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Reid Hoffman ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er ist Mitgründer des Karrierenetzwerkes LinkedIn und kennt sich aus mit den Themen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer umtreiben. Weil sie auch ihn selbst bewegen.

Die moderne Arbeitswelt beruhe auf einer riesigen Täuschung, zitiert ihn jetzt die US-Seite „Vox.com“. „Die größte Lüge ist, dass ein Arbeitsverhältnis etwas Familiäres ist“, sagt Hoffman.

Diese Lüge habe zwei Seiten, betont Hoffman. Auf der einen sind die Arbeitgeber, die sich selbst täuschen würden.

Die tatsächlich denken, dass ihr Arbeitsplatz für die Angestellten wie eine Familie ist. Und sich das immer wieder einreden, bis sie die Rede vom Familienstammtisch womöglich selbst glauben. Ihr Hintergedanke: Sie wollen, dass die Mitarbeiter loyal zu der Firma sind.


Kommentar: Dabei handelt es sich um eine universale Selbsttäuschung, die sich durch die gesamte Arbeitswelt zieht. Es gibt nur zwei zentrale Punkte, welche den Zweck eines Arbeitsverhältnisses beschreiben:

1. Der Arbeitgeber will seinen Profit erhalten und wenn möglich ausweiten.
2. Der Arbeitnehmer muss Geld verdienen um leben zu können.

Alle Umschreibungen und Firmenphilosophien, die etwas Anderes behaupten, verschleiern diese Punkte nur um ein "Wohlfühlklima" zu erzeugen. Damit verfolgt der Arbeitgeber jedoch wiederum nur Punkt 1.

Alle Arbeitnehmer, die sich einreden, sie würden ihrem Arbeitgeber familiär gegenüberstehen, blenden konsequent die Tatsache aus, dass einzig Punkt 1 das Maß aller Dinge für den Arbeitgeber ist und der wahre Grund warum er arbeitet, einzig Punkt 2 ist.


"Du feuerst dein Kind nicht, wenn es schlechte Noten hat"

Aber Hoffman bringt in einem einzelnen Satz auf den Punkt, warum das Familienbild eine fiese Täuschung ist. „Du feuerst dein Kind nicht, wenn es schlechte Noten hat.“ Treffer - versenkt.

So ist es. Es ist eben alles andere als familiär, den eigenen Mitarbeiter, zu dem man ja ein wunderbares, großartiges, phänomenales Verhältnis hat, mit Ein-Jahres-Verträgen zu ködern. Schon klar, das soll branchenüblich sein. Wirtschaftskrise und so.

Prekäre Berufseinstiege sind heute bei vielen jungen Menschen eher die Regel als die Ausnahme. Das Ganze hat dramatische Auswirkungen. Zum Beispiel bewirkt das, dass junge Paare die eigene Familienplanung erst dann starten können, wenn die angeblich so familiär tickenden Chefs nach drei Jahren mal einen Vertrag entfristen.

"An Familiengründung können wir gar nicht denken"

Da hilft dann auch keine Debatte über Betriebskitas, wenn in dem Betrieb lauter junge Leute mit befristeten Verträgen hocken.

„An Familiengründung können wir gar nicht denken“, erklärt Nadine, die sich bei der Zeit meldete und über ihre fast zerbrochene Beziehung berichtete. „Ich empfinde es als Hohn, wenn jemand behauptet, dass die Generation Y das so will."

Doch zur ganzen Wahrheit gehört: In dem trügerischen Spiel sind auch die Angestellten nicht ganz unbeteiligt, stellt LinkedIn-Mitgründer Hoffman klar. Die Arbeitnehmer würden nämlich Sätze wie diesen sagen: “Oh, ich plane hier für den Rest meiner Karriere zu arbeiten“, sagt Hoffman.

„Aber die meisten Mitarbeiter haben längst erkannt, dass die Laufbahnentwicklung wahrscheinlich auch einen Wechsel zu einer anderen Firma erfordert. Aber das wird nicht thematisiert.“

An dieser Stelle fordert Hofmann beide Seite auf, endlich mal ehrlich zueinander zu sein.

Und den gemeinsamen Arbeitstalltag nicht hochzustilisieren, sondern nüchtern zu betrachten: als „tour of duty“, wie es Hoffman beschreibt. Also eine Pflichtveranstaltung. Solange beide Seiten das aber nicht zugeben, solange gibt es eine „unehrliche Konversation“, analysiert Hoffman.

Der Idealfall ist dann wohl folgender: Der Arbeitgeber erwartet Top-Leistungen und fördert diese mit entsprechenden Rahmenbedingungen (flexible Arbeitszeitmodelle, gutes Gehalt, kostenlosen Kaffee, Obstkorb, Mitarbeitersport etc.) Und der Mitarbeiter soll in dieser Zeit - die ja meistens eh mit einem befristeten Arbeitsverhältnis beginnt - das Bestmögliche herausholen.

Das Unternehmen als Ich-AG verstehen

Nicht in erster Linie für das Unternehmen, sondern im besten Fall für sich selbst. Das meint auch Thomas Sattelberger, Ex-Personalchef der Deutschen Telekom, wenn er sagt, dass sich junge Arbeitnehmer als „Talent-Unternehmer, als Ich-AG“ verstehen sollen.

Sie müssten versuchen „zu einer Marke zu werden und entscheiden, für welches Thema oder welche Fähigkeit sie stehen wollen“, sagte Sattelberger der Huffington Post. Das Unternehmen dient demnach quasi nur als Hülle für die Karriere. Eine Hülle, die platzen kann. Und daraus machen beide Seiten, wenn sie aufrichtig sind, kein Geheimnis.