Seit der Zeit, als die CIA mehr als 100 Mudschahedin, islamische Gotteskrieger - unter ihnen ein fanatischer Saudi namens Osama bin Laden - für einen zehn Jahre währenden Stellvertreterkrieg gegen Einheiten der Sowjetarmee in Afghanistan bezahlte und ausbildete, ist Washington von der Idee besessen, weit nach Zentralasien vorzudringen, um einen Keil zwischen China und Russland zu treiben.
obama nuland weißes haus
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Ersten Versuchen während der Anwesenheit amerikanischer Truppen in Afghanistan nach dem 11. September 2001 war nur mäßiger Erfolg beschieden. Jetzt will es Washington offenbar erneut versuchen. US-Botschafter Richard M. Miles wurde sogar aus dem Ruhestand zurückgerufen, um eine neue Farbenrevolution in die Wege zu leiten.

Washington fühlt sich offenbar zu der neuen Konzentration auf Zentralasien gedrängt. Denn weit davon entfernt, sich den finanziellen Sanktionen der USA und der EU zu beugen, wirkt Russland dynamischer denn je und schließt allerorten strategisch wichtige Verträge über wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit ab. Und Russlands eurasischer Nachbar, die Volksrepublik China, präsentiert Pläne für den Bau von Öl- und Gaspipelines und Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverbindungen quer über den eurasischen Kontinent bis nach Russland. Darauf scheint Washington nun zu reagieren.

Das Problem der Neokonservativen in Washington liegt in ihrer mangelnden Kreativität, die Folgen ihres Vorgehens zu verstehen, genauer gesagt: Sie sind reichlich dumm.


Kommentar: Jup. Neben dem Fehlen von Empathie und Gewissen, gehören auch mangelnde Kreativität und "schlechtes Urteilsvermögen und Versagen, aus Erfahrungen zu lernen", sowie die Unfähigkeit, langfristige, realistische Pläne (die nicht in Schäden und Zerstörung enden) zu verfolgen, zu den Symptomen der Psychopathie.


Und ihre Tricks sind inzwischen allgemein bekannt, nicht nur in Moskau, sondern auch in Usbekistan, Kirgistan und anderen ehemaligen zentralasiatischen Teilrepubliken der Sowjetunion.

Der kommende Wirtschaftsboom in Zentralasien

Die zentralasiatischen Republiken, insbesondere Kirgistan und Usbekistan, liegen strategisch wichtig zwischen China, Kasachstan und Russland. Das bedeutet: Sie liegen im Zentrum des zukünftigen Wirtschaftsbooms, der mit Chinas neuem Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz der Neuen Seidenstraße kommen wird. Durch diese Eisenbahnverbindungen entsteht eine hocheffiziente Überlandverbindung, die auch bei möglichen Unterbrechungen des Seeweges durch die USA offenstehen und in ganz Eurasien rapide wachsenden Handel ermöglichen - potenziell auch den Handel mit Europa, wenn die EU jemals den Mut aufbringt, sich Washington zu widersetzen.

Mit der Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) als klarem Konkurrenten für den Internationalen Währungsfonds und die US-kontrollierte Asiatische Entwicklungsbank machte China kürzlich Schlagzeilen, als sich Großbritannien, Deutschland, Frankreich und fast alle größeren Länder - ausgenommen die USA, Kanada, Mexiko und Japan - schleunigst als Gründungsmitglieder bewarben. Sie wollen Teil einer Institution sein, die verspricht, wenn alles richtig gemacht wird, für mindestens die nächsten 50 Jahre zur Lokomotive für die Weltwirtschaft zu werden. Die AIIB wurde von Peking mit einem Startkapital von 50 Milliarden Dollar gegründet, auch zur Finanzierung der Neuen Seidenstraße.

Darüber hinaus hat Peking den alten Plan zum Bau einer Eisenbahnverbindung von der Provinz Xinjiang im äußersten Westen des Landes nach Usbekistan über das Gebiet von Nord-Kirgistan wieder aktiviert. Die ursprünglichen Pläne waren 2005 auf Eis gelegt worden, als Kirgistan durch eine von den USA angezettelte Farbenrevolution zu instabil wurde.

Am 21. Januar 2015 gab der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew bekannt, seine Regierung entsende eine Delegation nach Peking, um die Einzelheiten über den Beginn des Projekts zu besprechen.i Es geht um eine zwei Milliarden teure und 270 Kilometer lange Eisenbahnverbindung von Kaxgar in der Region Xinjiang in Westchina nach Andijon in Ost-Usbekistan über die Bezirke Naryn und Osch in Kirgistan.

