Im Gegensatz zur immer noch weit verbreiteten Wissenschaftsmeinung, wonach das Erdmagnetfeld mehre tausend Jahre benötigt, um sich nach und nach gänzlich umzupolen, deuten immer mehr Studien daraufhin, dass dieser Vorgang auch wesentlich schneller vor sich gehen kann. So schnell sogar, dass von einem regelrechten "Polsprung" die Rede ist. Dass eine vollständige Umpolung des Erdmagnetfeldes vor rund 780.000 Jahren sogar binnen weniger als 100 Jahre vor sich ging, hat nun ein internationales Geologenteam herausgefunden.
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© NSF, Public DomainSimulation des Magnetfelds in der Erde.
Rom (Italien) - Wie das Team italienischer, brasilianischer und US-amerikanischer Geologen um Leonardo Sagnotti vom Istituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia in Rom aktuell im Fachjournal Geophysical Journal International berichtet, haben sie jahrtausendealte Lava- und Ascheablagerungen eines urzeitlichen Sees, wie sie im Sulmona-Becken in den Apenninen östlich von Rom zutage treten, analysiert. Hier hat die erstarrte Lava Ausrichtung und Stärke des einstigen Magnetfeldes regelrecht konserviert.

Wie die Forscher durch ihre Analysen zeigen können, ereignete sich die als "Brunhes-Matuyama-Umkehr" bezeichnete Umpolung des irdischen Magnetfeldes damals innerhalb weniger als 100 Jahren. Während die damalige Umpolung bereits bekannt war, überraschte die geringe Dauer dieses Vorgangs selbst die beteiligten Wissenschaftler. Zudem scheint es so, als habe sich das Magnetfeld umgekehrt, ohne dass es zu den erwarteten Übergangsphasen und -stadien gekommen war.

Während die Forscher nicht darüber spekulieren, ob es auch in Zukunft so solchen regelrechten Polsprüngen kommen wird oder nicht, sei jedoch angesichts aktueller Geodaten klar, dass sich das Magnetfeld unseres Planeten derzeit in einer deutlich instabilen Phase befinde. Die Abschwächung der magnetischen Intensität und eine Achsenverschiebung um fasst 500 Kilometer innerhalb der letzten 200 Jahre, spreche dafür, dass eine erneute Polumkehr bevorstehe. Mit dieser Umpolung sei noch innerhalb der nächsten 1000 Jahre zu rechnen.

Schon 2012 konnten Wissenschaftler nachweisen, dass es vor 41.000 Jahren zu einer vollständigen und schnellen Umpolung des Erdmagnetfeldes innerhalb von nur wenigen hundert Jahren gekommen war (...wir berichteten).

Ein abrupter Polsprung könnte chaotische Auswirkungen auf Navigation und beispielsweise das Verhalten von Zugtieren haben. Da sich bei einer Umpolung das Magnetfeld auch abschwächt, wäre die Erde weniger vor Strahlung aus dem Weltraum geschützt, wie sie sich schädlich auf Satelliten, Energie- und Kommunikationsnetzwerke auswirken kann. Die Auswirkungen wären also möglicherweise mit jenen zu vergleichen, wie sie unter anderem die NASA im Falle besonders hoher Sonnenaktivität befürchtet, die zwischen 2012 und 2013 erwartet wird (...wir berichteten) - besonders, wenn beide Ereignisse (Polsprung und starke Sonnenaktivität) zusammenfallen würden.

Scott Bogue, der einen Polsprung vor 16 Millionen Jahren untersucht, widerspricht hingegen Katastrophenszenarien selbst im Falle eines derart spontanen Ereignisses. Zwar sieht auch er in der seit etwa hundert Jahren beobachtbaren Abschwächung des Erdmagnetfelds Hinweise auf eine bevorstehen magnetische Umpolung der Erde hin, ein solcher Vorgang sei aber lediglich "für Geologen ein spektakuläres Phänomen (...) Auf unseren Alltag würde es sich nicht in besonderer Form auswirken", zitierte 2010 "ScienceNews.org" den Forscher.