Unter dem Deckmantel einer Demonstration gegen Salafismus ist es in Köln zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Rechtsextremisten hätten sich gewaltbereiten Hooligans angeschlossen, diese aber nicht gesteuert, heißt es vom Verfassungsschutz.
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Treibende Kraft der Ausschreitungen in Köln am Sonntag waren nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gewaltbereite Hooligans. Rechtsextremisten hätten sich der Bewegung angeschlossen, sie aber nicht gesteuert, sagte der Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen, Burkhard Freier, am Montag im WDR. Die Behörden seien davon nicht überrascht worden, betonte er. Polizei und Verfassungsschutz hätten Erkenntnisse gehabt, „dass hier eine Gruppe demonstriert, die aus unterschiedlichen Strömungen besteht, nämlich gewaltbereite Hooligans, dazu Hooligans mit Überschneidungen zur rechten Szene“, berichtete Freier. Hinzugekommen seien gewaltbereite Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet: „Parteien, NPD und die Partei Die Rechte, aber auch Skinheads und die Musikszene.“

Gemeinsam sei ihnen allen die Gewaltbereitschaft und eine „aggressive Grundhaltung gegen den extremistischen Salafismus“. Aus der Hooliganszene seien Gruppen von Fanbereichen zusammengekommen, die sich sonst bekämpfen, die aber glauben, hier ein Ziel gefunden zu haben, mit dem sie eigene Stärke nach außen zeigen und Gewalt ausüben könnten.

Bis in die Nacht war es in Köln zu Ausschreitungen mit der Polizei gekommen. Insgesamt wurden 44 Polizisten verletzt und rund 20 gewaltbereite Demonstranten in Gewahrsam genommen, wie ein Polizeisprecher am Montagmorgen auf Nachfrage sagte. Noch Stunden nach Ende der Veranstaltung habe „eine Hand voll“ Hooligans in der Innenstadt randaliert. Dabei sei eine „kleine Gruppe“ festgenommen worden und habe die Nacht auf der Wache verbracht.

Zu der Demonstration waren deutlich mehr Menschen als erwartet aus ganz Deutschland angereist und durch die Innenstadt marschiert. Organisator war laut Polizei die Vereinigung „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Schon kurz nach Beginn des Umzugs hätten Teilnehmer Feuerwerkskörper abgebrannt und dann teils in stark alkoholisiertem Zustand Polizisten mit Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert, teilte die Polizei mit. Die Beamten hätten Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Mehrere Einsatzfahrzeuge der Polizei seien beschädigt worden. Eine Gegendemonstration verlief friedlich und ohne Zwischenfälle. Schon Ende September hatten Hooligans in Dortmund gegen den islamistischen Prediger Pierre Vogel protestiert.

Innenminister Jäger: Kein „einfaches Verbot“ möglich

Trotz der Ausschreitungen und der vielen Verletzten zog Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) eine positive Bilanz des Polizeieinsatzes. Das Konzept der Polizei habe in Köln „funktioniert“, sagte er am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Die Polizei sei besonnen, aber konsequent vorgegangen.

Auch sei die Lage durch die Sicherheitskräfte richtig eingeschätzt worden. Die Polizei habe bei mehr als 7000 Online-Anmeldungen zu der Kundgebung mit etwa 4000 Teilnehmern gerechnet. Diese Einschätzung sei „ziemlich präzise gewesen“. Die Polizei sein mit starken Kräften vor Ort gewesen. Jäger sagte weiter, die Demonstration sei vom Veranstalter abgebrochen worden. Die Hooligans hätten sich aber geweigert, das Veranstaltungsgelände zu verlassen. Die Polizei habe daraufhin „alle zum Hauptbahnhof geleitet - auch unter Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern bei verschiedenen Auseinandersetzungen“.

Neue ähnliche Ausschreitungen könne er „nicht ausschließen, weil das Demonstrationsrecht im Grundgesetz verankert ist“, sagte Jäger. „Ein einfaches Verbot“ sei nicht „ohne Weiteres“ möglich. Notfalls müsste das Bundesverfassungsgericht überzeugt werden, „dass hier das Recht auf Demonstration als Grundrecht einzuschränken wäre“, sagte Jäger. Dies sei „eine Möglichkeit, falls sich ein solches Bündnis noch einmal zusammentut“.

Auch im Hinblick auf die Terrorgefahr durch Salafisten könne es keine absolute Sicherheit in Deutschland geben, sagte Jäger weiter. „Es gibt weniger komplexe Zellen, die große Anschläge planen, sondern wir müssen mit mehr Einzeltätern rechnen, die mit Schusswaffen zuschlagen.“ Darauf seien die Sicherheitsbehörden aber vorbereitet. Jäger sprach sich gegen strikte Ausreiseverbote aus. „Wir müssen nicht das Ausreisen, sondern das Abgleiten in die Szene verhindern und brauchen deshalb mehr Prävention“, betonte der Innenminister. Er kündigte an, sich dafür auch als Vorsitzender der Innenministerkonferenz bei seinen Kollegen einsetzen zu wollen.

Quelle: dpa/AFP