Das Entsetzen in Bamberg ist immer noch groß: Noch kann keiner so richtig fassen, dass ein Chefarzt mehrere Patientinnen erst betäubte und anschließend sexuell missbrauchte. Eine Studentin zeigte den Medizinier schließlich an. Ohne Vorwarnung gab er ihr eine Spritze - und vergriff sich dann.
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© dpa/David Ebener
Es muss der jungen Frau zumindest nachträglich mehr als komisch vorgekommen sein: Vermutlich abends bittet ein Chefarzt des Bamberger Klinikums die Medizinstudentin zur Untersuchung für eine angebliche Studie über Krampfadern. Sonst ist niemand dabei. Und dann gibt er der 26-Jährigen ohne Aufklärung eine Spritze.

Was dann geschieht, weiß sie nicht. Sie wird bewusstlos. Danach geht die Frau in ein anderes Krankenhaus und lässt sich Blut abnehmen. Das Ergebnis: Sie bekam ein starkes Beruhigungsmittel. Die Studentin zeigt den Arzt an. Als Polizei und Staatsanwaltschaft den Fall untersuchen, zeigt sich: Der 48-Jährige hat die Frau während ihrer Bewusstlosigkeit missbraucht. Mindestens drei weitere Frauen sind betroffen. Am Tag nach Bekanntwerden des Skandals herrscht in Bamberg Entsetzen und Betroffenheit.

"Wir haben das noch nicht so recht begriffen"

Eine Patientin bringt das Dilemma auf den Punkt: "Man vertraut einem Arzt ja. Und er hat die Situation der Frauen ausgenutzt. Das ist schockierend und erschreckend", sagt die 31-jährige Daniela. Viele andere Patienten in dem modernen Krankenhausgebäude wissen ebenfalls Bescheid und reden am Donnerstag über den Fall.

Kliniksprecherin Brigitte Dippold sagt: "Auch einen Tag danach haben wir das alles noch gar nicht so recht begriffen." Viele Mitarbeiter des Klinikums - vor allem die etwa 30 Kollegen in der betroffenen Gefäßchirurgie - stünden noch immer regelrecht unter Schock und könnten das Geschehene nicht glauben. "Es sind auch Tränen geflossen", erzählt Dippold.

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Der bisherige Chefarzt der Gefäßchirurgie war bislang auch ranghoher Funktionär der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, er galt nach Angaben der Kollegen als Kapazität auf seinem Gebiet. Unter den Mitarbeitern habe es auch Freundschaften gegeben, sagt Dippold. Der zweifache Vater sei witzig und erzähle oft von seiner Familie.


Kommentar: Und missbrauchte Unschuldige in seiner Freizeit.


"Er ist eine positive Erscheinung: empathisch, erfolgreich und hat schwer kranke Menschen geheilt", bestätigt Xaver Frauenknecht, Vorstandschef der Sozialstiftung, zu der das Klinikum gehört.


Kommentar: Das können klar Zeichen für Psychopathie sein, besonders nach den Missbräuchen.


Klinik richtet Krisenstab ein

Und nun das. Trotz der unfassbaren Taten will das Klinikum so offen und transparent wie möglich mit den Vorwürfen umgehen. Den ganzen Tag führen Dippold und Frauenknecht Journalisten durchs Haus und geben Interviews. Die etwa 3700 Mitarbeiter wurden schon am Vortag informiert.

Es wurde ein Krisenstab eingerichtet, die leitende Psychologin freigestellt, um möglicherweise Betroffene an einer Hotline beraten zu können. Der Klinikchef betont: "Es war das Fehlverhalten eines Einzelnen." Wenn zudem kriminelle Energie im Spiel sei, lasse sich so etwas nicht verhindern.

Übergriffe abends oder am Wochenende

Wie viele Frauen betroffen sind, weiß bisher niemand. Die Ermittler müssen zunächst Unmengen an Fotos auswerten, die sie im Büro und in der Wohnung des 48-Jährigen gefunden haben. Der Mann hat seine Taten selbst dokumentiert. Die Frauen wurden vermutlich abends oder am Wochenende in die Klinik gebeten, sagt Sprecherin Dippold - jedenfalls außerhalb der regulären Dienstzeiten.

Das Perfide an der Situation sei: "Zu meinem Arzt habe ich ein anderes Vertrauensverhältnis als zu meinem Finanzberater." Schnell reagiert hat die Klinik, damit der Betrieb so normal wie möglich weiterläuft. Oberarzt Matthias Spohn hat die Leitung der Abteilung kommissarisch übernommen. Sein Name steht schon auf den Schildern über dem Empfang und im Internet. Etwa 1500 Patienten werden in der Gefäßchirurgie im Jahr stationär behandelt, etwa dreimal so viele ambulant.

Ein Angehöriger einer Patientin bedauert den Vertrauensverlust für das Klinikum. "So etwas passiert immer wieder ", sagt der 42-Jährige. "Schade, dass die Kliniken das nicht durch Monitoring verhindern können." Gelassen sieht den Fall dagegen die 79-jährige Magda, die an diesem Tag in die Gefäßabteilung muss: "Ich nehm nicht an, dass jeder Arzt hier so ist."

cvh/dpa