substanzen an sich. "Suchtmittel sind großartig. Sie wirken hervorragend. Das macht sie erst gefährlich. 'Illegal' oder 'legal', das ist eine willkürliche Einteilung."

Die Illegalität von Drogen verändere an ihnen nichts, führe aber zu spezifischen Problemen. So gebe es bei Drogen wie Heroin im Gegensatz zu potenziell abhängig machenden Arzneimitteln keine Preisregulierung, zum Beispiel über den Hauptverband der Sozialversicherungsträger, keine "Generika" (Nachahmepräparate) und keine Qualitätskontrolle.

Nikotin und Heroin sind beispielsweise in ihrem Suchtpotenzial ähnlich stark. Das ist vor allem durch den schnelle Wirksamkeitseintritts (inhalieren, injizieren) bedingt. Tranquilizer lägen irgendwo dazwischen. Ein Suchtmittel mit niedriger Potenz sei hingegen Alkohol. Hier benötige es viele Jahre hoher Dosen, um abhängig zu werden.

Während es relativ viele Informationen über Alkoholismus und illegale Drogen gebe, mangle es an Daten zur Abhängigkeit von Arzneimitteln, betonte der Experte. Überhaupt: "Es wird immer über Medikamentenabhängigkeit gesprochen. Das ist aber ein reines Kunstprodukt." Amphetamine als Aufputschmittel und Tranquilizer als entspannend und Schlaf fördernd wirkende Medikamente hätten eigentlich nichts mit einander zu tun.

Insgesamt stammt der überwiegendste Teil der Suchtproblematik durch Arzneimittel gerade aus der Medizin. "90 bis 95 Prozent dieser Suchterkrankungen werden vom Arzt verursacht. Es gibt aber keine Untersuchungen zum problematischen Konsum der Medikamente", so der Wiener Fachmann.

Bei der Arzneimittelabhängigkeit spielen psychische Leiden im Hintergrund eine überragende Rolle, so Musalek. Dann erst dadurch kommt es ja zum Einsatz von Tranquilizern oder anderen Medikamenten. Aus dem Dauergebrauch mit Dosissteigerung etc. kann dann längerfristig die Sucht entstehen.