Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet am Donnerstag über die Beschwerden zweier Männer, die als mutmaßliche Terroristen monatelang ohne Gerichtsbeschluss in einem geheimen CIA-Gefängnis in Polen festgehalten wurden. Die heute 43 und 49 Jahre alten Kläger werfen der Regierung in Warschau vor, sie habe ihre Inhaftierung und anschließende Überführung in das US-Gefangenenlager Guantanamo geduldet.

Die Kläger - ein Mann aus Saudi-Arabien und ein staatenloser Palästinenser - wurden nach eigenem Bekunden im Dezember 2002 mit einem von der CIA gecharterten Flugzeug nach Polen geflogen und am Militärstützpunkt Stare Kiejkuty im Nordosten des Landes inhaftiert. Einer von ihnen blieb dort sechs Monate, der andere neun Monate. Ihren Anwälten zufolge wurden die Kläger während ihrer Haft in Polen gefoltert, unter anderem mit simulierten Hinrichtungen.

Die polnische Regierung habe dabei mit der CIA zusammengearbeitet, sie habe die Inhaftierung und Folter der Verdächtigten "in voller Kenntnis der Umstände" erlaubt, sagte die Anwältin des saudiarabischen Klägers, Amrit Singh, bei einer Anhörung vor dem Straßburger Gericht im Dezember. Die Peiniger hätten einem der Männer außerdem damit gedroht, sie würden seine Mutter vorladen und vor seinen Augen sexuell missbrauchen.

Der Rechtsvertreter der polnischen Regierung, Artur Nowak-Far, nahm während der dreistündigen Anhörung zu den Vorwürfen nicht Stellung. Er verwies auf die in Polen laufenden Ermittlungen, die vertraulich seien. Nach seinen Angaben wurden die Ermittlungen im Jahre 2008 eingeleitet - gut fünf Jahre nach der Verschleppung der beiden Männer - und sind noch nicht abgeschlossen.

Die USA verdächtigen einen der Männer, im Oktober 2000 ein Attentat gegen ein Schiff der US-Marine im Hafen der jemenitischen Hauptstadt Aden organisiert zu haben. Der zweite Verdächtigte war nach Überzeugung der US-Fahnder einer der Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida, das für die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington verantwortlich gemacht wird. Keiner von ihnen wurde in den USA bisher vor Gericht gestellt. Den Anwälten zufolge soll ein US-Militärgericht ab September die Vorwürfe prüfen, die gegen den 49-Jährigen Kläger aus Saudi-Arabien erhoben werden.

Polen ist nicht das einzige europäische Land, dem vorgeworfen wird, illegale Praktiken der USA im Kampf gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida geduldet oder sogar unterstützt zu haben. Ähnliche Klagen sind derzeit vor dem Straßburger Gericht gegen Rumänien und Litauen anhängig. Im Dezember 2010 hatte der Gerichtshof für Menschenrechte bereits Mazedonien wegen des Falls Khalid El Masri verurteilt. Der Deutsch-Libanese war im Januar 2004 in der mazedonischen Hauptstadt Skopje festgenommen, der CIA übergeben und später in einem Gefängnis in Afghanistan misshandelt worden. Die US-Agenten hatten ihn fälschlicherweise der Verbindungen zu Al-Kaida verdächtigt. Mazedonien wurde in Straßburg im Dezember 2012 zu einer Schadenersatzzahlung von 60.000 Euro an El Masri verurteilt.

Nach Angaben der Vereinten Nationen hat bisher nur Italien einen seiner Agenten verurteilt, der die CIA bei ihren illegalen Aktivitäten unterstützt hatte. Dabei ging es um einen ägyptischen Imam, der in Mailand auf offener Straße entführt und nach Ägypten verschleppt wurde. Dafür wurden 23 CIA-Mitarbeiter im Dezember 2010 von einem Mailänder Berufungsgericht zu Haftstrafen zwischen sieben und neun Jahren verurteilt - allerdings in Abwesenheit und bisher ohne Folgen.