MH17
© afp,df/MRBücher, Hygieneartikel, Kinderspielzeug. Was im Gras auf einer Fläche mit einem Radius von zwölf Kilometern nach dem Absturz der MH17 zu finden ist, erinnert an die persönlichen Vorlieben der Passagiere.
Düsseldorf - Nach dem Absturz der Boeing 777 der Malaysia Airlines im Osten der Ukraine mit fast 300 Toten stellen sich viele Fragen. Eine Übersicht.

Einen Tag nach dem Absturz von Malaysia Airlines MH 17 über der Ost-Ukraine gehen fast alle Experten davon aus, dass der Jet abgeschossen wurde. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu der Katastrophe.

Was gilt als gesichert?

Die Boeing 777, der größte zweistrahlige Jet der Welt, hatte über der Ukraine die übliche Reiseflughöhe von zehn Kilometern erreicht. Abrupt verschwand sie ausgerechnet über der umkämpften Region vom Radarschirm. Keiner der 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder überlebte den Absturz.

Was spricht für einen Abschuss?

Die Reiseflughöhe ist die sicherste Flugphase; die meisten Unglücke passieren bei Start und Landung. Die Piloten des Jets meldeten keine Probleme. Ein Aufklärungssatellit, der zum Frühwarnsystem der USA vor Angriffen mit Langstrecken-Atomraketen gehört, registrierte eine große Explosion und angeblich zuvor auch einen Abschuss am Boden. Die prorussischen Separatisten hatten zuvor bereits mehrere ukrainische Militärflugzeuge zerstört und brüsteten sich im Internet fast zeitgleich mit dem weiteren Abschuss eines ukrainischen Antonow-Kampfzonentransporters.

Wie lässt sich ein Abschuss rekonstruieren und beweisen?

Flugzeugunfälle werden genauestens untersucht und sogar die Maschine mühsam wieder zusammengesetzt, wenn sich keine Hinweise finden lassen. Auch an den Wrackteilen von Flug MH 17 wird noch erkennbar sein, ob etwa vorher ein Brand an Bord ausbrach, eine Bombe im Frachtraum explodierte oder eine Rakete den Jet traf. Unter den Trümmerteilen müssten sich auch Reste der Rakete befinden.

Könnte die Nato zur Aufklärung beitragen?

Mutmaßlich ja. Seit dem Ausbruch der Krise patrouillieren auch Awacs-Radaraufklärer aus Geilenkirchen in der Region. Nato-Kreise bestätigten, dass zum Absturzzeitpunkt zwei Maschinen in der Luft waren. Ihre Daten würden ausgewertet.

Wer führt die Ermittlungen?

Das hat die internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, der 191 Staaten angehören, festgelegt: Zuständig sind die Behörden des Landes, auf dessen Hoheitsgebiet der Absturz erfolgte. Hinzugezogen werden können auch die betroffene Fluggesellschaft und der Hersteller des Jets. Eine malaysische Delegation ist zum Absturzort unterwegs.

Warum ist die Aufklärung so schwer?

Ukrainer wie Russen verfügen über die gleichen Waffen, weil sie im Kalten Krieg zum östlichen Militärbündnis Warschauer Pakt gehörten. Auch das Flugabwehrsystem BUK ist auf beiden Seiten im Einsatz: Die Ukrainer besitzen 60, die Russen 250 Einheiten. Der Absturz fand in einem umkämpften Gebiet statt. Beide Konfliktparteien könnten schnell Beweise verschwinden lassen, zum Beispiel die Reste der Abfangrakete. Großwaffensysteme sind im Rahmen der Rüstungskontrollvereinbarungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa inklusive Seriennummern exakt registriert. Sofern Russen und Ukrainer eine Untersuchung zulassen, lässt sich daher feststellen, in welchem Arsenal eine der knapp sechs Meter langen Raketen fehlt. Die Blackbox, die weitere Erkenntnisse liefern kann, haben die Separatisten angeblich bereits nach Moskau geschafft, was eine unabhängige Untersuchung infrage stellt.

Was sagen die Konfliktparteien?

Sie beschuldigen sich gegenseitig, wobei auffällig ist, dass beide Seiten von einem Abschuss durch eine Rakete des BUK-Systems ausgehen. Das Verteidigungsministerium in Moskau behauptet, die Boeing sei im Wirkungsbereich von fünf ukrainischen Flugabwehr-Batterien geflogen; ein Radar sei nahe dem Absturzort aktiv gewesen. Kiew dementiert: Die Russen oder die Separatisten hätten den Jet abgeschossen. Unklar ist, ob die prorussischen Kämpfer ein BUK-System von den Ukrainern erbeutet haben oder es ihnen aus Russland geliefert wurde. In beiden Fällen hätte es aber eines Spezialistenteams bedurft, das ein solches System bedienen kann.

Was passiert, wenn eine Rakete ein Flugzeug trifft?

Es ist ein schwacher Trost, dass die Insassen mutmaßlich nicht lange gelitten haben. Der Sprengkopf der radargesteuerten BUK-Rakete explodiert in einem Umkreis von 17 Metern in einer Splitterwolke, die das Ziel regelrecht zerfetzt. Die Trümmer des Flugzeugs sind demnach wie ein Stein zur Erde gefallen.

Was bedeutet der mutmaßliche Abschuss für die zivile Luftfahrt?

Die Flugrouten, die bislang über Krisenherde wie die Ost-Ukraine, Afghanistan oder den Irak führten, müssen geändert werden. Bislang waren die Airlines davon ausgegangen, dass in der Reiseflughöhe keine Gefahr droht. Auch die deutsche Pilotengewerkschaft Cockpit fordert dringend eine Überprüfung der weltweiten Flugstraßen. Das Problem: Den Airlines, die ihre Routen selbst festlegen dürfen, entstehen durch größeren Kerosinverbrauch und längere Flugzeiten deutlich höhere Kosten. Die Entscheidung hat die europäische Flugsicherung Eurocontrol den Gesellschaften im Fall der Ost-Ukraine allerdings bereits abgenommen: Dieser Luftraum ist seit gestern gesperrt.