Unglaublich: Wer sieben Jahre in einen Bausparvertrag einzahlt, steht am Ende vor einem Verlust. Die Kombination von extrem niedrigen Zinsen und hohen Abschlussgebühren macht den einstigen Bestseller unter den deutschen Finanzprodukten zunehmend unattraktiv.

Bild
Der Bausparvertrag gehört neben dem Sparbuch zu den Klassikern unter den deutschen Finanzprodukten. Die Idee ist denn auch bestechend einfach: Der Kunde spart mit regelmäßigen Beiträgen eine bestimmte Summe an, bekommt dafür innerhalb der Einkommensgrenzen eine staatliche Prämie und erhält in der zweiten Phase günstiges Baugeld.

Da das Bauspardarlehen allein in der Regel zur Finanzierung der eigenen Immobilie nicht ausreicht, akzeptieren die Bausparkassen eine nachrangige Absicherung im Grundbuch. Dadurch kann der angehende Immobilien-Eigentümer noch einen Bankkredit in Anspruch nehmen. Aktuellen Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 30 Millionen Bausparverträge.

Die anhaltende Niedrigzinspolitik stellt dieses Geschäftsmodell jedoch zunehmend in Frage. Mehr noch: Bei manchen Bausparkassen werden die Kunden regelrecht bestraft. Sie müssen in der Ansparphase mit Verlusten rechnen. Grund hierfür sind die horrenden Abschlussgebühren. Sie machen bei manchen Bausparkassen sage und schreibe 1,6 Prozent der Bausparsumme aus. Dieser Betrag liegt über den Zinserträgen, die der Kunde während der Ansparphase erhält.

Verluste für den Bausparer

Unfassbar, aber wahr: Wer monatlich 400 Euro spart und dafür 0,25 Prozent Zinsen erhält, hat bei einer Bausparsumme von 100 000 Euro nach Berechnungen der unabhängigen Frankfurter Finanzberatung FMH nach sieben Jahren einen Verlust von 1,12 Prozent eingefahren. Hohe Abschlusskosten und extrem niedrige Zinsen machen das Bausparen zunehmend zum Verlustgeschäft. Mit den Abschlusskosten werden in erster Linie die Provisionen für die Vermittler gezahlt, außerdem zum Teil die Verwaltungskosten bis hin zu den üppigen Vergütungen der Geschäftsführer und Vorstände.

Die Rechnung ist einfach: Machen die Abschlusskosten für den Bausparvertrag 1,6 Prozent aus, so ergibt dies bei einer Bausparsumme von 100 000 Euro einen Betrag von 1600 Euro. Wer monatlich 400 Euro spart, baut bis zum Ende des siebten Jahres 33 600 Euro auf. Dafür erhält er 299 Euro Zinsen (0,25 Prozent pro Jahr). Das Guthaben des Kunden müsste also 33 899 Euro betragen. Wegen der Abschlusskosten in Höhe von 1600 Euro hat er aber nur 32 299 Euro auf seinem Konto. Ein Verlust von 1,12 Prozent, die Teuerungsrate nicht einmal berücksichtigt. Wer jeden Monat 400 Euro in seinen Safe legt, hätte also nach sieben Jahren über 1300 Euro mehr als beim Bausparen. Das zeigt einmal mehr die irrwitzigen Folgen der extremen Niedrigzinspolitik, deren Ende noch nicht absehbar ist.

Manche Bausparkassen begnügen sich mit Abschlussgebühren von nur einem Prozent der Bausparsumme. Doch auch diese Angebote sind nicht eben kundenfreundlich. Bei einem Zinssatz von 0,25 Prozent pro Jahr fällt der Verlust für den Bausparer nach sieben Jahren allenfalls etwas geringer aus (minus 0,6 statt minus 1,12 Prozent).

Erst ab einem Zinssatz von 0,75 Prozent endet die Ansparphase für den Kunden mit einem Nullsummen-Spiel: Die Zinsen kompensieren dann die Abschlussgebühr in etwa. Doch eine solche Rendite dürfte schwerlich zu erzielen sein. Manche Bausparkassen zahlen ihren Kunden gerade noch 0,1 Prozent. Um dennoch Kunden zu gewinnen, bieten manche Bausparkassen Boni, die aber wiederum an Bedingungen geknüpft sind.

Verzweifelte Suche nach neuen Kunden

Auch viele Vermittler spüren inzwischen überdeutlich, dass die Kunden nicht auf den Kopf gefallen sind und sich für ein Finanzprodukt, das in der Ansparphase zu Verlusten führt, nicht mehr interessieren. Wie groß die Not ist, zeigt eine Entscheidung der Finanzaufsicht Bafin. Ende vergangenen Jahres erlaubte die Behörde, einen Teil der Abschlussgebühren an die Kunden weiterzugeben. Dadurch könnten in der Tat negative Zinsen vermieden werden.

