Eine neue Studie des einflussreichen amerikanischen „Pew Research Center“ legt nahe, dass soziale Medien keineswegs im erhofften Maße zur Meinungspluralität bei kontrovers diskutierten Themen beitragen.
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© AFPIst auf Twitter zu "zwitschern" sinnlos? Sott.net vertritt eine andere Meinung.
Eine der größten Hoffnungen, die bisher gemeinhin an die weltweiten Nutzung sozialer Medien geknüpft war, hat mit den neuen Studienergebnissen des renommierten amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research einen deutlichen Dämpfer erlitten. Statt dass sich Menschen mit einer abweichenden Meinung zu einem Thema durch die dort einfache Vernetzung mit Gleichgesinnten ermutigt fühlen, sich zu äußern, scheint sich das Konzept der „Schweigespirale“ größtenteils in die Online-Welt übertragen zu haben.

Die „Schweigespirale“ ist einer der wichtigsten Begriffe in der Forschung zur Entstehung und Verbreitung öffentlicher Meinung und fand bereits in den siebziger Jahren erstmals Verwendung. Ihr zufolge schwindet die Bereitschaft von Menschen, sich öffentlich zu ihrer Meinung zu einem in der Gesellschaft diskutierten Thema zu bekennen, wenn ihre eigene Auffassung von der formulierten Mehrheitsmeinung abweicht.

Auf Grundlage der in Amerika durchaus kontrovers diskutierten Frage nach der moralischen Richtigkeit der öffentlichen Enthüllungen Edward Snowdens, befragte das Pew-Institut 1081 Nutzer sozialer Medien im Hinblick auf ihre Bereitschaft zur freien Meinungsäußerung via Facebook-Post oder Tweet. Nur 42 Prozent der Befragten gaben an, das Thema in sozialen Netzwerken diskutieren zu wollen, während 86 Prozent zu einer persönlichen Offline-Diskussion bereit gewesen wären. Jene Befragten, die schon im Offline-Gespräch keine Stellung zu den NSA-Enthüllungen beziehen wollten, sahen sich noch weitaus weniger ermutigt, das Thema im sozialen Netzwerk zu diskutieren. Daraus schließen die Forscher, dass Facebook und Co. keineswegs eine alternative Plattform zur Diskussion abweichender Meinungen stellen.


Kommentar: 1081 Nutzer sind statistisch gesehen nicht unbedingt viele Befragte und eventuell nicht signifikant.


Überschätzter Einfluss

Des weiteren wurde klar, dass es den Befragten sowohl offline als auch online leichter fällt, ihre Meinung zu äußern, wenn diese mit der Meinung großer Teile der Öffentlichkeit übereinstimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand seine Meinung zur Snowden-Affäre innerhalb eines Facebook-Freundeskreises kundtut, der diese Meinung teilt, schätzen die Wissenschaftler als doppelt so hoch wie im Falle einer gegenläufigen Meinung ein. Damit scheint bewiesen, dass alternative Meinungen zu gesellschaftlichen und politischen Themen auch online eher ein Schattendasein fristen.


Kommentar: Oder es zeigt die "Programmiertheit" vieler Nutzer, die nicht mehr offen sind für gegensätzliche Aussagen.


Im Hinblick auf die Funktion sozialer Netzwerke als Nachrichtenquellen nehmen laut Studie zumindest in Amerika Facebook und Twitter noch keine prominente Position ein. Über 50 Prozent der Befragten gaben an, den Großteil ihrer Informationen zur NSA-Affäre über das Fernseh- oder Radioprogramm zu beziehen und 30 Prozent über andere Online-Medien. Sogar die gedruckte Zeitung nimmt noch einen höheren Stellenwert ein als Facebook.

Obwohl die Ergebnisse aufgrund der spezifischen Fragestellung und der begrenzten Anzahl der Befragten zunächst nur ein Anfang sind, scheint der positive Einfluss sozialer Netzwerke auf Meinungsvielfalt und Freiheit zur Meinungsäußerung doch stark überschätzt worden zu sein. Wer im richtigen Leben schweigt, der schweigt auch online. Trotz freier und unzensierter Informationen via Twitter vertrauen die Menschen etablierten Namen weiterhin mehr, wenn es darum geht, sich eine Meinung zu bilden.