In einem neueren Memorandum über das Projekt betont das britische Außenministerium, das Eisenbahnprojekt werde vor allem Usbekistan und China nutzen und das gesamte eurasische Eisenbahnprojekt Neue Seidenstraße voranbringen. Damit erhalte China eine zusätzliche Überlandverbindung durch Zentralasien für Exporte auf den europäischen Markt, es sei zu erwarten, dass sie an das bestehende Eisenbahnnetz in Usbekistan und Turkmenistan zum Kaspischen Meer angeschlossen werde. China erhalte auch leichteren Zugang zu Gold-, Kohle- und anderen Rohstoffvorkommen in Kirgistan, einem seit der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 und der Ausrufung von Kirgistan als unabhängige Republik wirtschaftlich weitgehend vergessenen Staat.ii

Für Usbekistan werde es, so das Memorandum des britischen Außenamts, eine neue Eisenbahnroute für den Handel auf den asiatisch-pazifischen Märkten bieten. Das sei besonders wichtig für das Automobilwerk von GM-UzDaewoo in der Region Andijon, das auf den regelmäßigen Import von Teilen und Komponenten aus Südkorea angewiesen ist. Für Kirgistan biete es das Potenzial, jährliche Transitgebühren von bis zu 200 Millionen Dollar einzunehmen, während der Bauphase würden 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus sei es potenziell lohnend, Kirgistan für umfangreiche chinesische Investitionen im Bergbau zu öffnen, die die kirgisische Wirtschaft dringend brauche.iii

In einem weiteren geopolitisch-wirtschaftlichen Vorstoß gab Pakistan am 9. April bekannt, unmittelbar nach Aufhebung der US-Sanktionen mit dem lange aufgeschobenen Bau einer 7,5 Milliarden teuren iranisch-pakistanischen Gaspipeline zu beginnen, die über den pakistanischen Hafen Gwadar zur Stadt Nawabshah in Südost-Pakistan verlaufen und das dringend benötigte Äquivalent von 4500 Megawatt Strom liefern soll.

2014 sabotierte Washington das Projekt, indem die pakistanische Regierung mit 1,5 Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien bestochen wurde, das Projekt aufzugeben. Washington drohte Pakistan mit Strafzahlungen, wenn gegen die Sanktionen gegen den Iran verstoßen würde. Genauso wie die Wall Street nutzt auch Washington gern fremdes Geld, um die eigenen Ziele zu erreichen.

Ein Jahr später - das saudi-arabische Geld ist inzwischen ausgegeben - kündigt Pakistan an, das Pipeline-Projekt werde jetzt in Angriff genommen. In aller Stille hat sich Pakistan einen Zwei-Milliarden-Dollar-Kredit besorgt ... von China. Der pakistanische Abschnitt der Pipeline hat eine Länge von 780 Kilometern; bezahlt wird mit dem chinesischen Darlehen, den Bau übernimmt die staatliche chinesische Energiegesellschaft CNPC. Der Iran hat den Bau seines 900 Kilometer langen Abschnitts bereits abgeschlossen.iv

Washingtons verzweifelter Sabotageversuch

Angesichts des rasanten Aufbaus transnationaler Wirtschaftsverbindungen, Eisenbahnen und Pipelines in Eurasien wird Washington klar, dass schnell gehandelt werden muss, will man nicht von den Mitgliedsstaaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit - Russland, China, Usbekistan, Kirgistan und Kasachstan - überflügelt werden.

Nicht nur das, sondern im Januar 2015 starteten Russland, Weißrussland, Kasachstan und Armenien ihre Eurasische Wirtschaftsunion, Kirgistan erwägt den Beitritt. Das ist dieselbe Wirtschaftsunion, der sich der demokratisch gewählte ukrainische Präsident Wiktor Janukowytsch anschließen wollte, anstatt sich auf ein vorgeschlagenes Assoziierungsabkommen mit der EU einzulassen. Victoria Nuland vom Washingtoner State Department und ihr übliches Umfeld von neokonservativen Kriegsfalken lancierten die Twitter-Proteste vom Maidan-Platz und den Putsch vom Februar 2014 nicht zuletzt, um diesen Schritt der Ukraine zu verhindern.

In dem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die kirgisische Zeitung Delo No Ende März 2015 berichtete, ein mysteriöses ukrainisches Flugzeug habe im vergangenen Monat 150 Tonnen Fracht, deklariert als »diplomatische Post«, an die US-Botschaft in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek geliefert. Der Status »diplomatische Post« bedeutet, dass die Fracht von den kirgisischen Zollbehörden nicht inspiziert werden darf. Die Mitarbeiter der US-Botschaft in Bischkek sind offenbar fleißige Briefeschreiber.