Doch die Branche gibt sich bisher zurückhaltend. Um »die Tragfähigkeit« des Bausparkassen-Systems zu wahren, könnten die Institute nicht auf die Abschlussgebühren verzichten. WennVermittler ihren Kunden einen Teil dieser Kosten erstatteten, müssten sie dies aus eigener Tasche zahlen. Und die Kunden hätten diese Erstattung dann zu versteuern, winkt der Bausparkassen-Verband schon mal mit dem fiskalischen Zaunpfahl.

Gern verweist die Branche auf die günstigen Konditionen in der Darlehensphase. Mit der geringen Verzinsung in der Sparphase, die schon mal einen realen Verlust zur Folge haben kann, sichere sich der Kunde ein preiswertes Darlehen. Das mag früher gestimmt haben, heute freilich nähern sich die Zinsen für zehnjährige Baudarlehen allmählich der Nulllinie. Bauspardarlehen sind somit in dieser Hinsicht gegenüber den Annuitätendarlehen der Banken nicht mehr sonderlich attraktiv.

Das könnte sich nur dann ändern, wenn die Zinsen in den nächsten Jahren drastisch stiegen. Doch solange die Staatsschuldenkrise schwelt, ist davon kaum auszugehen. Der Leiter der Baufinanzierung einer großen deutschen Privatkundenbank glaubt sogar mittelfristig an weiter sinkende Zinsen, wie er dieser Tage in vertraulichen Gesprächen versicherte.

Viele Bausparkassen stehen zudem wegen ihrer Vertragskündigungen schon seit einer Reihe von Monaten in den Schlagzeilen. Der Hintergrund: Für viele Kunden war der Bausparvertrag lange Zeit eine Alternative zum Sparbuch. Sie schlossen also einen Bausparvertrag ab, obwohl sie gar nicht vor hatten, zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen.

Viele Bausparverträge brachten unter dem Strich eine höhere Rendite ein als eine konventionelle Sparform. Die Kunden mussten lediglich eine siebenjährige Wartefrist beachten, ansonsten wurden die gewährten Prämien zurückgefordert. Die Bausparkassen hatten nichts dagegen, im Gegenteil, das brachte zusätzliches Geld in die Kassen. Die Institute konnten also mehr Darlehen vergeben und Zinsen vereinnahmen.

Wie Bausparkassen ihre Kunden vor den Kopf stoßen

In der Niedrigzinsphase wurden diese Verträge für die Bausparkassen allerdings zu einem ernsten Problem. Denn laut Bausparkassengesetz dürfen Wüstenrot, LBS, BHW & Co. ihr Geld nur sicher anlegen. Und als sicher gelten nach der gesetzlichen Regelung Staatsanleihen des Bundes, der Bundesländer, der Europäischen Union, ihrer Mitgliedstaaten sowie vor Ausfall geschützte Anlagen wie etwa Pfandbriefe. Verboten sind den Bausparkassen hingegen Aktiengeschäfte sowie das Eingehen von Währungsrisiken.

Während die Renditen für sichere Anlageformen dramatisch sanken, saßen die Bausparkassen auf Hunderttausenden von Verträgen, die ihren Kunden lediglich als Geldanlage dienten. Für manche Verträge aus den 1990er-Jahren müssen die Bausparkassen heute noch 3,5 Prozent Zinsen zahlen. Das entspricht aktuell etwa dem Siebenfachen dessen, was Bankkunden für Einlagen auf Tagesgeldkonten im Schnitt bekommen.

Viele Anbieter kündigten daher einfach die Altverträge. Die Kunden hatten die Wahl, sich ihr Guthaben auszahlen zu lassen und - falls gewünscht - einen neuen Vertrag zu den für die Bausparkassen günstigeren Konditionen abzuschließen, oder das Bauspar-Darlehen in Anspruch zu nehmen. Diese Vorgehensweise ist umstritten. Während Verbraucherschützer von einem Skandal sprachen, entschied das Landgericht Mainz 2014 zugunsten der Bausparkassen. Und auch die Finanzaufsicht BaFin äußerte Verständnis für die Baufinanzierer.

Verkehrte Welt: Während (Bau-)Sparer mit Verlusten regelrecht bestraft werden, prüft die staatseigene Förderbank KfW die Möglichkeit negativer Zinsen für ihre Darlehensprogramme. Wer künftig also ein Darlehen bei der KfW zur Baufinanzierung oder Modernisierung in Anspruch nimmt, bekommt vielleicht noch Geld dazu. Sparer werden bestraft, Schuldenmacher hingegen belohnt. Das sagt alles über das aktuelle Finanzsystem.