Bundesnachrichtendienst
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Beim Bundesnachrichtendienst geht offenbar die Angst um, den Anschluss an andere Geheimdienste zu verlieren. Medienberichten zufolge soll digital aufgerüstet werden. Der BND hat sogar vor, soziale Netzwerke in Echtzeit auszuforschen und Daten in NSA-Manier abzugreifen.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) will die sozialen Netzwerke Medienberichten zufolge künftig in Echtzeit ausforschen können und massiv in digitale Technik investieren. Die Pläne gehen aus mehreren vertraulichen Unterlagen des Auslandsnachrichtendienstes hervor, wie „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR berichten. Bereits in diesem Jahr will der BND den Informationen zufolge seine Technik verbessern, um Weblogs, Foren und Portale wie Flickr, Facebook und Twitter systematisch auswerten zu können.

Das Projekt laufe intern unter dem Titel „Echtzeitanalyse von Streaming-Daten“ und sei Teil einer so genannten Strategischen Initiative Technik, heißt es in den Berichten weiter. Die Kosten des Programms, das vorerst bis 2020 laufen solle, würden vom BND insgesamt auf rund 300 Millionen Euro beziffert. Der Bundestag solle die Summe in den kommenden Wochen bewilligen.

BND bedient sich an Argumenten der US-Geheimdienste

Dem deutschen Auslandsgeheimdienst geht es offenbar auch um die Ausspähung der Verbindungsdaten. Es sind eben diese Methoden, wie sie durch US-Geheimdienste bekannt geworden sind und wegen ihrer massenhaften Daten-Speicherung massiv in der Kritik stehen. Dabei mache er sich auch die Argumente des US-Geheimdienstes NSA zu eigen und bedient sich an deren Gründen: Durch die Ausforschung könne man sich, wie Nachrichtendienstler erklären, ein genaueres Bild über die Lage im Ausland verschaffen. Die Analyse von Metadaten sei überdies ein weniger starker Eingriff in die Privatsphäre, weil man im Gegenzug auf das massenhafte Ausspähen von Inhalten zunächst verzichten könne.

Der BND verwies laut „Süddeutscher Zeitung“ im Gespräch mit Parlamentariern auch darauf, dass befreundete Nachrichtendienste aus dem Ausland methodisch viel weiter seien als der BND, insbesondere die NSA und der britische Geheimdienst GCHQ. Wenn nicht bald strategisch digital aufgerüstet werde, drohe der BND noch hinter den italienischen und den spanischen Geheimdiensten zurückzufallen.

Verfassungsrechtler: Staat muss Bürger schützen

Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Hoffmann-Riem, mahnte jüngst im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur NSA-Spähaffäre, dass es eine Pflicht des Staates gebe, die Vertraulichkeit und Integrität von Kommunikationssystemen zu schützen. Der Bund habe für sichere Netze zu sorgen. Wenn ausländische Staatsorgane in Deutschland Gesetze verletzten, müsse der deutsche Staat das unterbinden.

Der Mannheimer Professor für Öffentliches Recht, Matthias Bäcker, beklagte vor dem Gremium, für die Arbeit des BND fehle zum Teil eine ausreichende gesetzliche Grundlage - etwa für die Überwachung von Telekommunikation im Ausland. Das Recht setze dem BND an dieser Stelle im Grunde keine Grenzen. Wenn der BND aber alles dürfe, was man ausländischen Nachrichtendiensten vorwerfe, „dann ist das in einem Rechtsstaat kein besonders erfreulicher Zustand“.

Die Opposition will die Aufrüstung nicht hinnehmen. Die Linke forderte, die Pläne umgehend zu stoppen. „Die Linke wird alles tun, um diesen Irrsinn zu verhindern“, sagte Fraktionsvize Jan Korte. Er rügte, der Sicherheitsapparat solle in ungekanntem Maße aufgerüstet werden - ausgerechnet jetzt, fast genau ein Jahr nach den ersten Enthüllungen über die Spähaffäre rund um den US-Geheimdienst NSA.

Widerstand bei der Opposition

Auch die Grünen kündigten Widerstand an. „Bevor neue technische Möglichkeiten geschaffen werden, muss die Arbeit des BND im Ausland grundsätzlich auf den Prüfstand“, sagte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele der dpa. Er sitzt für die Grünen im Geheimdienstkontrollgremium und auch im NSA-Untersuchungsausschuss.

Vor wenigen Tagen hatten Verfassungsrechtler im NSA-Ausschuss beklagt, der BND operiere bei der Auslandsaufklärung weitgehend im rechtsfreien Raum und ohne ausreichende Gesetzesgrundlage. Der Dienst könne nahezu nach Belieben Daten sammeln und auswerten - ähnlich wie die NSA.

Ströbele will notfalls bis ans Bundesverfassungsgericht

Ströbele nannte die Gutachten der Juristen alarmierend. Die Regierung müsse dringend reagieren. Für die Auslandsaufklärung des BND sei eine neue gesetzliche Grundlage nötig, die klare Grenzen setze. Ströbele kündigte an, dies im Geheimdienstkontrollgremium zur Sprache zu bringen. Wenn sich dort nichts tue und auch die Regierung nicht tätig werde, behalte sich die Grünen-Fraktion vor, in der Frage vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Auch Korte mahnte, alles deute darauf hin, dass die BND-Abhörpraxis verfassungswidrig sei.

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte dagegen im Deutschlandfunk, moderne, effektive und zeitgemäß arbeitende Nachrichtendienste seien im nationalen Interesse. Daher sei es auch gerechtfertigt und nötig, sie technisch aufzurüsten und auf dem aktuellen Stand zu halten.

Entwicklungen rechtzeitig erkennen

"Der BND ist der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland. Davon auszugehen, es ginge ihm um die Kommunikation der deutschen Bevölkerung, wäre völlig fehlinterpretiert", hieß es am Sonntag allerdings aus Sicherheitskreisen. Das Gegenteil sei der Fall. Der BND halte sich an Recht und Gesetz.

"Die Kommunikation von Grundrechtsträgern wird in einem mehrstufigen Verfahren systematisch herausgefiltert und rückstandslos gelöscht. Bei der Überwachung von sozialen Netzwerken liegt der Fokus allein auf Ausland-Ausland-Kommunikation, also auf der Kommunikation von Ausländern im Ausland." Ziel sei es, so aus dem BND-Umfeld weiter, Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, die für die Sicherheit Deutschlands von Bedeutung seien - "beispielsweise einen zweiten arabischen Frühling oder Krisenlagen."