1,36 Millionen Chinesen starben vergangenes Jahr wegen des hohen Nikotinkonsums. Nun tritt in Peking ein Anti-Raucher-Gesetz in Kraft. Schüler dürfen deshalb Jagd auf sie machen - mit drei Handzeichen.

anti raucher

"Der Countdown läuft", schreibt die Pekinger Tageszeitung Beijing Ribao über eine einzigartige Kampagne, die demnächst in China beginnt. Die Hauptstadt soll nämlich als erste - und damit als Vorbild für das ganze Land - zur komplett rauchfreien Zone werden. Hunderttausende Schüler wurden dafür mobilisiert. Bei den Vorbereitungen üben sie die drei Handzeichen ein, die sie ertappten Rauchern in Restaurants, bei der Arbeit, auf Bahnhöfen oder öffentlichen Plätzen entgegenstrecken sollen.

Einem Qualmenden die blanke Handfläche zu zeigen bedeutet: "Das geht nicht!"

Sich die Hand vor die eigene Nase zu halten meint: "Was du da machst, stinkt mir!"

Den Zeigefinger gegen die Handfläche zu stoßen ist eine chinesische Aufforderung: "Hör damit auf!"

Das neue vom Pekinger Stadtparlament beschlossene Anti-Raucher-Gesetz tritt am 1. Juni in Kraft, und Global Times nennt es bereits das "Schärfste in unserer Geschichte". Außer zu Hause stellt es das Paffen fast überall unter Strafe. Unbemerkt oder unbestraft soll sich keiner der vier Millionen Raucher in Peking (und damit jeder fünfte Bürger), den Glimmstängel mehr anstecken können. Zuerst zeigen Schüler mit Händen auf sie. Dann dürfen spezielle Ordnungskräfte von den ertappten Sündern bis zu umgerechnet rund 30 Euro Geldbuße kassieren, 20-mal so viel wie bislang.
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© Beijing News Fotoscan/Johnny Erling
Gaststätten, Behörden, Schulen oder Arbeitsstellen, die Rauchen in ihren Räumen erlauben, müssen bis zu 1500 Euro Strafe zahlen. Ab September wird zudem Werbung für Tabak oder Sponsoring mit einer Geldbuße von bis zu einer Million Yuan (140.000 Euro) bestraft. Auch Zigarettenverkauf an Jugendliche ist nicht mehr erlaubt.

Pekinger stimmten über Anti-Raucher-Zeichen ab

Am 12. April hatte die Stadt für ihre Anti-Raucher-Kampagne die drei Handzeichen vorgestellt. Sie ließ die Bevölkerung über Handy und mit dem Kurznachrichtendienst Wechat (Weixin) abstimmen, welche Variante potenzielle Nikotinabhängige am besten abschreckt. Bis Montag hatten drei Millionen Pekinger gewählt. 1,2 Millionen stimmten für das Handzeichen "Das geht nicht", knapp über eine Million für "Mir stinkt's" und rund 746.000 für "Aufhören". Die Behörden nannten das einen so knappen Ausgang der Wahl, dass mit allen drei Gesten künftig vor den Gesichtern der Raucher gefuchtelt werden darf.

Die Regierung ratifizierte bereits 2005 ihren Beitritt zur internationalen Konvention der Tabakkontrolle durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und will schon länger gegen Raucher aktiv werden, doch alle Anläufe scheiterten bisher. So unterschrieb sie auch ein Verbot für Tabakwerbung, doch umgesetzt wurde es nicht. Kleinlaut gestand die Nachrichtenagentur "Xinhua" Ende 2014 ein, dass die Volksrepublik unter den damals 100 Unterzeichnerländern des WHO-Anti-Raucher-Pakts weiterhin an "unterer Stufe steht".


Kommentar: Wieso setzt China auf einmal das Gesetz durch und inhalierte im wahrsten Sinne des Wortes die Antiraucherpropaganda der WHO?


Dabei sprechen die Zahlen für sich: 300 Millionen Raucher verursachen in China die giftigen Schwaden, die auch die Gesundheit weiterer 740 Millionen Passivraucher gefährden, vor allem in ihren Familien. Chinesische Ärzte bezifferten die Zahl an Rauchertoten auf 1,36 Millionen im vergangenen Jahr.

Interessenkonflikt in den Behörden

Zudem baute die Volksrepublik laut Tabakbranche im Jahr 2014 ihren Vorsprung als weltgrößter Zigarettenhersteller und -verbraucher noch aus. Schuld hat neben der Sucht auch der Staat selbst - und zwar wegen eines internen Interessenkonflikts. Die staatliche Monopolbehörde für Tabak sorgt sich nämlich nicht nur um diesen, sondern überwacht gleichzeitig auch politisch die Umsetzung der Anti-Raucher-Kampagnen. So wetteifern zwei Seelen in ihrer Brust: neben ihrer Aufgabe, China immer höhere Tabaksteuer zu verschaffen, zugleich das Ansinnen, für weniger Raucherlungen zu sorgen.

Doch auf die Steuern durch die Nikotinsucht will sie wohl kaum verzichten. Kein Wunder. Das Wirtschaftsfachblatt 21.Century Economic Observer enthüllte, dass 54 Prozent aller Einnahmen, die das Finanzministerium 2014 kassierte, von Rauchern stammten - insgesamt 482 Milliarden Yuan (rund 71 Milliarden Euro). Das waren 12,5 Prozent mehr als im Jahr 2013 und damit weit mehr als das Wirtschaftswachstum. Damit nach Inkrafttreten des Anti-Raucher-Gesetzes die Kassen gefüllt werden, ließ Peking die Zigarettensteuer von fünf gleich auf elf Prozent erhöhen.

Trotz des Anti-Raucher-Gesetzes darf auch die Macht der Tabakindustrie nicht unterschätzt werden. Sie lässt sich weiterhin an jeder Zigarettenschachtel ablesen. Alle abschreckenden und drastischen Warnungen wie etwa eine schwarze Raucherlunge, die in anderen Ländern längst Standard sind, fehlen dort nämlich. Aber dafür gibt es ja nun die drei Handzeichen.