Russland und China, die beiden strategisch wichtigen Länder Eurasiens, sind offenbar dabei, sich endgültig aus dem Würgegriff des Dollars zu befreien. Am 10. September führten beide Seiten Gespräche über die Einrichtung eines Interbank-Clearing-Systems unabhängig vom US-kontrollierten Zahlungssystem SWIFT. Wenn es tatsächlich dazu kommt, wäre dies für Russland und China eine wichtige Maßnahme zum Schutz ihrer Volkswirtschaften vor Washingtons neu entwickelter Waffe der Finanzkriegsführung gegen ein Land, das sich nicht nach dem Willen bestimmter mächtiger Kreise verhält.
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Am 10. September traf Russlands erster Vize-Ministerpräsident Igor Schuwalow in Peking mit seinem chinesischen Amtskollegen zu Gesprächen über die Errichtung eines Clearing-Systems für internationale Interbanken-Finanztransaktionen zusammen. Es könnte oder würde im Fall weiterer Sanktionen durch USA und EU den SWIFT-Interbanken-Zahlungsmechanismus ablösen. Nach seinen Gesprächen in Peking bestätigte Schuwalow vor der Presse: »Ja, wir haben diskutiert und befürworten diese Idee

Russland reagiert damit auf Washingtons eskalierende finanzielle Kriegsführung von Wirtschaftssanktionen gegen führende russische Persönlichkeiten. Washington beabsichtigt, die Spannungen und Konfrontationen aus der Zeit des Kalten Krieges wieder aufleben zu lassen, um einen blutigen Keil zwischen die Länder der EU, insbesondere Deutschland und Russland zu treiben. Im März dieses Jahres beschloss die EU unter dem Druck Washingtons einstimmig eine Reihe von Sanktionen gegen wichtige russische Persönlichkeiten aus Präsident Putins Umfeld. Die Sanktionen waren die Antwort auf das Referendum über die Unabhängigkeit der Krim, bei der sich die überwältigende Mehrheit der Wähler - 93 Prozent - für die Mitgliedschaft in der Russischen Föderation und für eine Abspaltung von der Ukraine aussprach.

Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications, abgekürzt SWIFT, stellt eine der wichtigsten Verbindungen Russlands zum internationalen Finanzsystem dar. Wie Bloomberg berichtete, brachte die britische Regierung von Premierminister David Cameron am 30. August - ironischerweise unmittelbar nachdem Russland in Minsk Bedingungen für einen Waffenstillstandzwischen der Regierung in Kiew und den Rebellen in der Ostukraine vorgeschlagen hatte - ins Gespräch, die EU-Sanktionen gegen Russland eskalieren zu lassen und russische Banken vom SWIFT abzuklemmen.

Wenn es dazu käme, gliche es der Erklärung eines vollen Wirtschaftskrieges zwischen der EU und Russland. Die Folgen für die EU wären eindeutig verheerend, worüber man sich in Washington oder in führenden Kreisen der Wall Streetohne jeden Zweifel ins Fäustchen lachen würde. Schon jetzt treffen die von den USA verfügten EU-Sanktionen gegen Russland die deutsche Wirtschaft ganz erheblich.

Russland vom SWIFT-System abzuklemmen, wäre ein sehr ernster Schritt, der harte Gegenmaßnahmen aus Russland nach sich zöge. Der Ausschluss Russlands vom SWIFT würde Probleme im grenzüberschreitenden Bankenverkehr schaffen, die den Handel lahmlegen würden.

Die jüngsten Gespräche in Peking zeigen, dass Moskau nicht naiv über die Absicht bestimmter Washingtoner Kreise denkt, die den Druck gegen Russland bis zu einem neuen Kalten oder sogar heißen Krieg eskalieren lassen wollen. Darüber hinaus sind China und Russland im Gespräch über die Schaffung einer neuen internationalen Kreditrating-Agentur, unabhängig von den politisch manipulierten US-Ratingagenturen Moody’s und Standard & Poors.

Diese Initiativen der beiden führenden Länder nicht nur im eurasischen Schanghaier Rat für Zusammenarbeit, sondern auch unter den BRICS-Staaten - Brasilien, Russland, China, Indien, Südafrika - sind ein nächster Schritt, nachdem die BRICS-Staaten im vergangenen Juli in Brasilien einmütig die Gründung einer Alternative zu den von Washington beherrschten Institutionen IWF und Weltbank beschlossen hatten. Geplant sind der Aufbau einer BRICS-Infrastrukturbank und ein Währungsfonds.

Parallel zu dem Schritt, sich aus dem Würgegriff des Dollar-Systems zu befreien, verhandeln Russland und China über ein Abkommen, den Energiehandel zwischen beiden Ländern in den eigenen Währungen abzuwickeln und nicht mehr, wie seit der Gründung des Bretton-Woods-Systems 1944 üblich, über den US-Dollar. Seit August 1971, als US-Präsident Nixon entschied, die Bindung des US-Dollars an das Gold aufzuheben, beruht die Macht der USA auf einem System, bei dem alle Länder unabhängig von steigendem oder fallendem Dollarkurs gezwungen waren, den US-Dollar für den Handel mit Erdöl, Rohstoffen und anderen Waren einzusetzen.

Als der Euro nach der Finanzkrise von 2008 erstmals zu einer Herausforderung für die Rolle des Dollars als »Reservewährung« wurde, koordinierte man in Washington eilig die spätere »Griechenland-Krise«. Beteiligt waren die Wall Street und die Abteilung für Wirtschaftskriegsführung in der Obama-Regierung, die Working Group on Financial Markets (Arbeitsgruppe über Finanzmärkte), in Washington auch bekannt als »Plunge Protection Team« (Absturzverhütungsteam) unter Vorsitz der Chefs von Federal Reserve, der Bankenaufsicht SEC und der Commodity Futures Trading Commission [die die Future- und Optionsmärkte in den USA reguliert].

De facto war die »Griechenlandkrise« eine volle Finanzkriegsoffensive Washingtons und der Weltbank gegen die Stabilität des Euro. Unter Beteiligung der Federal Reserve, Rating-Agenturen, von der Wall Street finanzierten Hedgefonds-Spekulanten und des US-Finanzministeriums wurde die Euro-Krise geschaffen. Infolgedessen stieg der Dollar drastisch, die Volkswirtschaften in Euroland sind seither deutlich geschwächt.

Eindeutig haben China und Russland sowie andere Regierungen von Schwellenländern Washingtons neue Finanzkriegswaffe verstanden, die durch nach dem 11. September 2001 verhängte Maßnahmen verfeinert wurde. Letztere richteten sich angeblich gegen Geldwäsche durch internationale Terroristen, lassen sich aber heute ganz klar auf alle Banken der Welt anwenden. Wirtschaftlich und finanziell betrachtet nähert sich die Welt dem »Umkipppunkt«; mit der Schaffung einer gemeinsamen russisch-chinesischen Alternative zum SWIFT würde ein weiterer dicker Nagel in den Sarg für den Dollar geschlagen. Es steht jedoch nicht zu erwarten, dass Washington und die Wall Street diesen Nagel widerstandslos hinnehmen. Seit dem US-finanzierten Putsch in der Ukraine vom Februar 2014 befinden wir uns in einer neuen Ära weltweiter Kriegsführung.