Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im 21. Jahrhundert

Noch ist das neue Jahrhundert erst vierzehn Jahre alt und doch sind die zum Ende des 20. Jahrhunderts begonnenen Trends einer neuen Art des Krieges allgegenwärtig. Bereits die letzte Phase des Kalten Krieges, eingeleitet durch den von den USA 1975 endgültig verlorenen Vietnam-Krieg, war gekennzeichnet durch sog. low intensity wars, bei dem Aufständische einen Klein- oder Guerillakrieg gegen ihre zumeist militärisch überlegene Staatsmacht führten.

Beide Seiten des jeweiligen Konflikts wurden von den feindlich gesonnenen “Supermächten” finanziell und militärisch unterstützt. Nur im Sonderfall Afghanistan intervenierte die Sowjetunion mit starken eigenen Truppenverbänden zugunsten der revolutionären Regierung, während die USA die einheimischen afghanischen Aufständischen und ihre vielen “privaten” internationalen Helfer aufrüstete.

Nach der geopolitischen Zeitenwende von 1989/91wurde das aktive Eingreifen der verbleibenden einzigen Supermacht bzw. ihres Militärpaktes Nato in die Bürgerkriege bzw. zur Beseitigung unliebsamer Regime zur Regel, während Russland sich auf die Niederschlagung von sezionistischen Bestrebungen im eigenen Machtbereich konzentrierte. Sowohl die Kriege vor und nach der Zeitenwende hatten das gemeinsame Merkmal, dass einer materiell weit überlegenen Macht ein an sich schwacher Widerpart gegenüberstand, der nur durch die Art seiner Kriegsführung, das einseitige Setzen auf den menschlichen Faktor, bestehen konnte. Eine konventionelle Kriegsführung gegen die Mächte des “Empire”(*) war zum völligen Scheitern verurteilt, siehe Serbien oder zweimal im Falle des Iraks. Vorherrschend im 21. Jahrhundert ist somit nicht mehr der im klassischen Sinne Krieg zwischen verfeindeten Staaten oder Bündnissen, sondern die Bekämpfung von Aufständischen, sei es wie jetzt durch Israel gegen die Hamas im Gazastreifen, durch die Nato in Afghanistan gegen die Taliban, durch die Ukraine gegen Seperatisten im Donbas, durch Syrien/Irak gegen die Djiadisten. Die sog. assymetrische Kriegsführung führt letztendlich selten zum gewünschten Erfolg und erzeugt permanente Kriegszustände und die völlige Barbarisierung der “unendlichen” Konflikte.

Ein wichtiges Element in der gegenwärtigen Großwetterlage des permanenten Kriegszustandes im Weltsystem ist die weitere Automatisierung und Entpersonifizierung der Kriegsführung vor allem der USA. Im “Empire” sind eigene Verluste schwer der “Öffentlichkeit” zu vermitteln und so setzen die führenden Mächte auf den Einsatz von überlegenen technischen Mitteln, sei es im cyber-war oder im Drohnenkrieg.

An drei Beispielen soll die Komplexität der neuen Dimensionen der Kriegsführung exemplarisch dargestellt werden. Im Irak, im Kriegszustand wie Afghanistan seit 1980, ist der von den USA geführte Interventionskrieg (analog zur Sowjetunion 1988 in Afghanistan) völlig gescheitert. Die USA und ihre Verbündeten haben ihre Truppen abgezogen und den von ihnen verursachten gesellschaftlichen Kollaps sich selbst überlassen, so dass völlig barbarische Kräfte, hier im Irak wie anderswo die Djiadisten - die dunkle Seite der Zivilisation - auf dem Vormarsch sind.

Im Nahen Osten führt das “westliche” Israel seit 1948 einen permanenten erfolgreichen Krieg gegen die arabischen Anrainerstaaten und spätestens seit 1982 gegen die aufständische palästinensische Bevölkerung, zuerst gegen die PLO, dann gegen die Hisbollah und nun 2014 zum vierten Mal gegen die Hamas im winzigen Gazastreifen. Trotz gigantischer militärischer Überlegenheit und zahlloser Kriegsverbrechen ist die Befriedung der aufständischen Massen nicht zu erreichen. Ein allgemeiner neuer Aufstand, die dritte Intifada der Palästinenser steht bevor.

In der Ukraine versucht die militärisch überlegene Zentralmacht seit Monaten den Aufstand von etwa zwanzigtausend aufständischen prorussischen “Separatisten” auch um den Preis einer Wiederkehr des “Kalten Krieges” niederzuschlagen, wobei der Nato und dem “Empire” nun nicht mehr die Supermacht Sowjetunion gegenübersteht, sondern nur mehr eine widerspenstige angebliche Regionalmacht Russland. Sollte versucht werden, wie vollmundig angekündigt, die Krim zurück zu erobern, droht hier eine Rückkehr des klassischen Krieges(**) zwischen Staaten bzw. Paktsystemen.

Wie lässt sich das bisher Entwickelte zusammenfassen? Vielleicht so: Im 21. Jahrhundert droht ein sich ausbreitender permanenter Kriegszustand, der immer mehr Weltregionen in die völlige Barbarei reißt und zum allgemeinen Aufstand der Massen gegen das “Empire” wird, der Kampf von Ethnie gegen Ethnie, Clan gegen Clan, Orient gegen Okzident, Ost gegen West, Mensch gegen Maschine.

Als Ausweg aus dem Istzustand verbleibt nur, den alltäglichen Wahnsinn zu kritisieren, sei es der gezielten Tötung durch “Drohnen” oder dem Bombardement von Millionenstädten wie von Donezk oder Gaza. DasEintreten für Frieden und Völkerverständigung erscheint vielen sinnlos, siehe die Schwäche derinternationalen Friedensbewegung und ist dennoch alternativlos. Ansonsten verbliebe für uns nur die Unterstützung der “eigenen” (siehe Grüne) oder der “fremden” Macht (siehe Teile der sog. Linken).

(*) Zwar sind die USA weiter “leading power”, ihre Vorherrschaft wird im “Empire”(Negri/Hardt) aber zunehmend durch andere Mächte nicht mehr anerkannt. Die “multipolare” Welt, sprich der Niedergang der vertrauten Weltordnung, zeichnet sich bereits am Horizont ab.
(**) Es ist kein Zufall, dass Putins Russland nicht nur die Modernisierung und den Ausbau seiner Streitkräfte betreibt, sondern auch den “subjektiven Faktor” so vehement ideologisch betont und in der Praxis durch den Aufstand in der Ostukraine befördert.