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In der Ostukraine tobt ein unerbitterlicher Krieg. In Kiew herrscht ein Regime, das mittels Putsch an die Macht gekommen ist und sich wesentlich auf faschistische Terrorbanden stützt. In unseren Medien wurde das Bild einer »bunten Bürgerrevolution« verbreitet, obwohl jedem, der vor Ort war, klar wurde, dass auf dem Maidan schon früh rechtsradikale und faschistische Banden dominierten. Oppositionelle, insbesondere Linke, sind ihres Lebens nicht mehr sicher. In Odessa steckten die Faschisten das Gewerkschaftshaus in Brand. 40 Menschen verbrannten bei lebendigem Leib. Nun hat Kiew wählen lassen. Gewonnen hat mit Poroschenko, ein milliardenschwerer Oligarch, der schon für so ziemlich jede politische Seite seine Fahne in den Wind gehängt hat. Schon unter Janukowitsch war er Minister. Es ist allerdings ohnehin eine Farce, von freien Wahlen zu sprechen, wenn man weiß, dass es für Linke und andere Demokraten unmöglich war, so etwas wie Wahlkampf zu führen. Wer sich in Kiew offen als solcher bekennt, muss im günstigsten Fall damit rechnen, beschimpft zu werden. Im schlimmsten Fall wird man verprügelt und gefoltert oder sogar ermordet.


Wie mag es wohl einem Mann gehen, der die zynischen Kommentare deutscher Politiker hört, die von einer »hoffnungsvollen, demokratischen Entwicklung« schwadronieren und kritische Kommentare oft als russische Propaganda abtun. Um das genau zu erfahren, treffe ich mich mit Sergej Kiritschuk, dem Koordinator der linken Gruppe Borotba, die in der Ukraine nun verfolgt wird. Der junge, kräftige Mann mit Bart spricht selbstbewusst und auch voller Zorn, wenn er von der dramatischen Entwicklung in seinem Heimatland berichtet. Gleichzeitig macht Kirichuk einen gezeichneten Eindruck, was wenig überrascht, wenn man sich seine harte Geschichte anhört.

Terror, Folter, Untergrund

Was ich zu hören bekomme, klingt nach dem Alltag eines Oppositionellen in einer autokratischen Diktatur. Von Folterungen ist die Rede, von Entführungsversuchen am helllichten Tag, von konspirativen Wohnungen, in der sich Kirichuk Mitstreiter aufhalten müssen, die nichts getan haben, außer einen anderen Standpunkt als das bürgerlich-faschistische Regime eingenommen zu haben. »Der Vorsitzende unserer Bewegung steht auf der Todesliste der Faschisten«, berichtet Kirichuk. » Die Faschisten haben große Teile des Sicherheitsapparates der Ukraine übernommen. Da leuchtet es auf erschreckende Weise ein, dass die bekannten Mitglieder von Borotba erst nach Einbruch der Dunkelheit ihre geheimen Aufenthaltsorte verlassen«, so Kirichuk weiter. »Man lebt gefährlich, wenn man sich in der Ukraine für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt«, sagt er mit erregter Stimme.

Darauf angesprochen, dass deutsche Politiker, z.B. von den Grünen, der Bewegung auf dem Maidan genau diese Begriffe - Freiheit, Gerechtigkeit - zuordnen, reagiert der junge Regimegegner nur mit einem Kopfschütteln. »Wir von Borotba haben die Bewegung auf dem Maidan von Anfang an abgelehnt.


