Ein Urologe soll in den vergangenen Jahren insgesamt 323 absichtliche Fehldiagnosen gestellt haben und mindestens elf Patienten zu teuren Behandlungen verleitet haben. Nach drei Jahren Ermittlungen muss der Arzt nun vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge vor.
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© Joe Raedle/Getty Images
Körperverletzung mit Todesfolge

Ein Urologe aus Wolfsburg wurde von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft wegen 323 vorsätzlich falsch gestellter Diagnosen angeklagt. Wie die Behörde am Freitag laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP mitteilte, habe der Mediziner unter anderem elf Privatpatienten zu teuren Folgebehandlungen „verleitet“. Die Staatsanwaltschaft geht demnach davon aus, dass der 61-jährige Arzt aus Wolfsburg zwischen 2005 und 2011 in insgesamt 323 Fällen absichtlich falsche Diagnosen gestellt hat. Eine Sprecherin sagte am Freitag, dass die Anklage gegen den Arzt nun nach dreijährigen Ermittlungen unter anderem wegen Körperverletzung mit Todesfolge erhoben worden sei.

Nicht vorhandene Nierensteine behandelt

Wie es heißt, sei der Mediziner aufgefallen, da er deutlich häufiger Nierensteineund Gallensteinebei seinen Patienten feststellte als andere Urologen. Bereits 2011 wurden seine Praxisräume durchsucht. Einige Patienten wunderten sich zudem über die Diagnosen, als sie sich eine gegenteilige Zweitmeinung eingeholt hatten. Für die Krankenkassen soll der Schaden bei über 100.000 Euro liegen. Des weiteren soll er bei insgesamt elf Patienten unter anderem nicht vorhandene Nierensteine behandelt und unnötige Blasenspiegelungen vorgenommen haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass es bei einer solchen Spiegelung Komplikationen gegeben habe und der Patient gestorben sei. „Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist der Arzt für den Todesfall verantwortlich, denn ohne die falsche Diagnose hätte der Patient nicht in den Eingriff eingewilligt.“ Der Angeklagte darf seit 2011 nicht mehr als selbständiger Arzt arbeiten.

Anklage auch gegen beteiligten Narkosearzt

Die Staatsanwaltschaft klagte den Mediziner darüber hinaus auch wegen Betrugs an. Den Angaben zufolge waren dem Schritt aufwändige Ermittlungsarbeiten vorausgegangen. So mussten nach der Durchsuchung der Praxis des Beschuldigten im Jahr 2011 wegen der komplexen medizinischen Thematik zunächst 18 Sachverständigengutachten für die Anklage eingeholt werden. Da nach ihrer Auffassung aufgrund der Vorspiegelung falscher Fakten keine wirksame Behandlungseinwilligung vorlag, klagte die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten wegen gefährlicher Körperverletzung an. Neben dem Urologen klagte die Staatsanwaltschaft im Fall des verstorbenen Patienten nach eigenen Angaben auch einen Narkosearzt an, der an der Behandlung beteiligt war.

Aufsehenerregender Fall in den Niederlanden

Fehldiagnosen - auch absichtliche - sind leider keine große Ausnahme. Ein aufsehenerregender Fall war der eines niederländischen Neurologen, der auch in verschiedenen Kliniken in Deutschland praktizierte. Im vorvergangen Jahr wurde ihm vorgeworfen, mehr als 200 Patienten falsch diagnostiziert und behandelt zu haben. Dem „Skandalarzt“, Horrorarzt“ oder „Dr. Frankenstein“, wie der niederländische Mediziner von Medien betitelt wurde, wurden unter anderem unerlaubte Obduktionen und Gehirn-OPs sowie das absichtliche Fälschen von Testergebnissen und Vortäuschen von schweren Diagnosen unterstellt. Aus der niederländischen Politik wurde damals die Forderung nach einer internationalen schwarzen Liste laut.

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