Wie die Zeitung berichtete, wurde die Fracht zwischen dem 28. und 30. März mit zwei separaten Flügen einer AN-12-Transportmaschine der ukrainischen Luftfahrtgesellschaft Antonov Airlines geliefert, beide Male befand sich das Flugzeug auf dem Weg von Abu Dhabi aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zum internationalen Flughafen Manas. Seltsam.v

Im November 2013 erhielt die US-Botschaft in Kiew ebenfalls »diplomatische Fracht«, die von Transportflugzeugen der US Air Force angeliefert wurde. Das russische Nachrichten-Netzwerk Vesti.ru zitierte den ehemaligen ukrainischen Sicherheitschef Alexander Yakimenko, zu der Fracht hätten Kisten mit 60 Millionen Dollar in kleinen Scheinen gehört, die während der regierungsfeindlichen Proteste Ende 2013 auf dem Maidan-Platz in Kiew an Demonstranten verteilt worden seien - Victoria Nulands Vorstellung von Demokratie. Bis April 2014 hatte die US-Regierung einen strategisch wichtigen Luftwaffenstützpunkt in Manas, Kirgistan, vor Inspektionen durch kirgisische Behörden abgeschirmt.viDamals kursierten Berichte, dort landeten Frachtmaschinen des US-Militärs, die Heroin aus Afghanistan an Bord hätten, auf dem Weg nach Russland und in die EU.

Im November 2014 warf der Chef der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (CSTO),Nikolai Bordjuscha, dem Westen vor, er versuche, die CSTO-Länder zu destabilisieren. Die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit ist ein Sicherheitsbündnis der ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien, Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Russland und Tadschikistan für die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten in strategisch wichtigen Fragen.

Bordjuscha erhob den Vorwurf, in der Region seien »durch westliche Agenten finanzierte NGOs« verstärkt aktiv. Er beschuldigte den Westen, die Lage in den CSTO-Ländern zu destabilisieren. Als Beweis nannte er einen »unverhältnismäßigen Anstieg der Zahl der Vertreter in den Botschaften westlicher Länder, insbesondere der der USA, und die Aktivierung der Arbeit der zahlreichen mit westlichen Stipendien finanzierten NGOs«. Er betonte, unmittelbar vor Beginn von Washingtons Staatsstreich in Kiew sei die Zahl der Mitarbeiter der US-Botschaft auf erstaunliche 1500 gestiegen, und das in einem Land, an dem Washington nur interessiert sei, um einen Keil zwischen Russland, China und die EU zu treiben.vii

Am 5. Februar dieses Jahres gab das US State Department bekannt, man habe den 78-jährigen inzwischen pensionierten Architekten von Farbenrevolutionen, Richard M. Miles, als »Chargé d’affaires ad interim« in die US-Botschaft in Bischkek entsandt. Miles war der Mann hinter der »Rosen-Revolution« der CIA, durch die der von Washington handverlesene Micheil Saakaschwilizum Präsidenten der Republik Georgien gemacht wurde. Er war auch in ähnliche schmutzige Operationen in den 1990er Jahren in Aserbaidschan verwickelt, wo BP und US-Ölgesellschaften eine Ölpipeline von Baku über Georgien nach Ceyhan bauen wollten, um die bestehende russische Pipeline, die durch Tschetschenien verlief, zu umgehen.viii

Miles‘ Berufung erfolgte zur gleichen Zeit, als die Ressortleiterin im US State Department Victoria Nuland, neokonservative ehemalige Beraterin von Dick Cheney, ehemalige NATO-Botschafterin und 2014 Schlüsselfigur beim Staatsstreich in Kiew, in den Südkaukasus zu Gesprächen mit den Regierungen von Georgien, Armenien und Aserbaidschan reiste. Washington hat offenbar vor, in Form von Farbenrevolutionen Chaos in ganz Zentralasien zu verbreiten, um die sich rapide entwickelnden Wirtschaftsbeziehungen in Eurasien zu durchkreuzen. Kirgistan ist von besonderer strategischer Bedeutung, denn Chaos dort bedeutet eine unmittelbare Bedrohung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China, Russland und Kasachstan.ix

Wir können davon ausgehen, dass Washington eine neue Welle von Farbenrevolutionen in Kirgistan und Zentralasien startet. Vermutlich auch in Belutschistan in Pakistan, wo radikale Dschihadisten mit Unterstützung der CIA darauf vorbereitet werden, die durch Belutschistan verlaufende iranisch-pakistanisch-chinesische Gaspipeline zu sabotieren. Es ist ein bisschen ermüdend, aber eine Supermacht im Niedergang ist nun einmal nicht besonders kreativ.




Fußnoten:

i Xinhua, »Kyrgyzstan plans on railway project with China«, China Daily.en, 21. Januar 2015.
ii UK Foreign & Commonwealth Office, »CHINA KYRGYZSTAN UZBEKISTAN RAILWAY PROJECT«, Memorandum, 5. Juni 2014, www.gov.uk.
iii Ebenda.
iv OilPrice.com, »The Iran Pakistan pipeline«, Global Energy Advisory, 17. April 2015.
v Sputnik News, »US Sends Mysterious 150 Tons of ›Diplomatic Mail‹ to Embassy in Kyrgyzstan«, 15. April 2015, http://sputniknews.com/world/20150415/1020915385.html#ixzz3XPhMTU5x.
vi Ebenda.
vii Steven Macmillan, »US Wages Geopolitical Warfare against Russia in Central Asia and Caucasus«, 8. April 2015, journal-neo.org/2015/04/08.
viii Ebenda.
ix Ebenda.