Das ist eine Bewegung , die nie soziale Forderungen erhoben hat, sondern eher radikalen Individualismus und persönlichen Reichtum predigte. Auf dem Maidan demonstrierte die aufstrebende Mittelschicht, die Karriere machen will und sich sozial nach unten abgrenzt.« Das Bild über die EU scheint auf dem Maidan voll von Illusionen zu sein. Kirichuk dazu: »Von denen halten viele die EU für das Paradies auf Erden. Die begreifen nicht, dass die EU uns gar nicht braucht und die soziale Situation sich hier eher verschlechtern würde.« In der Tat - schaut man sich die Pläne des IWF, der EU und der Weltbank an, ist für die Ukraine eine soziale Entwicklung wie in Griechenland weitaus wahrscheinlicher. Doch davon scheinen die Pro-Maidan-Aktivisten nichts wissen zu wollen. »Wenn man darauf hinweist, dass das Bild, das sich diese Leute von der EU machen, eine Illusion ist, wird man oft als Sowjetnostalgiker oder Mann Putins beschimpft.«

Die Ukraine als Spielball der Großmächte

Ich will wissen, wie er mit dem Vorwurf, eine Marionette Putins zu sein , umgeht. Sarkastisch sagt er: »Wenn ich mein Hemd jetzt öffne, werden Sie dort kein Putin-Tattoo entdecken, und ich besitze auch keinen russischen Agentenausweis.« Der Borotba-Koordinator fährt, nun deutlich ernsthafter, fort: »Ich habe keinen Grund, für Putin Partei zu ergreifen. Russland verfolgt eigenen imperiale Interessen. Die Gesellschaft, für dich ich kämpfe, können wir nur selbst erkämpfen. Wir sollten nicht auf eine wohlwollende Großmacht warten.«


Kommentar: Russland unter der Führung von Putin kann man nun wirklich keine "imperialen Interessen" vorwerfen. Fakt ist, dass Putin von Anfang an, nichts der gleichen durchgeführt oder geplant hat. Ganz im Gegenteil, Putins Politik und Taten ergeben ein ganz anderes Bild:

Vor einigen Wochen haben sich US-Außenminister Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow getroffen, um über die Ukraine zu beraten. »Es ist typisch, dass hierzu kein ukrainischer Vertreter eingeladen wurde. Die behandeln uns wie einen Spielball.«

Dass es gerade im Osten der Ukraine aber durchaus starke Sympathien für Putin gibt, wird von Kirichuk nicht geleugnet. Bei der schlimmen humanitären Situation und der prekären militärischen Lage hofften viele auf Russland. Ein russischer Militärschlag sei für einige offenbar die letzte Hoffnung, um den Vormarsch Kiews zu stoppen. »Die Menschen in der Ostukraine stehen einem Dreigestirn aus ukrainischer Armee, Privatarmeen der Oligarchen und den Einheiten der rechtsradikalen Kräften entgegen. Die Situation wird täglich dramatischer. Viele hoffen, dass Putin die Sache für sie klären könnte. Doch die Stimmung kippt langsam«, so Kirichuk. Borotba, aber auch die KP der Ukraine, an der man Kritik habe, mit der man aber nun zusammenarbeite, auch weil sie ein Hauptziel des rechten Terrors sei, würden das Mögliche tun, um hier für eine vernünftige Position zu werben.

Kirichuk guckt auf seine Uhr. Er hat heute noch ein paar andere Gespräche vor sich. Der Borotba-Koordinator, der derzeit auf Deutschlandreise ist, weil er er Aufklärungsarbeit leisten will, aber auch, weil er nur noch unter Lebensgefahr zurückkehren könnte, wird von mir gefragt, wie er versucht, den Deutschen die Situation in der Ukraine näher zu bringen. Er nennt ein Beispiel, dass er schon oft gebracht habe, weil es die Lage gut verdeutlichen würde: »Stellt euch vor, der rechte CDU-Flügel, die AfD und die NPD würden hier die Regierung stellen. Militante Nazibanden würden mit Waffen ausgestattet und in die Polizei integriert und könnten nun legal Terror gegen Linke, Gewerkschafter und andere Demokraten ausüben.«

Ich bedanke mich bei Sergej Kirichuk für das Gespräch. Er drückt mir ungefähr zehn Sekunden die Hand und guckt mir fest in die Augen. Dann sagt er: »Es ist wichtig, dass ihr etwas gegen die Propaganda tut. Erzählt, was bei uns wirklich los ist. Erzählt allen die Wahrheit!«

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Übernommen mit freundlicher Genehmigung vom Blog Konter - Konsequente Gegendarstellungen